Schwarzmarkt Magie. Jek Hyde
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Langsam setzte Alex sich auf und konnte sehen, wie die Möbel in diesem endlosen Ozean aus Teppich von ihrem Bett wegtrieben. In den Wellen hüpfte der kleine Beistelltisch auf und ab und Alex hielt ihn gerade noch so fest, während ihr Bett im leichten Wellengang schwankte. Aber auch sie bewegte sich davon. Der Himmel über ihnen bestand aus lauter bunten Autobahnen, die sich wie Ringe um ihren mit einem Meer aus Teppich gefluteten Planeten spannten und drehten und weit oben am Himmel über sie hinwegzogen.
Am Kopf des Bettes sah sie die Nixe Lilli, die das Bett antrieb. Alex hatte gerade den Nachttisch, der mit seinen vier kleinen Beinchen sehr strampelte, nach Litfaßsäule roch und quiekte, auf ihr Bootbett gezogen. Sie wandte sich zu Lilli, die plötzlich losließ und im Meer davonschwamm, sich wie ein Delfin in die Luft katapultierend. Das kleine Nachtschränkchen beruhigte sich und ließ die vier Beinchen hängen. Alex konnte spüren, wie es in ihrer Umklammerung atmete, sich jede der sechs Seiten blähte und wieder zurücksank.
Sie war in irgendeinen Strom geraten. Ihr Bett bewegte sich schneller über den Ozean und umrundete den kleinen Planeten, auf dem sie und Lilli, die wohl gerade irgendwo unter ihr durchschwamm, sich befanden. Dort kam ein Stuhl angeschwommen, er hielt sich über Wasser, indem er mit seinen vier Beinen strampelte. Darauf saß eine Schreibtischlampe, die mit ihrem Kopf hin und her schaute und mit dem Kabel auf den Stuhl peitschte wie eine Katze mit dem Schwanz. Alex reichte ihr die Hand, half zuerst ihr zurück aufs Bett und dann dem Stuhl, während sie und ihre kleine Crew sich auf dem Bett durch das Teppichmeer bewegten. Es geriet fast aus dem Gleichgewicht, als auch noch ein großer Schreibtisch aus dem Meer auf das Bett sprang und sich trocken schüttelte. Doch sie trieben weiter auf dem Strom. Alex schnappte einen gerade ertrinkenden Stuhl an einem der wild zappelnden Beinchen. All die Dinge auf dem Bett bildeten einen Ring um sie. Sie ließ sich mit dem Rücken gegen die Unterseite des Tisches fallen und schaute einfach nur die Farben am Himmel an, während weitere Gegenstände das Bett erklommen und Formen mit Farben zusammenglitten. Leuchtende Räder kreisten am Himmel. Dicke, fette Teppichblasen lösten sich und stiegen wie kleine Abbilder ihres mit Teppich überfluteten Planeten gen Himmel.
Wo ist Lilli?! Alex konnte nicht sagen, ob sie es gesagt oder gedacht hatte, und setzte sich mit einem Mal auf. Irgendwo hinter ihr ergriff der Fernseher mit seinem langen Kabel einen der Stühle, schwang sich auf das Boot und verschmolz mit ihm.
Als Alex über den schiefen, expressionistischen Rand nach unten schaute, befand sie sich auf einem Turm. Es ging schwindelerregend tief hinab auf eine ewig weite, öde Landschaft, die von dem leuchtend bunten Himmel beschienen wurde. Auf ihrer Zunge lag der Geschmack von Sonne.
Lilli schwamm als Nixe um den Turm herum durch die Luft. Alex wurde schwindelig und sie lehnte sich lieber zurück, lehnte sich gegen den Rand ihres Turmes, der plötzlich wie ein ausgeschnittenes Stück herausglitt. Alex krallte sich an etwas anderem fest. Das Fragment flog davon. Überall in dieser grün-roten Umgebung stiegen blaue Quallen mit langen Tentakeln auf. Ein Stück des Turmes fiel auf sie und Alex schubste es beiseite. Überall flogen äußerst merkwürdige Formen aus den Bergen des Wahnsinns herum. Kein Oben und Unten, völlig orientierungslos schwirrte Alex umher und hielt sich an einem Fragment des Seins fest, das ein Stuhl gewesen sein könnte. Der schlenkerte seine vier Beine, während er sich durch die Luft bewegte.
