Weihnachtswundernacht 4. Группа авторов

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Weihnachtswundernacht 4 - Группа авторов

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an einem künstlichen See vorbei und endet an einer kleinen neugotischen Kirche. Drinnen riecht es nach nassen Haaren und nach etwas Süßem. Der Raum ist gut gefüllt. Es soll nachher Punsch und Kekse geben. Dezente Beleuchtung. Ein riesiger Adventskranz schwebt über dem Altar an einer Kette. Zwei Kerzen brennen. Die elektronische Orgel setzt ein. Der Organist, einer der Insassen, spielt I‘m dreaming of a white Christmas. Der Pastor im Talar geht nach vorne, begrüßt alle und sagt dann:

      „Lasst uns das Eingangslied singen, es ist wohl das bekannteste Adventslied: Macht hoch die Tür.

      Die Orgel variiert den Anfang, verliert sich in abstrusen Akkorden und findet wieder zurück. Dann fangen alle an zu singen. Nach den ersten zwei Zeilen wird es unruhig. Einige stoßen sich an, Gemurmel schwebt über den Bankreihen, ein paar Männer lachen verhalten, bis einer prustet. Eine Frau lacht schrill auf und gackert. Wie Wellen pflanzt sich das Lachen fort, bricht sich an den Wänden, schlägt zurück. Ein Meer aus Lachen.

      Der Pastor ist konsterniert, macht stumm den Mund auf, schließt ihn wieder. Dann steht er auf, dreht sich halb empört, halb fragend um. Irritiert hört der Orgelspieler auf.

      In das Schweigen hinein fragt der Pastor: „Ist irgendetwas passiert?“

      Schweigen, das von ein paar leisen Glucksern durchsetzt ist.

      Schließlich schiebt sich ein dicker, bulliger Kerl durch die Bankreihen und geht nach vorne.

      „Also, das ist so, Herr Pastor. Nichts für ungut, aber dieses Adventslied ist spontan ab heute unser Lieblingslied geworden.“

      Der Pastor hebt fragend die Schulter.

      „Na ja“, sagt der Dicke und reibt sich die Hände. „Es ist ja nicht einfach, hier reinzukommen und auch nicht einfach, wieder rauszukommen – für uns. Nicht für Sie. Und dann lassen Sie heute das Lied singen: Macht hoch die Tür. Tja, das ist uns sozusagen aus dem Herzen gesungen. Wir wollen nämlich alle, dass die Türen endlich hochgehen und aufgehen und die Tore sich weit in den Angeln drehen und die Schlüssel in den Schlössern klingeln. Das ist Musik in unseren Ohren und das hat uns eben so … so fröhlich gemacht. Wir haben gar nicht gewusst, dass die alten Kirchenlieder von unseren Wünschen handeln. Und vielleicht hat dieser Typ, der das Lied gedichtet hat, nicht direkt an uns gedacht, aber der Song hat bei uns eingeschlagen. Und wir denken alle daran, dass irgendwann diese Tore für uns aufgeh’n werden, für den einen früher, für den anderen später. Stimmt doch, Leute, oder?“

      Fast alle trampeln mit den Füßen. „Ja, und deswegen mussten wir alle lachen. Nichts für ungut, Herr Pastor.“

      Der Gottesdienst nimmt seinen Lauf, aber er ist anders als sonst. Eine leichte, fröhliche Stimmung liegt über dem Ganzen, selbst die Kerzen scheinen heller zu brennen, als ob Gott beschlossen habe, dass die offenen Tore das Wichtigste im Advent seien.

      Hinterher, nach dem Orgelnachspiel, das sich aus Macht hoch die Tür und Ins Wasser fällt ein Stein zusammensetzt, in einem anderen Rhythmus und mit seltsamen Akkorden, gibt es noch Kekse, Käsestangen und Punsch ohne Alkohol.

      Stefan Berger macht auf Small Talk, fühlt sich unwohl und ärgert sich, dass Ronald Torgaan ihn als „meinen Sozialarbeiter“ vorstellt, und sich über sein neues Lieblingslied kaum beruhigen kann.

      Sie verabschieden sich und Torgaan fragt gleich nach dem nächsten Termin. Stefan wiegelt ab: „Ich ruf dich an.“

      Er geht zur Cafeteria und bekommt seinen feuchten Schirm zurück. Der gleiche Ritus beginnt von neuem, nur umgekehrt: verschlossene Türen, klirrende Schlüssel, offene Türen. Die Elektronik macht die Türen hoch und die Tore weit. Gang über den Hof, die Raucher sind verschwunden, Ausweis zurück, zweimal Summton. Die letzte Tür geht auf.

