Der undankbare Kontinent?. Группа авторов

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Der undankbare Kontinent? - Группа авторов

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alles vorgegeben wird, ist der Mensch zwar von der Angst gegenüber der Geschichte, von dieser Pein des modernen Menschen verschont, aber der Mensch bleibt unbeweglich: verhaftet in einer unverrückbaren Ordnung, wo alles von Anbeginn festgelegt scheint.

      Niemals schwingt sich da der Mensch auf zur Zukunft. Niemals kommt es ihm in den Sinn, aus der Sphäre der Wiederholung herauszutreten, um sich eine eigene Bestimmung zu erschließen.

      Dies ist – gestatten Sie einem Freund Afrikas, das auszusprechen – das Problem Afrikas. Die Herausforderung besteht für Afrika darin, mehr in die Geschichte einzutreten. In sich selbst die Energie, die Kraft, den Wunsch und den Willen zu finden, die notwendig sind, um seiner eigenen Geschichte zuzuhören und sie sich anzueignen.

      Das Problem Afrikas besteht darin, dass dieser Kontinent die unablässige Wiederholung, das unablässige Wiederkäuen des Selben aufgeben muss, sich vom Mythos der ewigen Wiederkehr befreien, sich verdeutlichen muss, dass das goldene Zeitalter, dem er unentwegt nachtrauert, nicht mehr wiederkehrt, ganz einfach weil es nie existiert hat.

      Das Problem Afrikas besteht darin, dass dieser Kontinent, während er die Gegenwart erlebt, zu sehr in der Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies der Kindheit verfangen ist.

      Das Problem Afrikas besteht darin, dass dieser Kontinent die Gegenwart allzu oft an einer nicht realen, sondern bloß vorgestellten Reinheit des Ursprungs misst, die wieder auferstehen zu lassen in niemandes Macht steht.

      Das Problem Afrikas besteht darin, dass dieser Kontinent nicht eine mehr oder weniger mythische Vergangenheit zur besseren Verkraftung der Gegenwart, sondern mit seinen ureigenen Mitteln eine Zukunft erdenken soll.

      Das Problem Afrikas besteht darin, dass dieser Kontinent sich nicht auf die Rückkehr des Unheils einstellen soll, so als ob sich dieses durch alle Zeiten hindurch immer wiederholte, sondern dass er wünschen und sich selbst befähigen soll, das Unheil abzuwenden, denn Afrika hat wie alle anderen Kontinente ein Recht auf das Glück.

      Das Problem Afrikas besteht darin, dass dieser Kontinent sich selbst treu bleiben und zugleich nicht erstarren soll.

      Die Herausforderung besteht für Afrika darin, dass es lernen muss, seinen Zugang zum Universellen nicht als Selbstverleugnung, sondern als Vollendung zu sehen.

      Die Herausforderung besteht für Afrika darin, dass es lernen muss, sich selbst als den Erben des Universellen, das in allen menschlichen Kulturen enthalten ist, zu fühlen.

      Es muss sich Menschenrechte, Demokratie, Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit als gemeinsames Erbe aller Kulturen und aller Menschen aneignen.

      Es muss sich die moderne Wissenschaft und Technik als Errungenschaft des gesamten menschlichen Geistes aneignen.

      An Afrika stellt sich dieselbe Herausforderung wie an alle Gesellschaften und Kulturen, wie an alle Völker, die ihre Identität zwar bewahren, aber sich nicht abkapseln wollen, weil sie wissen, dass Abkapselung tödlich ist.

      Kulturen sind dann groß, wenn sie an der weltweiten Vermischung des menschlichen Geistes teilhaben.

      Sich an dieser weltweiten kulturellen Vermischung während langer Zeit nicht beteiligt zu haben schwächte Afrika, auf dessen Boden ja so viele prachtvolle Kulturen entstanden waren. Der Preis für diesen Rückzug aus den Weltentwicklungen sollte ein hoher werden: Afrikas Verletzbarkeit und Prekarität. Aber aus dem Unheil schöpfte Afrika neue Kräfte, indem es sich nun seinerseits vermischte. Und diese Vermischung – unter welchen peinvollen Umständen sie auch immer zustande gekommen sein mag – ist die wahre Stärke und die wahre Chance Afrikas jetzt, wo die erste planetarische Gesellschaft entsteht.

      Jenseits aller Verbrechen und aller Fehler, die in ihrem Namen begangen wurden und die unentschuldbar sind, haben die islamische Kultur, das Christentum und die Kolonisation doch die Herzen und den Geist der Afrikaner für das Universelle und für die Geschichte geöffnet.

