Phalansterium. Matthias Falke

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Phalansterium - Matthias Falke

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maulte sie. Ihre Stimme war noch immer rau und belegt.

      »Wir verpassen nichts«, erklärte ich. »Im Moment bist du sowieso krankgeschrieben, und wir haben noch mehrere Monate Urlaub. Ich habe nachgesehen.«

      »Darum geht es nicht.«

      »Wenn es mit deinen – Verletzungen zu tun hat.«

      Sie sagte nichts. Stur vor sich hinstarrend, schlürfte sie ihre Suppe.

      »Wir können jemandem vom psychologischen Dienst kommen lassen. Du brauchst professionelle Betreuung.«

      Ihre Schweigen wurde einige Nuancen eisiger. Ich wartete ab. Dann sagte sie:

      »Lass mich mit diesen Trotteln in Ruh'. Von denen kann mir niemand helfen.«

      »Was willst du tun?«

      »Ich weiß schon, was ich mache und wo ich Hilfe finde. Aber dazu muss ich hier raus.«

      »Alles, was du willst, Jennifer. Aber nicht heute und nicht morgen. Du bist einfach noch zu schwach.«

      Sie seufzte theatralisch. Dabei war sie so erschöpft, dass sie kaum den Löffel halten konnte. Er zitterte in ihrer Hand, und bei jedem Versuch, ein paar Tropfen Suppe zu essen, verkleckerte sie die Hälfte. Endlich ließ sie es zu, dass ich sie fütterte.

      »Gott, ist das peinlich«, stöhnte sie.

      »Nicht peinlicher, als was wir sonst miteinander erlebt haben.«

      »Ich bin doch keine alte Frau!«

      »Man ist so alt, wie man sich fühlt.«

      »Demnach bin ich mindestens hundertfünfzig.« Sie trotzte sich ein tapferes Lächeln ab. Und im übrigen war sie biologisch gesehen natürlich eine knackige Fünfzigerin.

      »Du musst Geduld haben, Geduld mit dir selber.«

      Sie stieß die Luft durch ihre schöne schmale Nase aus.

      »Alle sind hier, um dir zu helfen. Du bist in Sicherheit. Es kann nichts mehr passieren.«

      Wir schafften es, die Suppe zu leeren und zwei Tassen Tee zu trinken. Dann biss sie wieder auf dem trockenen Zwieback herum.

      »Mein Gott, Frank!« Sie schüttelte den Kopf. »Wir sind ausgezogen, die Galaxis zu erobern, und jetzt sitze ich hier wie ein kleines Kind, dem man sein Njamnjam einlöffeln muss!«

      »Was soll ich dazu sagen?«

      »Das darf doch alles nicht wahr sein!«

      »Ich habe dir sogar die Windeln gewechselt!«

      »Ich ertrage das nicht mehr.« Sie machte wieder Anstalten, sich unter dem Tablett hervorzuwinden und die Beine aus dem Bett zu strecken.

      »Bleib, wo du bist«, sagte ich. »Oder ich hole Schwester Olga.«

      »Du Schuft!« Sie funkelte mich böse an. »Man könnte meinen, das ganze macht dir Spaß!«

      »Sagen wir so: Sehr viele Dinge in letzter Zeit haben mir keinen Spaß gemacht, und ich habe keine Lust, dass sie sich wiederholen.«

      Sie ließ es geschehen, dass ich ihre Beine packte und sie wieder unter der Decke verstaute. Ich nahm das Tablett und stellte es auf einen der Instrumentenschränke, die im Moment nicht benötigt wurden. Die Standardüberwachung, die in ihre Nachthemd eingearbeitet war, lief im geschützten Bereich des Stabslogs auf, wie das mit den medizinischen Protokollen unserer ganz normalen sensoriellen Anzüge auch nicht anders war.