      Noch nie ist ihm die Freiheit so groß geworden, als er jetzt über die Schwelle tritt. Die alten Texte! Das Lied ist eine Nachdichtung von Psalm 24, so hat es im Gesangbuch gestanden.

      Sein Weltbild, in dem Wunder keinen Platz hatten, ist erschüttert worden. Und als das Tor hinter ihm ins Schloss fällt, denkt er: Vielleicht eine gute Erschütterung.

      ALBRECHT GRALLE

      6. Das Leben, ein Kinderkrippenspiel

      Der Einstieg in meine Kinderkrippenspielkarriere war steil. Ich musste mich nicht erst als wortloser Ochs- oder Esel-Statist zu den besseren Rollen hocharbeiten, nicht den dritten Stern von rechts geben oder die vierte Tanne von links. Ich war auch keiner von vielen im Engelschor. Nein, bereits meine erste Rolle war sehr viel tragender: der zweite Hirte! An meinen Text kann ich mich leider nicht mehr erinnern. Besonders viel war es wohl nicht und die Worte waren offensichtlich nicht so eindrücklich, dass sie bei mir – geschweige denn dem Publikum – hängengeblieben wären. Ich kann nicht behaupten, dass ich noch heute – schlappe dreißig Jahre danach – darauf angesprochen werde. Immerhin ist mir ein Satz von Hirtenkollege Numero drei in Erinnerung, vielleicht gerade weil er viel zu leise und unverständlich genuschelt aus Schulkamerad Guido herauskam:

      „Seht ihr nicht den Stern dort stehen?“

      Da konnten wir schon in den Proben auf Guido einreden, wie wir wollten. Er kriegte es einfach nicht deutlicher raus. Vielleicht habe ich es auch diesem Umstand zu verdanken, dass ich aus der Hirtenschar hervorstach. Dazu ein blasser Josef. Und schon stand meinem Aufstieg nichts im Wege: Für die Rolle des Josef kam im nächsten Jahr nur einer in Frage …

      Vorher stirbst du tausend Tode. Wenn es dann aber gut gelaufen ist, gibst du dich souverän und staatstragend und genießt neben dem gemeinschaftlich verdienten Applaus auch deinen persönlichen Erfolg. Ich zog den Josef durch, trotz des herben Rückschlags, den es bei der Rollenvergabe zu verarbeiten gab: Nicht die herzzerreißend rührende Anita spielte in diesem Jahr die Maria. Tapfer stützte ich Brunhilde – und kam mir etwas komisch vor.

      Heute kann ich sagen, das ganze Leben steckt in einem Kinderkrippenspiel. Schon in den ersten beiden Aufführungen, in denen ich mitwirkte, deutete es sich an: Rollenfindung, Applaus und komische Gefühle.

      Nun sollte es noch steiler mit mir aufwärts gehen! Im nächsten Jahr bekam ich die Hauptrolle. Ich war – die Tür zum Stall. Zugegeben, das klingt nach weniger als Ochs und Esel ohne Text. Aber in unserem Stück, das unsere Gemeindeschwester Gerlinde auch dieses Jahr aufopfernd mit uns einstudierte, war die Tür zum Stall quasi die Erzählerin des Stücks. Sie war es, die die Geschichte zusammenhielt und den meisten Text zu bewältigen hatte. Der sich einem Lied-Refrain ähnelnd wiederholende Text ist mir in Fleisch und Blut übergegangen, sprich für alle Ewigkeit im Langzeitgedächtnis geblieben:

      Ich bin die Tür zum Stall!

      Ich rufe euch Menschen all,

      still einzukehren und zu sehen,

      was hier im Stalle ist geschehen.

      Um ein Haar hätte mir Richard an diesem Heiligen Abend in den 1980er-Jahren die Show gestohlen. Er war als Engel verkleidet, eine Statistenrolle, in der er sich nicht sonderlich wohl zu fühlen schien. Richard stolperte über sein Engelsgewand und flog krachend und ungebremst, den Kopf voran, voll in die Krippe. Ich meine sogar, er hat sich die Lippe aufgeschlagen. Hätte er sich mal an meine Worte gehalten: Still einzukehren und zu sehen … Dennoch: Meine Kinderkrippenspielkarriere

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