Liebesgrüße aus Neuschwabenland. Alex Jahnke

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Liebesgrüße aus Neuschwabenland - Alex Jahnke

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lächeln.

      Neuschwabenland, 2.1.5014

      Menschen, die ohne mit der Wimper zu zucken „Schournalisten“ sagen; sie sind die erste Welle der Roboter aus einer anderen Dimension. Man darf ihnen nicht trauen.

      Neuschwabenland, 3.1.5014

      Es ist immer noch nicht Freitag. Ich finde diese Entwicklung sehr bedrohlich.

      Neuschwabenland, 4.1.5014

      Mein Büro wurde heute renoviert. Die Handwerker hatten sich für 8 Uhr angekündigt. Pünktlich um 10 Uhr waren sie vor Ort. Ich beobachte dieses Phänomen schon länger, weiß aber noch nicht, wie ich es einordnen soll. Unpünktlichkeit ist für einen Deutschen schon rein genetisch ausgeschlossen. Eine Zeitmaschine wäre möglich, aber dann würde ein guter Germane gemütlich Frühstückspause bis 11 Uhr machen und trotzdem pünktlich vor Ort sein. Diese These ist nicht haltbar. Ich hatte kurzfristig über eine eigene Zeitzone für Handwerker nachgedacht, die um zwei Stunden versetzt zur Normzeit verläuft. Gegen diese Theorie spricht allerdings: Ab 16 Uhr haben die Handwerker die Normzeit wieder eingeholt und schließen sich dem allgemeinen Zeitgefühl des „Feierabend“ an. Man muss also von einer Anomalie im Zeit-Gefüge ausgehen. Die Zusteller der Paketdienste weisen eine ähnliche Diskrepanz im Zeitverlauf auf. Der Lieferdienst Herpes kündigt die Zustellung zwischen 10 und 12 Uhr an, um dann um 14 Uhr eine Karte zu hinterlassen, auf der steht: „Empfänger nicht angetroffen“. Obwohl man auf der anderen Seite der Tür sehnsüchtig auf das Paket gewartet hat! Da Betrügen bei Deutschen ebenfalls genetisch unmöglich ist, kann die Erklärung für Lieferdienste nur lauten: Sie biegen nicht nur die Zeit, sondern auch den Raum, sodass man bei der Lieferung nicht anwesend ist – förmlich aus seiner eigenen Wohnung in eine andere Dimension verbracht wird. Sehr beeindruckend.

      Etwas Sorge macht mir der Gedanke, was passiert, wenn diese beiden Phänomene aufeinandertreffen. Ein Handwerker, der noch eine Lieferung mit Material über Herpes bekommt zum Beispiel. Wird dies der eigentliche Grund für die viel beschworene Apokalypse sein? Oder gleichen sich die beiden Phänomene aus, sodass der Handwerker samt Material pünktlich vor der Tür steht?

      Trotz all dieser Überlegungen – die mir Kopfschmerzen bereitet haben – war es eine Freude, die fleißigen Handwerker bei der Arbeit zu sehen. Der Schreiner arbeitete mit einem Schraubenzieher in der Steckdose. Nur selten kann man natürliche Selektion in freier Wildbahn beobachten.

      Neuschwabenland, 5.1.5014

      In der modernen Welt ist alles miteinander vernetzt, sodass man Propaganda nicht mehr mühselig mit Werbeblättern und Wochenschauen unter das Volk bringen muss. Einfache Parolen eignen sich besonders gut für soziale Medien und wer – wenn nicht wir – hat darin seit Jahrzehnten Erfahrung? Nach dem Krieg endete unsere Arbeit nicht, sie fing erst an! Wir lieferten die Sätze, die eine ganze Generation prägten.

      Wer erinnert sich nicht noch gerne an die Klassiker wie:

      „Ich habe doch von nichts gewusst!“

      Oder

      „Ich war nur Mitläufer!“

      Im 21. Jahrhundert liefern wir diese Sätze immer noch, wagen uns nun aber an grammatikalische Konstrukte mit Nebensätzen. Beliebt in den sozialen Netzwerken sind:

      „Ich bin kein Nazi, aber …“

      „Ich bin kein Rassist, aber …“

      Unsere Propagandaabteilung hatte das richtige Gespür, dass einfache Sätze mit „Ich“ genau den Intellekt der Zielgruppe treffen würden.

