Schwarzmarkt Magie. Jek Hyde

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Schwarzmarkt Magie - Jek Hyde

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fuhr ein ganzes Stück. Halb in Trance registrierte sie irgendwann, dass es bald Morgen werden würde. Also bog sie von der Straße auf einen langen Feldweg ab und tuckerte in ihrem Ford Escort EXP dahin. Der Himmel hellte sich langsam auf. Der einzig sichtbare Lichtfleck war das weiße Mondgestein. An einem alten Kirschbaum bog sie ein und fuhr ein Stück. In dem langsam weiß-blau werdenden Himmel zeichneten sich kreuz und quer Karos aus wunderschönen Chemtrails ab. Schließlich hielt sie den Wagen an, wo die Umgebung noch immer grau war. Rund herum ragten riesige, dünne Windräder in den Himmel. Sie stieg aus, holte eine Jacke aus dem Kofferraum, platzierte sie so auf der Motorhaube ihres treuen Fords, dass sie den Lack unmöglich zerkratzen konnte, und setzte sich darauf. Nur ein dünner, verschwommener, roter Ring zog sich über die Landschaft. Bald würde die Sonne aufgehen. So hell, wie der Streifen war, musste der Rand der Sonne jeden Moment über die Erde lugen.

      Wie weit von zu Hause war sie wohl entfernt? Nicht von dem Ort, sondern von der Zeit, als sie das Haus mit ihrer vollgestopften Reisetasche verlassen, sich an die Straße gestellt und das Schild mit ihrem Reiseziel Nirgendwo hochgehalten hatte? Es musste sehr weit weg sein.

      Sie erinnerte sich, wie sie zum ersten Mal hinter dem Steuer eines Wagens gesessen hatte. Sie musste damals elf oder zwölf gewesen sein. Damals hatte sie nicht einmal geahnt, ein Zwitter zu sein. Ihre Eltern hatten ihr weisgemacht, sie wäre ein Junge, und so war sie auch aufgewachsen. Damals hatte sie kurz geschorenes Haar getragen. Wenn sie jetzt daran dachte, war es, als wären es gar nicht ihre Erinnerungen, sondern die eines anderen. Die Erinnerungen von jemandem, der jetzt erwachsen war, vielleicht eine kleine Familie hatte und mit den Kumpels in den Club Blue Monday zum Saufen ging. Dieser Jemand war nicht sie.

      Ihr Vater war ein ziemlich großer Kerl, der gern Holzfällerhemden trug und als Mechaniker arbeitete. Neben ihrem Haus hatte er seine kleine Werkstatt. Als Junge glaubte Alex, als Erwachsener genau so auszusehen. Mit diesem stoppelbärtigen, gespaltenen Kinn, dem länglichen Gesicht, den schmalen Augen und dem dunklen Haar. An diesem einen Morgen sagte er zu ihr: „Sohn –“ Immer, wenn er irgendeine Ankündigung machte, die Alex betraf, sagte er „Sohn“, nie „Alex“, und zwar mit einer gewissen Aufbruchstimmung in der Stimme. Er sagte also: „Sohn, heute werde ich dir zeigen, wie man ein Auto fährt. Na, was hältst du davon?“ Und es gab keine Antwort außer: „Das ist spitze, Paps“, die ihn nicht verärgert hätte.

      Also gingen sie an diesem Morgen hinaus zu seinem Chevrolet Balzer, diesem schwarzen Monster von Auto. Er warf ihr den Schlüssel zu und Alex fing ihn etwas ungeschickt auf. Damals war ihr Vater noch ganz anders, als er noch einen Sohn hatte, den er zu einem Prachtexemplar von Mann formen konnte, wie er selbst eines war. Alex schloss den Wagen auf und kletterte auf den Fahrersitz. Es war ein eigenartiges Gefühl, dort zu sitzen, von hier aus sah die Welt ganz anders aus als vom Beifahrersitz.

      Wie oft schon hatte er ihr während der Fahrt die Armaturen erklärt? Wie oft hatte Alex ihm zugesehen, während er diesen Wagen fuhr. Seine Augen, die immer zielgerichtet geradeaus gestarrt hatten, während er erzählte. Nun saß sie selbst hinter diesen gewaltigen, cremefarbenen Armaturen, legte die Hände um das große, schwarze Lenkrad, in dessen Mitte ein Kreuz prangte, als ob dies hier ihre Religion wäre. Als ob Autos sie für den Rest ihres Lebens begeistern würden.

      Ihr Vater nahm auf dem Beifahrersitz Platz und schaute wie immer zielgerichtet geradeaus, als würde er die brachiale Zukunft in Augenschein nehmen. „Ich habe dir alles erklärt, Sohn“, sagte er. „Rechts ist das Gas, in der Mitte die Bremse und links die Kupplung.“ Alex drehte den Schlüssel im Zündschloss, schob ihren im Turnschuh steckenden rechten Fuß auf das Pedal und den anderen auf die Kupplung. Sie musste lächeln, als sie an das Gefühl dachte, wie der Wagen sich aufgebäumt hatte, um kurz darauf mit einem gewaltigen Ruck zu ersterben.

