Ich bin am besten wie ich bin. Группа авторов

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oder falsch erweisen.

      Das bedeutet letztlich auch, dass es wirklich nichts bringt, Entscheidungen nicht zu treffen, weil man die falsche treffen könnte. Das Leben ist dynamisch und nicht statisch – und deshalb sind auch Entscheidungen nichts, was immer gleich bleibt. Sicher ist nur, dass nichts sicher ist und immer gleich bleibt, außer Gott – das ist schon mal gut zu wissen.

      Aber was tun, wenn das Leben schwer wird, weil schwere Entscheidungen anstehen? Meiner Erfahrung nach gibt es einen wichtigen Grundsatz in solchen Situationen: Es ist besser, eine „falsche“ Entscheidung zu treffen als gar keine. In einem unbefriedigenden „Schwebezustand“ zu bleiben, immer wieder alle Optionen gegeneinander abzuwägen, das kostet Kraft und lähmt letztlich, sodass man sich nur noch als Opfer der Umstände empfindet, auch wenn das de facto vielleicht gar nicht der Fall ist.

      Und noch etwas ist mir wichtig geworden: Man hat immer die Möglichkeit, sich zumindest dafür zu entscheiden, die unbefriedigende Situation anders anzuschauen.

      Ich kann sagen: „Meine Arbeitssituation ist stressig, weil mein Chef ein Despot ist und ich unterfordert bin, ich gleichzeitig aber viel zu viel Verantwortung übernehmen muss. Ich bin das Opfer meiner Arbeitssituation.“ Ich kann aber auch sagen: „Ich brauche diesen Job. Er stellt mich nicht zufrieden, aber ich werde den Job nicht mehr als mein Leben, sondern nur noch als Broterwerb betrachten und nicht mehr den Anspruch haben, dass er mir Befriedigung verschaffen muss. Gleichzeitig halte ich Ausschau nach einer neuen Stelle und baue die Bereiche in meinem Leben aus, die mir Befriedigung bringen.“

      An der Situation hat sich zwar nichts geändert, aber dafür die Art, wie ich sie anschaue und darüber denke – und das kann sehr viel Stress aus dem Ganzen nehmen. Ich reagiere nicht mehr nur, sondern ich agiere, indem ich die Entscheidung treffe, die Sache anders anzuschauen.

      Wenn man so vorgehen möchte, ist es gut, sich in Entscheidungssituationen immer wieder die Frage zu stellen, was eigentlich mein Ziel ist, und zwar sowohl das unmittelbare Ziel in der Situation als auch das langfristigere für mein Leben.

      Wenn Tante Irmchen fragt, ob sie zu Besuch kommen kann, ich aber gerade dabei bin, einzuüben, nicht immer Ja zu sagen und mein Leben von anderen okkupieren zu lassen, dann ist es gut, Tante Irmchen abzusagen – auch wenn sie dann vielleicht beleidigt ist und die Folgen dieses Zustandes auf meine gesamte Familie in Form von Sippenhaft niedergehen.

      Wenn es dagegen mein Ziel ist, aus meinem Schneckenhaus herauszukommen, mehr Kontakte zu haben und wieder aktiver in meinem Umfeld engagiert zu sein, kann auch die Entscheidung richtig sein, Tante Irmchen herzlich willkommen zu heißen, auch wenn meine Lust darauf nicht bei 150 Prozent liegt. Und bei dieser Entscheidung muss Tante Irmchen auch damit leben, dass sie nicht 24 Stunden am Tag bespaßt wird, sondern sich auch mal allein auf einen Spaziergang oder einen Stadtbummel begeben muss.

      Wenn ich auf diese Weise mein Leben anschaue, nicht als Zwangsjacke, sondern als Markt der Möglichkeiten, dann bin ich kein Opfer mehr, sondern Gestalterin – allerdings um den Preis, dass auch ich allein die Verantwortung für meine Entscheidungen trage.

      Wenn damals die Menschen zu Jesus kamen und Hilfe und Heilung bei ihm suchten, hat er oft gefragt: „Was willst du, das ich tue?“ Er hat nicht einfach einen „Mangel“ behoben, sondern die Menschen aufgefordert, sich selbst anzuschauen und sich zu fragen, was ihnen wirklich wichtig ist. Und der reiche Jüngling war eben einfach nicht bereit, den materiellen Überfluss aufzugeben, um eine geistliche und seelische Fülle zu erleben. Und der Blinde, der wieder sehen wollte, musste sich überlegen, ob er wirklich sehen wollte – auch das Schlimme, was niemand gern sieht. Und der Gelähmte am Teich Bethesda musste sich überlegen, ob er wirklich Verantwortung für sein Leben übernehmen und sich selbst in Bewegung setzen wollte.

      Die Frage ist, ob wir wirklich aus der passiven Opferhaltung herauswollen und stattdessen hinein in die aktive, dynamischere, aber auch riskantere Gestalterrolle. Wir dürfen uns sowohl für das eine als auch für das andere entscheiden.

      Ich habe es gern übersichtlich – aber das Leben ist (leider) nicht übersichtlich, berechenbar und geradlinig. Es ist holprig, kurvig und immer für eine Überraschung gut, bestenfalls bunt, schlimmstenfalls chaotisch. Egal, ob und wie wir entscheiden, wir bekommen es nicht in den Griff. Aber es findet seinen Ruhepol immer wieder in dem Einen, der uns gemacht hat, und das nach eigener Aussage „sehr gut“. Es ist sicher und geborgen bei dem, der mich so liebt, wie ich bin, und der so groß und so voller Liebe ist, dass er mir die Freiheit einer Wahl lässt – auch die, seine Liebe nicht zu erwidern. In dieser Freiheit, in der ich geliebte Tochter bin, kann ich es wagen zu gestalten, auszuprobieren und Entscheidungen auch mal völlig aus dem Bauch heraus zu treffen – selbst wenn sie sich vielleicht später als „problematisch“ erweisen. In dieser bedingungslosen Liebe darf ich Fehler machen und sogar scheitern, weil ich weiß, dass ich nie tiefer fallen kann als in seine Hand.

      Antje Balters, Jahrgang 1956, studierte Deutsch, Englisch und Publizistik in Mainz und arbeitete zunächst als Verlagslektorin. Seit über fünfundzwanzig Jahren ist sie als freie Referentin, Lektorin, Übersetzerin und Autorin tätig. Sie ist verheiratet, hat fünf Kinder und lebt in Bremen.

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