Ich bin am besten wie ich bin. Группа авторов
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„Aber Gerd, der muss doch etwas gemerkt haben! Das ist seine Frau, seine Kinder und ihr habt sie schließlich hier im Haus eingesperrt! Oder gehört er auch zu euch?“
Das Karin-Ding kichert.
„Nein, Gerd noch nicht. In der Regel lassen wir einen Humanoiden so lange wie möglich dabei, das gibt den realistischen Touch. Gerd funktioniert ganz ordentlich, er hat einen guten Ruf in der Gemeinde und verlangt nur, dass sein Haus, sein Auto, seine Frau, seine Kinder, sein Hund perfekt sind. Viel Zeit zu Hause verbringt er sowieso nicht, den Wäschekeller hat er noch nie betreten, der Hobbyraum ist reine Makulatur. Nein, Gerd brauchte bisher nicht ausgetauscht zu werden, aber bei seinem Arbeitspensum hat er in zwei oder drei Jahren einen Herzinfarkt. Gut, vorher werden wir natürlich eingreifen, das ist ja kein gutes Zeugnis! Christen sind gesund und fallen nicht plötzlich um.“
Hinter der Tür höre ich wieder dieses Weinen. Es dreht mir das Herz um. Und ich habe Angst, Angst, Angst.
„Und jetzt?“, frage ich, „was wollt ihr tun? Ihr könnt sie nicht ewig dort eingesperrt halten.“
„Nicht?“, fragt das Karin-Ding und mir läuft es kalt den Rücken runter.
„Du wirst ihnen Gesellschaft leisten, liebe Doris. Genau darum habe ich dich hierhin gebeten. Um dich aus dem Verkehr zu ziehen. Bei der Konferenz habe ich eine Speichelprobe von dir genommen, du erinnerst dich an die Tasse Kaffee? Dein Klon ist schon fertig, wir werden ihn für dich nach Hause schicken. Er wird viel mehr als du in der Gemeinde mitarbeiten, wird zu Hause alles tipptopp in Ordnung halten, wird Bio-Kost zubereiten und den Obdachlosen Butterbrote schmieren. Dein armer Mann und deine armen Kinder werden endlich erleben dürfen, wie es in einem perfekt organisierten Haushalt zugeht. Außerdem haben wir einen Job-Chills-Chip fürs gehobene Management eingebaut, der sich selbst aktiviert, sobald die Kinder aus dem Haus sind. Ach ja, volleres Haar und dezent mehr Busen hat dein Klon auch.“
„Das dürft ihr nicht!“, höre ich Karins Stimme hinter der Tür. „Sie wollte nie perfekt sein, das dürft ihr nicht!“
„Aber das war doch immer dein Wunsch“, sagt das Karin-Ding sanft, „du wolltest doch, dass alle Frauen so perfekt sind wie du. Dein Wunsch ist uns Befehl.“
Weg, weg, ich muss hier weg. Aber meine Beine bewegen sich nicht, ich starre nur dieses lächelnde Karin-Ding an, plötzlich stehen die Kinder neben mir, besser gesagt, die Kinder-Dinger, was immer sie auch sind, sie halten mich an den Armen fest, ihr Griff ist eisern, und das Karin-Ding holt einen Schlüssel aus der Tasche, er dreht sich knirschend im Schloss der Eisentür. Jetzt wollen sie mich also einsperren. Ich bin wie gelähmt, nein, nein, nein, Jesus, bitte, nein, nein!
Nein! Mit einem Ruck fahre ich hoch. Das gibt’s doch nicht! Ich wollte mich nur kurz ausruhen, nach dem Mittagessen, und bin dabei wohl einfach auf der Couch eingeschlafen! Schon fast halb vier, ach du lieber Gott, jetzt muss ich wirklich fliegen!
Karin wohnt in einer gepflegten Vorortsiedlung, kleine adrette Reihenhäuser mit kleinen adretten Gärten, an ihrer Tür hängt ganz saisongemäß ein herbstlicher Kranz in Orangetönen, auf der Fußmatte steht „Willkommen“. Ich schelle, es klingt wie ein sanfter Gong, gleichzeitig höre ich von innen laute, erregte Stimmen.
„Ich hab dir gesagt, du sollst das wegmachen.“ Das ist Karin.
„Iiih, das ist so eklig, ich denke gar nicht dran, das kann Tim doch machen!“, kreischt eine weiblich-hysterische Teenagerstimme.
