Schwarzmarkt Magie. Jek Hyde

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Schwarzmarkt Magie - Jek Hyde

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Surfermelodie „Out of limits“ von den Royale Aces spielte. Alex schaute auf den Bildschirm, während aus dem Radio „Road to Nowhere“ von den Talking Heads schallte. Nur einen einzigen Namen ohne Bild sah sie bei dem flüchtigen Blickes auf das Handy: Mr. Knochen.

      Alex konnte nicht sagen, ob sie gerade den jetzt hören wollte, doch als die Ampel vor ihr auf Rot schaltete und sich der Verkehrsfluss rapide verlangsamte, nahm sie den Anruf an und hörte die feste, raue Stimme: „He, Alex. Wo bist du gerade?“

      „Irgendwo in Leipzigs Eingeweiden vor einer Ampel, warum?“

      „Ich mache es kurz, wir brauchen dich.“

      „Ich habe noch genug Geld. Und so billig verkaufe ich mich auch nicht. Habt ihr keine andere Shemale da, die das machen kann?“

      „Nein“, sagte Mr. Knochen. Alle nannten ihn so, weil er es war, ein harter Knochen. Wegen eines, sagen wir, fehlgeschlagenen Drehs war er fast verurteilt worden, doch Nino Goldfinger hatte Knochens alten Arsch aus der Sache rausgeholt. „Nein, haben wir nicht. Wir brauchen eine echte Shemale wie dich. Unsere letzte hat sich den Traum von der einzig wahren Weiblichkeit erfüllt und für eine weitere She ohne male haben wir hier keine Verwendung. Du bist eh gerade in Leipzig, du weißt, wo, also komm vorbei.“

      „Ihr braucht eine echte Shemale?“, hakte Alex nach.

      „Ja“, bestätigte Knochen knochentrocken.

      Demnach konnte Alex sich denken, worum es sich handelte. „Ich will eine Perücke und übertriebene Schminke, so leicht will ich es den Leuten mit der Wiedererkennung nicht machen.“

      „Du könntest was Großes werden, Alex. Echte Zwitter haben wir nicht viele. Die meisten sind einfach nur Transen und die halten nicht so lange, da sich die meisten irgendwann das, was sie besonders machte, unterm Hintern wegschneiden lassen.“

      „Das ist keine Bestätigung.“

      Knochen schluckte. „Okay, du kommst vorher in die Maske, bist du jetzt zufrieden? Also, schwing deinen Arsch her, in vierzig Minuten geht’s los!“ Er legte auf, oder Alex, je nachdem, wer schneller war.

      Die Ampel besaß endlich die Freundlichkeit, auf Grün umzuschalten. Der träge Verkehr, diese klebrige Masse an Autos setzte sich wieder in Bewegung. „Road to Nowhere“ endete und Alex bog ab. Eigentlich konnte sie Mr. Knochen nicht leiden. Er war ein Mensch ohne Prinzipien. Sie erinnerte sich an sein grobes Gesicht mit den kleinen schmalen Augen, der Glatze, der dicken Nase und dem beinahe lippenlosen schmalen Mund und der glänzenden, kupfernen Solariumsbräune, die an Künstlichkeit kaum zu toppen war. Er trug schwarze Kleidung und war um fast einen Kopf kleiner als sie. Es erinnerte Alex an den Tag, an dem sie eine weinende Frau gesehen hatte, die der Anforderung, die in diesem Gewerbe an sie gestellt wurde, nicht mehr standhalten konnte, und an Mr. Knochen, der sie anschrie, sie solle sich nicht so anstellen.

      Wenn sie eine echte Frau mit Schwanz brauchten, dann war Alex klar, dass es um eine einfache Solosache ging, und das dürfte kein Problem sein. Und wenn sie Mr. Knochen noch ein wenig in die Richtung manövrierte, in der sie ihn brauchte, würde es auch noch mehr Geld geben, denn so jemand wie Mr. Knochen rief nur an, wenn er einen wirklich brauchte, wenn seine Stimme den Unterton an Verzweiflung und Zeitdruck professionell unten hielt und er versuchte, gerade so die Zügel in den Händen zu behalten, während ein wütender Stier, geformt aus komplizierten Darstellern, speziellen Anforderungen und Stress, unter ihm tobte. Davon abgesehen griffen Mr. Knochen und Nino ihr damit gewaltig unter die Arme, sodass sie im Meer von Nirgendwo nicht finanziell unterging. Sie hatte noch genug Geld übrig, aber Scheine auf der hohen Kante konnte eine Reisende wie Alex immer gebrauchen.

