Tod im Thiergarten. Horst Bosetzky

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Tod im Thiergarten - Horst Bosetzky страница 5

Tod im Thiergarten - Horst Bosetzky

Скачать книгу

Der Tote aus dem Thiergarten war von den Gehilfen in einen kühlen Raum gebracht worden. Der Stadtphysicus hatte ihn noch nicht in Augenschein nehmen können, wurde Werpel mitgeteilt, denn zum einen sei heute Sonntag, und zum anderen befinde sich Herr Professor Wagner auf einer Reise nach Hamburg, um dort Brandopfer zu identifizieren.

      Der Schneidermeister war ein sehr sensibler Mensch, und so musste ihn Werpel mal schieben, mal hinter sich herziehen, bis sie endlich vor der Wanne aus Zinkblech standen, in die man den Selbstmörder gelegt hatte.

      »Das ist er«, hauchte Hoppe. »Gott, der Ludwig …« Werpel musste Hoppe stützen und dafür sorgen, dass er sich im Vorraum einen Augenblick auf einer Bank niederlassen konnte. »Und einen Schluck Wasser für ihn!«

      Sie brauchten gut zehn Minuten, bis der Schneidermeister wieder einigermaßen bei Kräften war. Er hatte aber noch weiche Knie, als sie das Gelände der Charité wieder verließen und zur Georgenstraße liefen, denn Hoppe hatte sich erinnern können, dass die Braut seines Gesellen Anna hieß und Dienstmädchen in der Georgenstraße war. Bei wem allerdings, hatte er vergessen.

      »Macht nichts«, war Werpels Kommentar. »Ich bin dafür bekannt, dass ich jede Nadel im Heuhaufen finde.«

      Diese Arbeit überließ er allerdings dem Constabler Krause, der in der Georgenstraße an den Klingelzügen reißen und sich nach einer Dienstmagd namens Anna erkundigen musste. Beim Auskultator Krüger hatte er Glück.

      »Ja, wir haben eine Anna.«

      Ein Ruf ins Innere des Hauses lockte sie an die Tür.

      »Bist du die Braut des Ludwig …« Erst jetzt bemerkte Werpel, dass er den Nachnamen des Erhängten noch gar nicht eruiert hatte.

      »Dölau«, half ihm Hoppe aus.

      »… des Schneidergesellen Ludwig Dölau?«, vollendete Werpel seinen Satz. Nur wenn er es aussprach, konnte es als amtlich gelten.

      »Ja, det bin ick, und balde heiraten wa ooch.«

      »Daraus wird nun nichts mehr werden«, sagte Werpel. Anna erschrak. »Wieso? Ham Se ihm einjespunnen?«

      Werpel wurde hellhörig. »Nein. Wieso sollten wir ihn eingesperrt haben?«

      »Ick meine ja nur so …« Anna war helle und hatte sofort begriffen, dass sie da einen Fauxpas begangen hatte.

      »Nun denn …« Selbst Werpel, dem man nicht nachsagen konnte, besonders einfühlsam zu sein, zögerte, dem Dienstmädchen die Wahrheit zu sagen. Er holte tief Luft.

      »Einmal musst du es ja erfahren …«

      »Wat denn?« Anna ahnte die Katastrophe und begann schon zu schluchzen, ehe der Commissarius ihr eröffnet hatte, was geschehen war.

      »Er hat sich heute Nacht im Thiergarten erhängt.« Anna war einer Ohnmacht nahe und musste von Werpel und dem Constabler gestützt werden. »Det er mir det antun musste!«, schluchzte sie.

      »Gott, Kind, es gibt noch tausend andere Männer auf der Welt, die du heiraten kannst«, sagte Werpel. Es war eigentlich gut gemeint, löste aber einen Weinkrampf bei Anna aus.

      Ein Dienstmädchen aus der Nachbarschaft war neben der kleinen Gruppe stehen geblieben und hatte mitbekommen, worum es hier ging. Sie wartete, bis Werpel und der Constabler Anna auf einen schnell herbeigeschafften Stuhl gesetzt hatten, um dem Commissarius ins Ohr zu flüstern:

      »Ich weeß ooch, warum der sich uffjehangen hat. Die Anna hat nämlich ooch andre Kerle jehabt und is ’n janz liederliches Frauenzimma. Det hatta nich ertrag’n könn’n.«

      Werpel nahm es interessiert zur Kenntnis. Dann wartete er, bis Anna sich so weit erholt hatte, dass man wieder mit ihr reden konnte. Er zeigte ihr den Abschiedsbrief, den sie in Dölaus Kammer gefunden hatten.

