Leere Hand. Kenei Mabuni

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Leere Hand - Kenei Mabuni

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Gruppen und verbunden mit viel Freude. Manche Anfänger haben Angst vor Kataübungen mit einem realen Gegenüber, d. h., vor dem Training mit Partner (kumite). Aber wenn man Karate nur betreibt, um seine Gesundheit zu fördern, ist es gar nicht erforderlich, sich mit dem kumite auseinanderzusetzen. Man benötigt auch nicht viel Platz, um eine Kata auszuführen. Eine Fläche von 3½ bis 4 Tatami-Matten, d. h., etwa 7-8 m², ist ausreichend.

      Das von meinem Vater entwickelte Shitō-Karate enthält die traditionellen Kata des Shuri-te und des Naha-te, der beiden wichtigsten Stilrichtungen der okinawanischen Kampfkünste mit der bloßen Hand. Was die einzelnen Techniken angeht, so sind die Unterschiede zwischen beiden nicht allzu groß. Es ist jedoch für die Kata des Shuri-te charakteristisch, daß sie viele effektive und schnelle Angriffs- und Abwehrbewegungen für einen Kampf auf lange Distanz enthalten. Typisch für das Naha-te sind dagegen der Nahkampf mit »schweren« Bewegungen und spezielle Atemtechniken, die aus dem chinesischen Fukien-Kempō5 stammen. Diese große Spannweite ermöglicht es, daß man ohne weiteres für jedes Alter, jeden Körperbau und jeden physischen Zustand geeignete Kata finden kann. Das ist der große Vorzug des Shitō-Karate.

      Lange Kata enthalten etwa 70 Techniken, kurze Kata etwa 20. Eine kurze Kata dauert nicht länger als eine Minute. Es gibt keinen Teil des Körpers, der beim Üben von Kata nicht bewegt wird, und die Resultate lassen sich schon sehr bald erkennen. Männer bekommen einen ausgewogenen, starken Körper, und für Frauen ist es ein ideales Schönheitstraining. Da man weder einen besonderen Raum noch Gerätschaften oder spezielle Kleidung braucht, gibt es keine einfachere Methode, einen guten Gesundheitszustand zu schaffen. Selbst sehr beschäftigte Leute sollten die wenigen Minuten erübrigen können, die nötig sind, um sich mit dieser Methode fit zu halten. Manch einer mag nun einwenden, daß er hierfür zu alt sei. Tatsächlich jedoch kann man prinzipiell in jedem Alter mit dem Training beginnen. Ein paar Minuten Katatraining jeden Tag können ein langes Dasein garantieren. Nahezu alle Karate-Meister, ob aus Okinawa oder von den japanischen Hauptinseln, erfreuten sich eines langen Lebens.

      Mich selbst könnte man als lebendiges Beispiel nehmen. Ich bin jetzt 83 und war niemals ernsthaft krank. Mehrmals im Jahr fahre ich als Trainingsleiter ins Ausland. Die Zeitverschiebung spüre ich nie und trainiere immer gleich am folgenden Tag zusammen mit den jungen Leuten.6

      1938 publizierte mein Vater das Buch »Einführung in die Angriffs- und Abwehrtechniken im Karate«.7 Das Werk enthält verschiedene Aussagen über die Auswirkungen des Trainings, wie z. B.: »Durch das Karate bereiten auch alle anderen Aktivitäten mehr Freude«, »Physisch schwache Personen können zu Hause trainieren und dadurch stark werden«, »Kranke und dicke Personen bekommen kräftige Muskeln und werden gesund«, »Man trinkt abends immer weniger Alkohol und arbeitet tagsüber effektiver« und »Nervenschmerzen und Nervenschwäche werden kuriert«.

      Es lag meinem Vater am Herzen, Karate als hervorragende Methode der Gesundheitsförderung zu propagieren. In Zusammenarbeit mit einer medizinischen Universität gelang es ihm, die positiven medizinischen Wirkungen nachzuweisen, u. a. anhand von Blut- und Urintests. Sein Buch enthält auch Auszüge aus einem Forschungsbericht von Marineärzten, die die physiologischen Wirkungen des Karate beschrieben. Diesem zufolge fördert Karate den Stoffwechsel und die Nervenreflexe. Gleichgewichtswahrnehmung und Muskelkraft werden verbessert, und es kommt zu einer Harmonisierung des gesamten körperlichen Zustands. Damit war der positive Einfluß des Karatetrainings auf den Körper hinreichend belegt.8

      Das Buch erschien, nachdem mein Vater zehn Jahre auf der japanischen Hauptinsel gelebt und dort für die Verbreitung des Karate gewirkt hatte. Das Karate, das mein Vater von Okinawa mitgebracht hatte, war sehr spirituell und religiös. Leider ist das heutige Karate in diesem Punkt weit von dem entfernt, was mein Vater damals verbreiten wollte. Die spirituell-seelische Erziehung sollte der auf Selbstverteidigung orientierten kampftechnischen Ausbildung nutzen. Am Ende des Buches schrieb er: »Wenn Sie wirklich einmal in eine Situation kommen, in der dies nötig ist, dann werden Sie handeln können.«