      Alex saß zwischen den beiden Lichtern auf der Motorhaube und schaute sich den Sonnenaufgang in der nebligen, unscharfen Frühe an. Sie sah, wie sich der gesamte Himmel rot färbte und das erste glühende Stück Sonne aus dem roten Wolkenmeer auftauchte. Die Windmühlen glänzten und die ersten warmen Strahlen erstreckten sich über den holprigen Weg und die Felder. Alex setzte nun die Pilotensonnenbrille auf, die sie die ganze Zeit in den Fingern gedreht und gewendet hatte, während die Sonne träge und wabernd aufstieg.

      Die Erinnerung an die leichten, aber tiefen Vibrationen des Wagens, den sie damals endlich zum Leben erweckt hatte, strömte auf sie ein. Vorsichtig, geradezu ängstlich drehte sie das Lenkrad nach rechts, während der Chevrolet über die Gittersteine aus der Ausfahrt vor der Garage rollte. Sie fuhr den grob asphaltierten Weg nach rechts, den sanften Hügel hinauf. Der Anstieg war kaum merklich, doch Alex fühlte sich, als würde sie eine Achtzig-Grad-Steigung hinauffahren und das Auto fast umkippen. „Nur zu, Sohn, gib etwas mehr Gas“, wies ihr Vater sie an und Alex verstärkte den Druck auf das Pedal. Der Chevrolet rollte murrend und knurrend hinauf, den Gärten und Feldern entgegen, wo die ersten elfenbeinweiß strahlenden Windräder standen, die sich in den darauffolgenden Jahren karnickelgleich vermehren sollten. Alex’ Augen huschten für den Bruchteil eines Augenschlags zu den schwarzen Anzeigen, doch als sie wieder den weiten, blauen und von jeder Wolke befreiten Himmel über dem Feldweg sah, hatte sie bereits vergessen, was sie gesehen hatte. Es war ein langer, steiniger, staubiger Weg, fast wie der, auf dem Alex jetzt stand und der Sonne beim Aufquellen zusah. Rundherum erhellte sich der Himmel.

      „Gib noch etwas Gas, komm schon, Junge, trau dich!“, forderte ihr Vater und Alex gab noch mehr Gas. Als der dunkle, lavasteingleiche Asphalt endete und in die staubige Straße überging, gab es ein kurzes Auf und Ab. Alex beschleunigte. Es waren vielleicht 50 Kilometer pro Stunde, aber ihr kam es vor wie 220. Langsam erwachte dieses merkwürdige Glück in ihr, das Monstrum aus Stahl und Kunststoff endlich zu beherrschen, dass sie die Zügel fest in der Hand hatte und es ihren Befehlen folgen würde, egal, wie auch immer diese lauten würden. Alex begann, unsicher zu lachen. Ihr Vater grinste, zufrieden mit ihr, seinem Sohn.

      Von diesem Tag an fuhr Alex für einen Teenager unheimlich oft und bald schon bis zum Kaufhaus oder zu den kleinen Läden in der Nähe. Bis irgendwann mit siebzehn oder achtzehn – überraschenderweise konnte Alex sich nicht mal mehr genau erinnern, wie alt sie gewesen war – die wirklichen Schwierigkeiten anfingen. Als ihr Becken sich eher in die weibliche Richtung entwickelte und ihre Brüste zu wachsen begannen, wurde ihr klar, dass sie nicht einfach nur ein Junge war. Damals war das Fahren das Einzige, was ihr eine gewisse Stabilität gab, während die Welt um sie herum zusammenbrach, als ihr eröffnet wurde, dass sie kein einfacher Junge war, sondern halb und halb.

      Alex machte sich erst spät Gedanken über die dünne Narbe, die neben ihrem Penis verlief. Ihre Mutter erklärte ihr damals, dass die Narbe von einer „offenen Stelle“ herrührte, die kurz nach der Geburt geschlossen werden musste. „Du musst dir deshalb keine Sorgen machen“, fügte sie hinzu, während sie Alex an sich drückte und umarmte. Ungläubig fragte Alex: „Wirklich?“ Wegen der Gefahr, die von dieser Narbe ausging, war sie sich nicht ganz sicher. Ihr Vater antwortete darauf: „Du lebst doch noch, oder etwa nicht?“

      Das hatte Alex viele Jahre gereicht, bis sie sich eben zu verändern begann. Dann eröffnete man ihr, dass sie mit zwei Geschlechtern geboren wurde und der Arzt, der bei der Geburt dabei gewesen war, ihre Eltern fragte, was sie lieber haben wollten, da man das Kind in so einem „Zustand“ nun mal nicht belassen konnte. Also entschlossen sich ihre Eltern, auf besonderem Wunsch des Vaters, für einen Jungen und glaubten in ihrer geistigen Einfachheit und der Angst, dass es sich damit erledigt hatte. Wer hätte schließlich damit rechnen können, dass sich Alex’ restlicher Körper ganz abrupt in die weibliche Richtung entwickeln würde? Das Unheil war wie die Sonne zu einem Oval aufgestiegen, schwer und schwabbelnd.

      Alex erinnerte sich gut, wie ihr Vater sie drängte, sie solle sich Medikamente besorgen, um die weiblichen Hormone zu unterdrücken. Doch Alex entschied sich dagegen, was ein Glücksgriff sein sollte, denn überraschenderweise harmonierte ihr Körper, kurzum: Ihr Körper formte sich weiblich, während ihr Prügel sich

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