      Ob Nino da war? Alex würde sich gern mal wieder mit dem Kerl unterhalten. Sie kannte ihn schon so lange. Er war vielleicht nicht derjenige gewesen, der den Startschuss für ihre Reise nach Nirgendwo gegeben hatte, aber er war eindeutig der Trainer, der ihr während dieses imaginären Boxkampfes das Handtuch um die Schultern gelegt und ihr Wasser hingehalten hatte.

      Sie erinnerte sich noch so gut an den Tag, als sie ihn das erste Mal getroffen hatte. Das war alles so verdammt lange her. Es war der Tag, an dem sie ihr Zuhause allein, mit einer vollgestopften Reisetasche verließ, um nie zurückzukehren. Über Feldwege. Weit weg. Irgendwo an einer großen Straße stellte sie sich neben die Leitplanke, in Jeans und dunkler Kapuzenjacke, und hielt ein Pappschild, das sie aus einem großen Karton geschnitten hatte, in die Luft. Darauf prunkte ihr Reiseziel: Nirgendwo. Alex dachte, wenn sie „Nordsee“ schriebe oder was auch immer, würde sie niemand mitnehmen, aber „Nirgendwo“? Wer schrieb auf ein Anhalterschild schon „Nirgendwo“? Sie hoffte jedenfalls, dass es das Interesse von irgendjemandem wecken würde, und so war es auch.

      Nachdem einige Autos an ihr vorbeigerauscht waren, hielt ein wuchtiger, weißer Wagen ohne Automarke, der das Wort „Glamour“ förmlich ausstrahlte. Die Tür ging auf und am Steuer saß eine dünne Gestalt mit spitzem Kinn, schulterlangen, lockigen Haaren und einer wuchtigen Sonnenbrille, die über die Hälfte des Gesichtes einnahm. Der Mann trug ein rosarotes Hemd, das leicht geöffnet war, und lauter Ringe und Kettchen an seinen Fingern. Die kurz geschnittenen und rund gefeilten Nägel waren golden lackiert. Auf der Rückbank lagen ein dicker, weißer Pelzmantel und ein weißer Hut mit einem ebenso rosaroten Hutband mit Leopardenflecken und einer spitzen, roten Feder. Nicht gerade die vertrauenerweckendste Gestalt, der man begegnen konnte, aber irgendetwas ging von ihr aus. Etwas Selbstsicheres. Dieser Mann stand mit seinem strahlenden Schlachtschiff einfach an der Leitplanke, hatte das Warnblinklicht eingeschaltet und die Autos fuhren um ihn herum, allerdings mit einer leichten Verärgerung.

      Unbeholfen stand Alex da. Er klopfte mit seinen gebräunten Händen – echte Bräune, nicht wie die von Mr. Knochen – auf den Beifahrersitz. „Was ist nun, Kleine? Springst du rein oder bleibst du wie eine Salzsäule stehen?“ Alex stand immer noch da, das Schild in den Händen, und schaute diese Erscheinung an. „Hey, mach schon! Ich stehe hier auf einer Straße, ich halte alles auf. Also, steigst du ein oder bleibst du stehen?“ Die Reaktion darauf würde Alex’ Leben verändern, so viel war ihr klar. Ob zum Guten oder zum Schlechten, sie würde richtungweisend sein.

      Alex stieg ein.

      Sie schloss die Tür, warf das Schild auf die Rückbank und wusste, als der Wagen sich in Bewegung setzte, dass sie wahrscheinlich den größten Fehler ihres Lebens begannen hatte. Aber was sollte es? Zur Not konnte sie ihm ins Lenkrad greifen und beide würden in einem schrecklichen Unfall sterben. So war Alex damals, zu allem entschlossen, entwurzelt, desillusioniert und achtzehn Jahre alt.

      Als sie fuhren und er die Warnblinklichter zum Schweigen gebracht hatte, fragte er: „Also, Kleine, wie heißt du? Und was verfickt noch mal wichtiger ist: Warum willst du nirgendwohin?“

      „Alex. Und eigentlich will ich zur Nordsee.“

      „So, so. Warum?“

      „Ich muss ans Meer und darüber nachdenken, wie mein Leben weitergehen soll.“

      „Hast du keine Familie?“

      „Nicht zwingend“, entgegnete Alex.

      Er brüllte los vor lachen, riss das Maul auf wie der böse Wolf, der er gern wäre. „Das ist ja irre!“ Er hielt ihr seine Hand rüber. „Ich bin Nino Goldfinger, ich bin tätig in der Erwachsenenunterhaltung“, stellte Nino sich vor. Alex schüttelte seine Hand. „Okay, Alex“, sagte er, als er seine Hand zurückzog. „Warum läufst du denn weg? Probleme in der Familie?“

      „So ähnlich“, sagte Alex, die Reisetasche mit ihrem Leben auf dem Schoß haltend.

      „Hey,

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