Liebesgrüße aus Neuschwabenland. Alex Jahnke
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Neuschwabenland, 10.1.5014
Der Kamerad, mit dem ich mir das Büro teile, hat einen Ordnungszwang. Wenn ein Bild nicht gerade hängt oder ein Ordner zu weit aus dem Regal ragt, bringt ihn das zur Weißglut.
Dinge, die ich daher gerne tue:
2) Listen umsortieren
1) Monitore verrücken
4) Nichts zu Ende bringen
3)
Neuschwabenland, 11.1.5014
Bei der monatlichen Untersuchung war der Mannschaftsarzt mit meiner Gesundheit sehr unzufrieden. Zum einen solle ich mich von Bier fernhalten und zum anderen müsse ich mich unbedingt weniger Stress aussetzen.
Jetzt habe ich ein weiteres Problem, das mich nicht schlafen lässt. Woher bekomme ich einen wirklich langen Strohhalm?
Neuschwabenland, 12.1.5014
Jahrzehnte sind vergangen, doch es gibt immer noch einige Dinge, welche die Politiker von heute in Deutschland von uns gelernt haben und mit viel Erfolg einsetzen.
Man sichert sich die eigene Stimmenbasis, in dem man die Bildung massiv unterfinanziert und schon hat man ein gesundes Wahlvolk über Generationen erschaffen, die genau tun, was sie gesagt bekommen.
Die Methode ist zeitlos.
Persönliches Logbuch Tag 12, Colonel Bramsey
Weiteres Einleben auf der Basis. Ich bin zum Wachdienst eingeteilt. In Realität bedeutet dies nicht, eine streng geschützte Militäranlage bewachen zu müssen, sondern mit einigen anderen Pinguinen auf einer Eisscholle die Küste entlang zu dümpeln und dabei kalte Füße zu bekommen. Aber ich lerne auf diese Weise die anderen Pinguine kennen. Jeder für sich ein aufrechter Kerl, der einfach nur helfen möchte. Die Bewohner von Neuschwabenland sind derart hilflos und in ihre Ideologie verbohrt, dass sie auf die Hilfe der Ureinwohner angewiesen sind. Als Entlohnung für ihre Hilfe erhalten die Pinguine frischen Fisch und Jägermeister: Nahrung und ein Mittel gegen die brennenden Kopfschmerzen, welche die Ideologie der Besetzer mitgebracht hat.
Bei einem dieser Wachdienste habe ich Manfred näher kennengelernt. Seine Familie lebt seit über 60 Jahren in der Kolonie, was Spuren hinterlassen hat. Statt seinen durchtrainierten Pinguinkörper mit Stolz in der Antarktis zu zeigen, neigt Manfred zu Bauchansatz und hat auf dem Kopf einiges an Federn gelassen. Nur ein kleiner Kranz zeugt noch von der früheren Federpracht. Manfred ist für das Gebäudemanagement auf der Basis verantwortlich. Ich erhoffe mir viel von ihm und werde diese Beziehung über die Zeit ausbauen. Das Empire muss an die Technik dieser fliegenden Scheiben kommen!
Neuschwabenland, 13.1.5014
Ich habe heute die Rede des Basisleiters für den kommenden Montag vorbereitet. Eine ritualisierte Veranstaltung, welche die Moral der Truppe erhalten soll. Aber nach so vielen Jahrzehnten in völliger Isolation von der Außenwelt ist es schwierig, immer wieder neue und mitreißende Themen zu finden. Im Gegensatz zu den montäglichen Redenschwingern in Dresden kann man auf der Basis mit altbekannter Rhetorik niemanden mehr begeistern – eher im Gegenteil. Die Reihen lichten sich schnell, wenn das Thema auf den Untergang des Abendlandes und die Gründe dafür kommt. Wir kennen das alle und wir wissen auch, wohin das geführt hat.
Daher orientiere ich mich an den modernen Rednern, zum Beispiel dem Regierungssprecher in der alten Heimat. Für die nächste Rede habe ich, Kommas an, merkwürdigen Stellen, eingebaut, damit der, Leiter sie liest wie, mein Vorbild. Ich bin, mir sicher, damit große, Erfolge feiern zu können.