„Bist du bescheuert, du blöde Kuh?“ Ein Junge.
Die Tür geht auf, Karin steht vor mir, aus dem Ei gepellt wie immer, aber mit gerötetem Gesicht, ihr Atem geht schwer.
„Hallo Doris“, japst sie, „tut mir leid, macht es dir etwas aus, wenn wir in der Küche Kaffee trinken? Der Hund hat gerade unter den Wohnzimmertisch gekotzt, die Kinder wollen es nicht wegmachen und ich habe jetzt wirklich keine Lust dazu.“
„Überhaupt nicht“, sage ich, strahle sie an und nehme sie in die Arme. „Im Gegenteil, Küche ist einfach perfekt!“
Jutta Wilbertz studierte Diplomtheaterwissenschaft in Gießen und absolvierte zusätzlich eine Schauspiel- und Gesangsausbildung in Rom und Köln. Sie ist Autorin, schreibt Kurzkrimis und Chansons und tritt regelmäßig mit eigenem Bühnenprogramm auf. Sie lebt und überlebt mit Mann, Tochter und Hund in Köln. www.wilbertz-kunz.de · www.jutta-wilbertz.kulturserver-nrw.de
Entscheiden oder Leiden.
Vom Glück, immer eine Wahl zu haben
Antje Balters
Ich hab‘s gerne übersichtlich. Eine zu große Auswahl zu haben macht mich nervös, und vor allem kostet es mich unendlich viel Kraft und Zeit.
Ich finde es schrecklich, in solche „Auswahlsituationen“ zu geraten.
Wenn ich beispielsweise mit Leuten zum Italiener-Griechen-Inder ihres Vertrauens gehe, der 271 Gerichte auf der Karte hat, dann sind längst alle fertig mit dem Essen und wischen sich den Mund ab, während ich immer noch nicht weiß, ob ich lieber Lasagne oder Chicken-Curry essen soll, und schon ganz stolz bin, dass ich zumindest den Rest des Angebotes bereits verworfen habe.
Auch immer wieder ein unlösbares Problem sind Prospekte großer Bekleidungshäuser, in denen es einen Pulli in fünf unterschiedlichen Varianten und acht Farben gibt: V-Ausschnitt, Rundhals, Rollkragen, U-Boot-Ausschnitt, Schalkragen (die acht Farben erspare ich Ihnen). Schon allein bei dem Anblick kapituliere ich.
In Bezug auf Bekleidung weiß ich mir mittlerweile ganz gut zu helfen. Zum Klamottenkaufen gehe ich nicht in die großen Kaufhäuser, in denen alle angesagten und weniger angesagten Modelabels ihre eigene Ecke haben, sondern ich habe ein kleines Geschäft in der Kleinstadt in der Nähe entdeckt – zufällig, weil es neben der Praxis des Zahnarztes meines Vertrauens ist –, wo ich nicht zwischen 79 Hosen wählen muss, sondern nur zwischen drei infrage kommenden Modellen. Und die – oh Wunder – passen alle drei so gut, dass ich nicht einmal vor der Entscheidung stehe, ob sie nicht doch einen Tick zu groß bzw. zu klein ist.
Wegen meines Entscheidungsproblems kaufe ich auch immer die gleichen Nudeln im Supermarkt, obwohl es vielleicht bessere oder günstigere gäbe ... aber dann müsste ich die 50 Sorten vergleichen, und das kostet mich einfach zu viel Zeit und zu viele Nerven.
Ich gehöre auch nicht zu den Menschen, die sich Matratzen zum Probeschlafen nach Hause bringen lassen – obwohl das vielleicht vernünftig wäre bei einer so großen Anschaffung –, aber es ist mir einfach zu aufwendig! Und wenn ich die eine Matratze nach einer Woche Probeliegen vielleicht für nicht passend befinde, muss ich vielleicht auch noch eine zweite, dritte oder vierte probeliegen – und schon allein bei dem Gedanken an ein solches Unterfangen befällt mich eine bleierne Müdigkeit.
Sie merken, worauf ich hinauswill.
Es gibt aber auch noch eine andere Art von Entscheidungen, die ich sehr viel schwieriger finde – Entscheidungen, die mich und mein Leben betreffen und sich deshalb auch viel unmittelbarer auf meine Lebensqualität und –freude auswirken