      Ihr jungen Afrikaner, lasst euch eure Zukunft nicht entwenden von jenen, die auf Intoleranz nur mit Intoleranz und auf Rassismus nur mit Rassismus antworten!

      Ihr jungen Afrikaner, lasst euch eure Zukunft nicht entwenden von jenen, welche euch einer Geschichte berauben wollen, die auch euch gehört, weil sie die peinvolle Geschichte eurer Eltern, eurer Großeltern und eurer Vorfahren war!

      Ihr jungen Afrikaner, hört nicht auf jene, welche unter Berufung auf die Tradition den Austritt Afrikas aus der Geschichte betreiben, denn ein Afrika, in dem sich nichts mehr ändern darf, wäre erneut zur Knechtschaft verdammt!

      Ihr jungen Afrikaner, hört nicht auf jene, welche euch hindern wollen, am Abenteuer der Menschen so teilzuhaben, wie es euch zusteht, denn ohne euch, ihr jungen Afrikaner, die ihr die Jugend der ganzen Welt seid, ohne euch wäre das Abenteuer der Menschen nicht so schön!

      Ihr jungen Afrikaner, hört nicht auf jene, welche euch entwurzeln, euch eurer Identität berauben wollen, welche alles Afrikanische, die ganze Mystik, die Religiosität, die spezifisch afrikanischen Fühl- und Denkweisen endgültig ausradieren wollen, denn wer den Austausch anstrebt, muss auch etwas geben können, denn wer mit den anderen sprechen will, muss ihnen auch etwas sagen können!

      Ihr jungen Afrikaner, hört vielmehr auf die große Stimme des Präsidenten Senghor, der sein ganzes Leben lang bemüht war, die Erbteile und Kulturen, in deren Mitte die Zufälle und Tragödien der Geschichte den afrikanischen Kontinent gestellt hatten, mitein­ander zu versöhnen!

      Dies sagte er, der Sohn aus Joal, der mit den Gesängen der Griots aufgewachsen war, ja, dies sagte er: »Wir sind kulturelle Mischlinge; wir fühlen zwar als Schwarze17, aber wir teilen uns auf Französisch mit, weil das Französische eine Sprache universeller Bestimmung ist und unsere Botschaft sich auch an die Franzosen und an alle Menschen richtet«.

      Und er sagte auch: »Das Französische schenkte uns durch seinen Wortschatz die in unseren Muttersprachen so seltenen Abstrakta. Bei uns haben die Wörter einen natürlichen Nimbus aus Erdsaft und Blut; die Wörter des Französischen hingegen strahlen diamantengleich und tausendfach wie ein Feuerwerk, das unsere Nacht erhellt«.

      So sprach Léopold Senghor, der all dem, was die Menschheit an Intelligenz in sich birgt, zur Ehre gereicht. Dieser große Dichter und große Afrikaner wollte, dass Afrika, ein neues Zeichen setzend, mit der ganzen Menschheit spricht, und so schrieb er auf Französisch Dichtungen für alle Menschen.

      Diese Dichtungen brachten für alle Menschen die Kunde von Fabelwesen, die Quellen bewachen, in Flüssen singen, sich in den Bäumen verbergen.

      Es waren Dichtungen, durch die die Menschen wieder die Stimmen der Verstorbenen einer Dorfgemeinschaft, die Stimmen der Ahnen vernehmen konnten.

      Dichtungen, die durch einen Wald von Symbolen zurück zu den Ursprüngen des von Generation zu Generation überlieferten Gedächtnisses führten, jenes Gedächtnisses, das jedes Volk tief in seinem Bewusstsein bewahrt, so wie der erwachsene Mensch in sich das Glück der Kindheit bewahrt.

      Denn jedes Volk hat einmal die Zeit des ewigen »Jetzt« erlebt, die von dem Wunsch bestimmt war, das Universum nicht zu beherrschen, sondern in Übereinstimmung mit ihm zu leben. Zeit der Empfindung, des Instinkts, der Intuition. Zeit des Geheimnisses und der Initiation. Mystische Zeit, wo das Heilige allgegenwärtig war in einer Welt der Zeichen und gegenseitigen Entsprechungen. Es ist dies die Zeit der Magier, der Zauberer, der Schamanen. Die Zeit des hohen Worts, das von den Menschen geachtet, von den Generationen weitergegeben wird und das über Jahrhunderte heilige Erzählungen überliefert, die so alt sind wie die Götter selbst.

      Afrika

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