Alex’ momentan existentes Sein begann zu bröseln. Lilli schwamm über sie hinweg und Alex versuchte, den Nixenschwanz zu ergattern, rutschte aber ab und flog durch die Gegend, sich selbst überschlagend, während sie sehen konnte, wie die Innenwände ihrer Augen in bunten Farben glitzerten. Es war nicht mehr viel Bekanntes übrig; dafür konnte sie hinter die Fassade sehen und entdeckte die Vernetzung allen Seins.
Langsam begann die aus Farben und Schlieren bis zum Kubismus reichende Chiffrierung der Wirklichkeit sich wieder zu real existierenden Formen zusammenzusetzen. Alex glitt zurück auf das Bett und zur gestrandeten Lilli, die Sternenstaub hinter sich herzog. Ganze Tische und Stühle tauchten aus der Chiffrierung auf.
Halb schlafend konnte Alex spüren, wie das LSD sie und Lilli inzwischen allein gelassen hatte. Langsam sickerte das Licht des Tages in das Zimmer. Sie sah Lilli, die neben ihr auf dem Bauch lag, streckte müde einen Arm aus, zog Lilli zu sich heran, schlang ihren Arm um deren Hüfte und inhalierte Lillis süßen körpereigenen Duft, während sie die Augen wieder schloss und sich bereit machte, wie eine Feder in den Schlaf zurückzusinken.
Es war ein warmer, merkwürdig abgekapselter Moment, als sie plötzlich dieses Knacken vernahm. Obwohl die Trägheit ihres Körpers sich dagegen wehrte, zwang sie sich, ihre Augen aufzumachen, und mit einem Mal ergriff sie die Wachheit mit kalten Fingern, als sie den Typen in das Zimmer treten sah. In der Rechten hielt er eine lange Machete und schob die Tür leise hinter sich zu. „Verdammt“, murmelte Alex und fühlte, wie Lilli zuckte und erwachte. Alex erforschte ihr Gehirn, ob der lange, große Kerl, ganz in schwarz, mit Kinnbart und schwarzem, kurzem Haar und der gigantischen Machete nicht doch eine Nachwirkung des LSD sein könnte. Lilli schaute über ihre Schulter und zuckte erneut zusammen, als sie ihn sah. In diesem fremdartigen Moment des Erkennens fragte Alex: „Tino?“
Tino: „Alex?“
Lilli: „Tino?!“
Alex: „Lilli?“
Lilli: „Alex?“
Tino: „Lilli?“
Da waren sie nun, Tino mit der Machete vor dem Bett, wo Alex gerade Lilli von hinten umschlungen hielt, und alle starrten sich gegenseitig fragend an.
„Was machst du denn hier?“, fragte Alex.
„Was machst du hier?“, spielte Tino den Ball zurück. „Und was macht Lilli hier?“
Alex setzte sich auf, schwang die Decke zurück und stellte ihre Füße auf den Boden der Tatsachen. Lilli saß auf dem Bett und kaute wie immer an dem Ring in ihrer Lippe herum. Tino sah die kauende Lilli an. „Was zur Hölle machst du hier mit Alex?“, fragte er.
„Was willst du mit dem Ding?“, fragte Lilli.
Tino hob die Machete und schaute sie fragend an, als er sich nun erstmals wieder ihrer entsann. Er sah zu Lilli, sah zu Alex, sah zur Machete. „Scheiße!“ Er hob den umgefallenen Stuhl auf und setzte sich. „Ich …“
„Was?“, fragte Alex.
„Ich wollte mein Geld zurück“, sagte er ertappt.
„Dein Geld?“, fragte Lilli.
Alex sah zu ihr herüber. „Das Geld von der Toilette?“
„Ja, das Geld von der Toilette.“
Alex sah Tino an. „Warum lässt du dein Geld auf einer Toilette in Berlin liegen?“
„Warum lässt du dein Geld auf der Mädchentoilette liegen?“, fragte Lilli.
„Woher kennst du Lilli?“
„Woher kennst du Alex?“
Tino atmete durch. „Okay, also ganz von vorn: Warum hast du mein Geld geklaut, Lilli?“
„Ich hab’s gefunden. Warum