      »Ist das seine Handschrift?«

      »Ja, det isse«, bestätigte das Dienstmädchen.

      »Meiner Meinung nach auch«, sagte Hoppe. »Aber dass er so viele Fehler drin hat …«

      »Das wird die Aufwallung gewesen sein«, vermutete Werpel. »Niemand hängt sich ja zweimal auf, so dass einem beim ersten Mal die Übung dabei fehlt.«

      »Ich bitte Sie!«, rief der Auskultator Krüger. »Das schickt sich nicht. Anna, du gehst am besten wieder ins Haus.«

      Werpel wurde nun sehr direkt. »Mischen Sie sich da nicht ein! Dies ist ein Verhör, denn dieser Dölau war ein Verbrecher, und die hier könnte seine Komplizin gewesen sein.« Er zeigte auf das Dienstmädchen.

      »Wieso soll ihr Bräutigam ein Verbrecher gewesen sein?«, fragte der Auskultator.

      Werpel zeigte auf den Abschiedsbrief. »Hier! Warum sollte er sonst von einer schweren Schuld sprechen? Es handelt sich also um ein schweres Verbrechen.«

      »Ick weeß von nüscht!«, rief Anna.

      »Du lügst!«, herrschte Werpel sie an, denn mochte er auch als grober Klotz gelten, so viel Berufserfahrung hatte er, um genau zu spüren, ob jemand die Wahrheit sagte oder nicht. »Gut, wenn du nicht mit der Sprache raus willst, kommst du eben mit. Wir haben immer eine Zelle frei für Geschöpfe wie dich.«

      Da brach es aus Anna heraus: »Ick weeß würklich von nüscht, ick weeß nur, detta manchmal mehr Jeld jehabt hat, alßa von sei’m Meesta jekriegt hat.«

      »Und du hast nie nachgefragt, woher er das Geld gehabt hat?«

      »Nee, hab ick nich, ick hab ihn ja jeliebt, Herr Commissarius.«

      Der Königlich Preußische Major der Artillerie Christian Philipp von Gontard musste sich am Montag erst gegen Mittag auf den Weg zur Vereinigten Artillerie- und Ingenieurschule machen, wo er das Fach Physik vertrat, und so konnte er die freien Stunden nutzen, endlich den Dieb zu fangen, der seit Wochen die Gegend unsicher machte: einen Kerl, der nicht etwa bei Nacht und Nebel in gutbürgerliche Wohnungen einbrach, sondern am helllichten Tage, wenn der Hausherr seinem Broterwerb nachging, die Kinder in der Schule waren und die Frau des Hauses mit dem Dienstmädchen unterwegs war, um auf den Märkten ringsum Frisches einzukaufen.

      Der Commissarius Werpel war ratlos. »Ich glaube langsam, dass dieser Mann nur in der Phantasie der Bestohlenen existiert«, hatte er zuletzt geäußert. »Die Leute selber oder ihre Dienstboten schaffen etwas beiseite, warum auch immer, und schieben es einem Phantom in die Schuhe.«

      Gontard war da anderer Meinung gewesen. »Von Kammergerichtsrath Harrassowitz kann ich mir schwer vorstellen, dass er zu einer solchen Tat fähig ist. Und bei ihm ist letzte Woche eingebrochen worden.«

      Werpel hatte unwirsch reagiert. »Sie sollten bei Ihren Leisten bleiben, Herr von Gontard, und mir nicht immer ins Handwerk pfuschen!«

      »Ich bitte um Entschuldigung, Herr Commissarius, aber es ist nun einmal meine große Leidenschaft, dem Verbrechen auf die Spur zu kommen. Es ist ein geheimer Drang in mir, jedes Rätsel zu lösen - in welcher Profession und Wissenschaft auch immer.«

      Gontard war klar, dass es sich bei dem Einbrecher um einen intelligenten Menschen handeln musste, der im Gewand eines ehrlichen Bürgers durch Berlin streifte

Скачать книгу