      Ich machte in meinem Leben mehrfach die Erfahrung einer spontanen Reaktion des Körpers auf eine plötzliche Gefahr. Als ich 16 oder 17 war, fuhr ich mit einem Freund an den Shirahama-Strand in der Präfektur Wakayama. Wir wollten die Aussicht von Senjōjiki genießen. Ich stand mit dem Rücken zum Meer und war gerade dabei, den Gürtel meiner Badebekleidung straffzuziehen, als plötzlich eine riesige Woge über mich hereinbrach und mich gegen einen Felsen schleuderte. Mein Freund, der die Welle kommen gesehen hatte, war weggerannt. In dem Moment, als ich begriff, daß eine Welle mich verschlungen hatte und mein Körper ein Spielball des Wassers geworden war, krallte ich mich instinktiv an den Felsen, gegen den die Brandung mich geworfen hatte. Hätte mich die Welle wieder ins Meer gesogen, wäre ich wohl nicht mehr lebend herausgekommen. Nicht wenige haben auf diese Weise ihr Leben verloren.

      Später, gegen Ende des Großen Ostasiatischen Krieges9 war ich auf der philippinischen Insel Cebu stationiert. Die amerikanischen Truppen waren bereits mit großer Angriffswucht gelandet. Deshalb mußten wir zusammen mit den hier lebenden Japanern ins zentrale Hochland der Insel flüchten. Wir konnten nur nachts marschieren, denn tagsüber kreisten amerikanische Hubschrauber über der Gegend. Wir marschierten also in absoluter Dunkelheit, eine Hand am Gürtel oder auf der Schulter des Vordermannes. Plötzlich rutschte ich ab und stürzte einen Abhang hinunter. Als ich wieder zu mir kam, saß ich vier oder fünf Meter tiefer und hielt meinen Tornister umklammert. Ich war erstaunlicherweise unverletzt. Ich sagte zu mir selbst: »Ist vielleicht nicht so gut, zurückzubleiben«, kletterte den Hang schnell wieder hinauf und schloß mich den anderen an. Auch damals dachte ich, wie gut es doch sei, Karate zu trainieren. Denn auch diesmal hatte mein Körper offensichtlich spontan auf die plötzliche Gefahr reagiert und es vollbracht, daß ich den tiefen Sturz unbeschadet überstand.

      Auch in vielen anderen weniger dramatischen Situationen wurde mir zutiefst bewußt, daß ich ohne Karate vielleicht mein Leben verloren hätte oder zumindest schwer verletzt worden wäre. Vielleicht wird manch einer einwenden, daß ich das gewiß nur mit einem speziellen Training erreicht habe. Das stimmt aber nicht. Jeder, der Karate ernsthaft und kontinuierlich trainiert, kann das erreichen.

      Da Karate immer mehr als Wettkampfsport betrieben wird, hat die Zahl der Frauen, die Karate vor allem zur Selbstverteidigung trainieren wollen, stark abgenommen. Aber neben der Gesundheitsförderung ist die Selbstverteidigung das ursprüngliche Ziel und nach wie vor eine wichtige Funktion des Karate.

      Als mein Vater an der Meijō-Mädchenschule Karate unterrichtete, entwickelte er eigens zwei Kata für die Selbstverteidigung von Mädchen, die Meijō, »heller Stern«, benannt nach der Schule, und die Aoyagi, »grüne Weide«, Ausdruck von Eleganz und Sanftheit. Diese Kata sind sehr auf den realen Kampf ausgerichtet. Sie enthalten Techniken gegen typische Angriffe, wie z. B. plötzliche Umklammerung von vorn oder hinten, oder auch Techniken, die die Energie des gegnerischen Angriffs nutzen. Aber solche kurzen, kampforientierten Kata sind für Wettkämpfe nicht besonders geeignet und deshalb heute leider nicht mehr so beliebt.

      Vor kurzem las ich einen Artikel in der Zeitung Asahi Shimbun, in dem darüber berichtet wurde, daß ein Mittelschüler in Ōsaka, der in seinem Haus von einem Einbrecher mit einem Messer angegriffen wurde, dem Angriff auswich und so die Chance bekam, wegzurennen. Dem Reporter sagte er danach: »Als ich das Messer sah, reagierte mein Körper ganz spontan. Ohne mein Karate-Training wäre ich sicher vor Angst erstarrt.«

      Um Karate zur Selbstverteidigung zu nutzen, reicht es nicht, die einzelnen Techniken zu erlernen. Man muß auch eine bestimmte seelische Energie, ki,10 entwickeln, um seine Fähigkeiten genau in dem Moment zu mobilisieren, in dem sie gebraucht werden, nämlich, wenn

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