      Neuschwabenland, 6.1.5014

      Damals, in den 80ern, brüllten wir bei den Stubenfeiern noch laut „You gotta fight for your right … TO PARTY!“

      Heute denke ich mir bei einer Einladung zum Kameradschaftsabend: „Hoffentlich bleibe ich so lange wach.“

      Neuschwabenland, 7.1.2015

      Einladung zum 20-jährigen Klassentreffen der Wotan-Grundschule erhalten. Ich denke gerne an diese Zeit zurück – weniger an die Demütigungen durch meine Kameraden, sondern an die ruhigen Momente, wenn ich im Spind eingeschlossen wurde und stundenlang dort ausharren musste. Das vermisse ich heute sehr. Selbst kopfüber im Mülleimer zu stecken war besser, als zum x-ten Male auf dem Schulhof Frankreichfeldzug spielen zu müssen – man lief einfach nur ungehindert über ein freies Feld. Ein sehr sinnloses Spiel.

      Letztendlich redet man sich Klassentreffen aber nur um der Nostalgie Willen schön. Die alten Schulkameraden sind andere Menschen geworden, denn:

      Alle sieben Jahre erneuern sich menschliche Zellen.

      Ergo: Nach sieben Jahren ist man ein völlig anderer Mensch.

      Ergo: Klassentreffen sind sinnlos.

      Die Absage geht morgen raus.

       Persönliches Logbuch Tag 7, Colonel Bramsey

      Langsam gewöhne ich mich auf der Basis ein. Das Leben hier ist anders, als unsere Informationen vermuten ließen. Man lebt in seiner eigenen Mythologie und Weltsicht, die aber weder mit der Historie, noch mit der Realität in Berührung kommt. In erster Linie verwalten die Neuschwabenländer sich selber und hoffen, dass der große Tag der Rückkehr kommen wird. Der „Alte“, wie der Führer hier genannt wird, lebt auf unerklärliche Weise immer noch. Er ist ein Untoter, der von einem Pinguin mit aufgesteckten Hundeohren begleitet wird. Nur zu besonderen Anlässen wird er aus seinem Quartier gelassen.

      Bemitleidenswerte Gesellschaft – aber davon darf man sich nicht blenden lassen, es sind immer noch alles Nazis. Da gibt es keinen Zweifel.

      Heute kam eine nordkoreanische Materiallieferung auf der Basis an, die meine Aufmerksamkeit erregte. Bei näherer Untersuchung meinerseits stellte sie sich als harmlos heraus. Es werden weder Waffen, noch geheime Dokumente gehandelt, sondern Videokassetten. Nordkorea hat aus den alten chinesischen Raubkopien ein einträgliches Geschäft mit dem Stützpunkt entwickelt und versorgt sich auf diese Weise mit Devisen, sowie dem einen oder anderen tanzenden Pinguin, um ihr Staatsballett aufzulockern.

      Neben den Kameradschafts- und Heimatabenden sind Filme minderer Qualität die einzige Unterhaltung auf der Basis und werden sehr geschätzt.

      Neuschwabenland, 8.1.5014

      Ein kleines Update zu meinem Sportprogramm für 5014: Ich bin gerade beim Socken anziehen umgekippt.

      Neuschwabenland, 9.1.5014

      Gestern Abend habe ich, wie jede Woche, meine Großmutter in ihrem Heim „Germanischer Lebensabend“ besucht. Trotz ihres Alters ist sie immer noch sehr fit und leitet die Gruppe der Neuschwabendlandfrauen im Abwehrdienst. Diese fleißigen Kameradinnen häkeln Schoner für die FLAK-Geschütze der Basis oder schrubben in einem Wochenendeinsatz mal gründlich eine der Reichsflugscheiben. Gerade Letzteres ist extrem wichtig für die Moral der Truppe, denn was nützt die modernste Technik, wenn das Innere der Flugscheibe mehr einer sozialistischen Studentenkommune ähnelt, denn einem schwäbischen Treppenhaus?

      Neben ihren Lieblingskeksen hatte ich meinen neuen Orden für besonders sauberes Abheften im Dienst mitgebracht und ihr diesen voller Stolz gezeigt. Ihre Antwort hat mich sehr berührt:

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