Estrichgeschichte. Walter Böhl

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Estrichgeschichte - Walter Böhl

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Lehm und Ton gibt es keine scharfe Trennung. Der Zusammenhalt erfolgt ohne chemische Reaktion durch die sehr feinen Teilchen des Tons (Teilchengröße < 0,001 mm) durch Van-der-Waals-Kräfte (Van-der-Waals-Wechselwirkung). Diese sind zwar relativ klein, reichen aber aus, um ausreichende Festigkeiten für verschiedene Anwendungsgebiete zu gewährleisten.

       Materialdaten von Lehmmörtel

      Nachstehende Prüfwerte von Lehmmörtel wurden an der TU Berlin [8] beim Bau der Versöhnungskirche in Berlin, die ganz aus Lehm gebaut wurde, ermittelt. Die Prüfwerte können sich durch die Zusammensetzung des Lehmmörtels erheblich ändern:

       Druckfestigkeit: 2,4 N/mm2

       Biegezugfestigkeit: 0,52 N/mm2

       Scherfestigkeit: 0,62 N/mm2

       Schwindmaß: 0,25 %

       Kriechmaß: 0,2 %

       Wärmedehnung: 0,005 mm/mK

       Wärmeleitfähigkeit: 0,6 bis 0,9 W/mK

      Versöhnungskirche Berlin. Tragende Wände und Fußboden aus Stampflehm (Bild: Bruno Klamfar, Architektur Rudolf Reitermann und Peter Sassenroth, Ausführung Lehm Ton Erde Baukunst GmbH).

       1.3 Handwerkliche Ausführung von Lehmestrich

      In der handwerklichen Ausführung von Lehmestrich unterscheidet man die nasse und die trockene Methode.

      Verarbeitungsfertige Konsistenz bei der nassen Methode. Hier sind Strohhäcksel als „Faserbewehrung” eingemischt (Bild: Gideon Weinrich).

      Verarbeitungsfertige Konsistenz bei der trockenen Methode (Bild: Walter Böhl).

       Die nasse Methode

      Bei der nassen Methode wird der Lehm durch Mischen mit Wasser in eine weichbreiige Konsistenz gebracht. In Ermangelung von Mischmaschinen hat man Wasser und Lehm in Gruben geschüttet und barfuß durch Treten vermischt. Hilfsweise hat man auch ein Tier, z. B. ein Rind, in dieser Grube im Kreis laufen lassen.

      Der Estrichmörtel wird dann in breiiger Konsistenz verlegt. Bei der nassen Ausführung entstehen beim Trocknen erhebliche Risse, die immer wieder zugestampft werden müssen, oder man nimmt diese einfach in Kauf und wartet, bis sie sich durch die laufende Benutzung von alleine schließen. Das benötigt allerdings viel Zeit.

      Mischen von Lehm nach der nassen Methode. Das Mischen erfolgt durch Treten mit den Füßen. Teilrekonstruktion der hethitischen Stadtmauer in Boğazköy-Hattuša (Bild: Archiv der Boğazköy-Expedition des Deutschen Archäolgischen Instituts; Rekonstruktion einer hethitischen Stadtmauer [Jürgen Seher]).

      Verlegen von Lehmestrich nach der nassen Methode. Boğazköy-Hattuša (Bild: Archiv der Boğazköy-Expedition des Deutschen Archäolgischen Instituts [Jürgen Seher]).

      Typische Schwundrisse bei der nassen Methode (Bild: Walter Böhl).

      Lehmestrich nach längerer Gebrauchsdauer mit geschlossenen Rissen (Bild: Walter Böhl).

       Verlegung von Lehmestrich nach der trockenen Methode (historisch)

      Der ausgegrabene Lehm wurde in Schichten von ca. 8 cm grob auf der Fläche verteilt und dann mit hölzernen Schlegeln so lange geschlagen, bis durch die Schläge keine Eindrücke mehr entstanden. Die endgültige Schichtdicke betrug bei Böden gegen Grund mit hoher Beanspruchung, wie z. B. Tennen, ca. 30 cm, in den übrigen Räumen ca. 15 cm und auf Balkendecken ca. 8 cm. Nachdem eine Schicht abgetrocknet war, zeigten sich Risse, die erneut zugeschlagen wurden. Die weiteren Schichten wurden in gleicher Art hergestellt. Zum Schluss wurde die Oberfläche vergütet. [7]

      Diese Beschreibung ist etwas generalisiert. Die genauen Methoden unterscheiden sich im Detail. Örtlich haben sich unterschiedliche Methoden entwickelt, die auch davon abhängen, ob der Lehm fett oder mager ist. Man kann z. B. den Lehm vor Einbau fein zerhacken (zerkrümeln) und ihn so gleichmäßig einbauen oder in größeren Brocken auf die zu belegende Fläche aufbringen und ihn dort zerhacken und feststampfen. Es haben sich auch Mischformen der Verarbeitung entwickelt. Aus der „Enzyklopädie der Wissenschaft und Künste“ von 1843 [9] wurde folgende Verarbeitungsanleitung entnommen:

       Das Verfahren auf dem nassen Wege wird wie folgt gelehrt. Man grabe den Boden da, wo es nöthig ist, wo nämlich die Tenne mit der äußeren Bodenfläche waagrecht oder doch nur ein Wenig über derselben erhöht liegen soll, etwa 1 Fuß tief und darüber aus, ebne die Grundfläche und fülle das Ganze mit kleinen Kieseln. Die eben gerecht und fest zusammengestoßen werden. Über diese Kiesellage bringe man eine etwa 4 Zoll dicke Lage trockenen, klein geschlagenen Thones und stampfe diesen fest. Darauf schütte man nach und nach mit Wasser verdünnten Thon, so wird sich die Feuchtigkeit in die untere trockene Lage hineinziehen und die obere leicht erhärten. Hier aber entstehen Risse; diese schlägt man jetzt mit Pritschbläueln sorgfältigst zusammen, bis die Oberfläche vollständig geebnet und der Estrich trocken ist. Nun nimmt man Rindsblut, zur Häfte mit Wasser und mit dem feinsten Thone vermischt, und trägt diese Mischung mit einem Maurerpinsel auf. Wenn dieser Überzug trocken ist, wiederhole man ihn noch einige Male, und so lange bis keine Risse mehr sichtbar werden.

      Stampfwerkzeuge für Lehmestrich (Bild: Walter Böhl).

       1.4 Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung

      Lehmestriche ohne eine weitere Vergütung stauben und sind gegenüber kratzender Beanspruchung empfindlich. Für höhere Ansprüche wurden deshalb schon früh zahlreiche Methoden zur Verbesserung entwickelt, auf die man die heute üblichen Fachbegriffe durchaus anwenden kann.

       Faserbewehrung

      Bei der nassen Methode wurde alles, was faserig ist, z. B. Strohhäcksel, Roggenspelzen oder Tierhaare, beigemischt. Dadurch wurde vermieden, dass sich einzelne große, dafür aber viele kleine Risse bildeten, die leicht zu schließen waren.

       Polymermodifizierung

      Eine weitere Verbesserung der Mörteleigenschaften wird auch schon sehr früh beschrieben. [7 / 9] Man nahm Blut, verdünnte dies im Verhältnis von 1 : 2 und gab es bereits während des Mischvorgangs für die oberste Schicht zu. Eine weitere Möglichkeit bestand darin, das verdünnte Blut während des Schlagens der Oberfläche einzuarbeiten oder die fertige Oberfläche damit zu behandeln. Einige Literaturstellen berichten auch von der Zugabe

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