      In ihren Augen glitzerte der Widerspruchsgeist, aber selbst der kurze Wortwechsel hatte sie so angestrengt, dass sie sich kaum noch aufrecht halten konnte. Sie ließ sich wieder in die Kissen sinken und schlief wenig später ein. Ich schob meinen Sessel erneut an das Bett heran, nahm ihre Hand und sah über ihren Oberkörper hinweg zum Fenster. Die rote Sonne des Doppelsystems schien warm zu der nur leicht polarisierten Front herein. Ihr Licht lag golden auf Jennifers ruhigen Zügen, wie an einem Nachmittag im Oktober irgendwo in Oberitalien. Sie atmete leise und gleichmäßig. Ich saß nur da und sah sie an. In den Jahrzehnten unseres gemeinsamen Lebens war ich ihr noch nie so nahe gewesen.

      Wenig später schob sich die Schwester ins Zimmer und schickte mich fort.

      Als ich am Morgen in Jennifers Krankenzimmer zurückkehrte, saß sie hoch aufgerichtet da, trank ihren Tee und plauderte angeregt mit dem Arzt. Äußerlich war sie wieder hergestellt. Sie würde sich schonen und eine ausgesuchte Diät einhalten müssen, um wieder zu Kräften zu kommen. Aber körperlich war sie ganz gesund.

      Ich half Jennifer, sich zu waschen, während die Schwester die Überreste des Frühstücks entsorgte. Der Arzt saß solange an einer kleinen Konsole und übertrug sämtliche Daten und seinen Bericht in den geschützten Teil des Stabslogs. Dann stand er wieder auf, um sich von uns zu verabschieden.

      »Ich kann nichts mehr für sie tun«, sagte er zu mir. »Aber das heißt nicht, dass sie geheilt ist!«

      Ich nickte. Das war mir alles klar. Aber was wir nun tun sollten, konnte er mir auch nicht sagen.

      »Sie bleibt noch einmal vierundzwanzig Stunden hier. Danach sind Sie beide frei, zu gehen wohin Sie wollen.«

      Mein Blick zuckte erschrocken zu Jennifer, aber sie reagierte nicht. Offenbar hatte der Arzt ihr das schon zuvor gesagt.

      Er ging hinaus.

      »Sie können Besuch empfangen, wenn Sie wollen«, sagte Schwester Olga. »Aber bitte, bleiben Sie vernünftig und übertreiben es nicht gleich.«

      Ich verabschiedete mich von ihr, die sich mit einer Miene zurückzog, als würden wir jeden Augenblick einen groben Unfug anstellen. Offenbar war sie nicht der Meinung, es mit verantwortungsbewussten erwachsenen Leuten zu tun zu haben. Was Jennifer anging, war ich da selbst nicht so sicher. Aber für den Moment verhielt sie sich erstaunlich friedlich. Sie schien sich mit der Situation abgefunden zu haben, und eine Frist von einem Tag und einer Nacht, das war selbst für sie überschaubar.

      Die ersten, die zaghaft an der Tür klopften, nachdem ich ihnen via Stabslog das Okay gegeben hatte, waren Jill und Taylor.

      »Oh mein Gott, Jennifer!« Lambert stürmte ans Bett und schloss ihre frühere Pilotenkollegin in die Arme.

      Taylor begrüßte mich mit einem kantigen Händedruck und ging dann zu Jennifer, um ihr ebenfalls guten Tag zu sagen.

      »Wie geht es dir?«, fragte Jill.

      »Wunderbar.« Jennifer sah sie an und strich ihr eine Strähne ihres ewig wirren Haars aus der Stirn. Für sie war die kleine Copilotin immer so etwas wie eine jüngere Schwester gewesen. Taylor begrüßte sie kühl, wenn auch nicht mehr ganz so herablassend wie zu früheren Zeiten.

      »Sie kann Bäume ausreißen«, sagte ich sarkastisch. »Nur die blöden Ärzte sehen das nicht ein und verdonnern sie zu Bettruhe.«

      Jill ließ einen Blick zwischen Jennifer und mir hin und hergehen.

      »Die Wahrheit ist«, sagte Jennifer, noch immer krächzend, »es geht mir ziemlich beschissen.«

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