Neuschwabenland, 14.1.5014
Manche Menschen sollten gesetzlich dazu verpflichtet werden, jeden ihrer Sätze mit „Ich habe keine Ahnung von dem Thema, aber …“ zu beginnen.
Neuschwabenland, 15.1.5014
Ich nehme an einem wissenschaftlichen Feldversuch teil, der untersuchen soll, ob die Arbeit im heimischen Quartier effektiver ist, als im Büro. Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend. Besondere Aufmerksamkeit werden die Forscher dem Phänomen widmen, dass im „Home Office“ die Grenze zwischen „in Klamotten schlafen“ und „Schlafklamotten“ sehr fließend und kaum erkennbar ist.
Neuschwabenland, 16.1.5014
Man hat mir gerade ein Twix geschenkt. Ich werde jetzt die eine Hälfte essen und mir die andere Hälfte für in 30 Sekunden aufheben.
Die Willenskraft eines deutschen Mannes kennt keine Grenzen!
Neuschwabenland, 17.1.5014
Der Speiseplan unserer Kantine ist wie der Inhalt meines heimischen Kühlschrankes. Man kann ihn x-fach studieren und mehrfach darin nachsehen, aber es wird einfach nicht besser. Ein Kantinensalat bleibt, egal an welchem Ort, ein mehr oder weniger essbarer Schicksalsschlag.
Neuschwabenland, 18.1.5014
Die Welt macht täglich Fortschritte, aber seit langem fehlt die große Vision. Das Raumfahrtprogramm unserer Erzfeinde, der Amerikaner, war einmal so etwas. Da wollte eine Nation die Welt verändern und blickte nach vorne! Aber heute? Nichts ist davon übrig geblieben. Zwar flammt immer wieder ein wenig von dieser Begeisterung auf, aber nichts, was eine ganze Nation packen und sie in die Zukunft treiben könnte.
Man muss sich nur anschauen, wie Menschen gleichzeitig in einen Zug ein- und aussteigen wollen. Wer würde dann noch die Behauptung aufstellen, dass wir bereit sind, den Mars zu besiedeln?
Deswegen halten wir uns mit den Reichsflugscheiben auch zurück. Die Welt ist noch nicht für diese Technik bereit!
Neuschwabenland, 19.1.5014
Es ist gerade so, als wüssten Menschen mit fröhlich-singendem „Guten Morgen!“ nicht, wie viele Mordfälle ungelöst bleiben.
Persönliches Logbuch Tag 18, Colonel Bramsey
Die Freundschaft zu Manfred konnte ich vertiefen. Sein Vertrauen zu gewinnen war einfacher, als ich gedacht hatte. Für eine Packung Knabberflischlis wäre er zu fast allem bereit. Leider sind meine Vorräte dieses Snacks bereits verbraucht, nun ist Eigeninitiative gefragt.
Manfred hat mich auf eine interessante Beobachtung hingewiesen. Obwohl drei Pinguine zum Dienst im Staatsballett nach Nordkorea entsandt wurden, habe sich die Anzahl der Pinguine auf der Basis nur um zwei verringert. Für das ungeübte menschliche Auge sehen wir Pinguine alle gleich aus, daher ist der Besatzung dieser Fehler bisher nicht aufgefallen. Manfred hingegen verfügt über eine sehr detaillierte Beobachtungsgabe und hat in der Schlange bei der Essensverteilung den Unterschied aufgedeckt. Er konnte sich aber nicht erklären, wieso dennoch drei Rationen am Ende der Ausgabe übrig geblieben waren und nicht zwei.
Manfred mag ein guter Beobachter sein, aber seine Intelligenz kann man eher als intellektuell herausgefordert beschreiben. Wahrscheinlich hat er sich nur verzählt, welcher Pinguin würde schon freiwillig auf seine Heringe verzichten?
Weiterhin hat er mir von den Aufgaben der Pinguine im Blondie-Kostüm für den Alten erzählt. Die Details sind verstörend und