Hoffnungsmorgen. Группа авторов

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Es ist nicht verwunderlich, dass bei solch einem narrativen Zugang bestimmte Facetten der historischen Ereignisse von verschiedenen Personen mehrfach beleuchtet werden – gelegentlich sogar mit unterschiedlicher Bewertung. Wie es nun mal ist, wenn Zeugen aufgefordert werden, ihre jeweilige Version einer Geschichte zu erzählen. Zugleich steckt in dieser Vielfalt aber auch die poetische Einladung, sich selbst ein Bild von den Ereignissen zu machen.

      Das heißt: Lassen Sie sich von diesen kleinen „Erzählungen“ mit hineinnehmen in die große biblische Erzählung – in den Bericht davon, wie das Leben über den Tod siegen kann. Ja, mehr noch. Schauen Sie mal, ob das stimmt, was Dietrich Bonhoeffer so selbstbewusst behauptete: „Wer Ostern kennt, kann nicht verzweifeln.“

      Eine wohltuende Lektüre wünscht Fabian Vogt.

      Ute Aland

       gegessen

      Draußen färben die letzten Sonnenstrahlen den vom Wind aufgewirbelten Staub der Straßen Jerusalems golden. Nur noch vereinzelt dringen Geräusche durch die schmalen Fensteröffnungen. Die Stimmen angeregt palavernder Männer erfüllen den niedrigen Raum. Es duftet nach gebratenem Lamm, nach den bitter-herben Kräutern in den Schüsseln und auch ein wenig nach Männerschweiß. Der Mann um die Dreißig sitzt mit einem Dutzend meist grobschlächtiger Männer im Dämmerlicht und beobachtet gedankenverloren die junge, schlanke Frau, die vor dem offenen Kamin am Ende des Raumes hockt und im Feuer stochert.

      Jemand nennt beiläufig seinen Namen – ein Name, der in diesen Tagen in Jerusalem in vieler Munde ist: Jeshua. Er wirft einen Blick in die Runde, doch im Moment beachtet ihn niemand, was ihn aber keineswegs stört. Im Gegenteil.

      Der Blick seiner dunklen Augen wandert über die Risse in den Lehmwänden, die sich wie Adern durch den an einigen Stellen fleckigen Kalk ziehen. Er erkennt auch in ihnen die Schönheit der Ordnungen, denen alle Dinge unterworfen sind.

      Möglicherweise hätte Aabid, ihr Gastgeber, den Raum vorher frisch gekälkt, wenn er gewusst hätte, dass „der Meister“ mit seinem Gefolge das Fest ausgerechnet bei ihm feiern will. Aber Aabid weiß erst seit gestern davon. Die Jünger hatten ihn angesprochen, als er mit dem Krug auf dem Kopf vom Brunnen gekommen war, wohin er seit dem Tod seiner jungen Frau vor vierzehn Monaten jetzt selber gehen muss. Jeshua hatte gewusst, dass Aabid sich nicht wundern würde, wenn zwei fremde Männer mit entwaffnender Selbstverständlichkeit einen Raum für „den Meister“ beanspruchen würden. Jeshua schätzt Aabid sehr. Nicht nur als Mensch, sondern auch als Töpfer. Auch Aabid ist einer von denen, die das göttliche Gesetz in den kleinen Dingen erkennen und der deshalb ein wirklich guter Töpfer ist. Alle Gefäße in diesem Haus stammen aus seiner Hand.

      Jeshua betrachtet den farbig lasierten bauchigen Becher in seinen Fingern. Ein schönes Gefäß, ernst und verspielt zugleich, denkt er und lässt dann seinen Blick vom Becher über seine schmalen Hände schweifen; betrachtet nachdenklich die sehnigen Handrücken, die den Becher umklammern.

      Er dreht das Gefäß und beobachtet dabei den Tanz der Sehnen unter seiner braungebrannten Haut, Choreographie eines noch genialeren Meisters. Diese Hände sind geübt im Umgang mit Tischlerwerkzeug, wie auch im Spenden von Trost und Heilung. Noch vor wenigen Tagen führten sie die Peitsche im Tempel, und schon sehr bald werden sie im eigenen Blute baden.

      Die im Foltern erfahrenen Römer treiben die Nägel genau dort durch das Fleisch, wo die Handknochen zusammenlaufen. Genau dort, wo jetzt, da seine Hände sich um den Becher krampfen, die Adern hervortreten. Für wenige Sekunden überkommt Jeshua Schwäche. Sein Blick ist vernebelt, und sogar Johannes, der doch direkt neben ihm auf dem Boden hockt, verschwindet wie hinter einem dichten Schleier. Rasch trinkt er einen Schluck Wasser. Als Kind hatte ihm seine Mutter in solchen Fällen immer einen Schluck Wasser zu trinken gegeben. Marias Allheilmitttel. „Du vergisst vor lauter Spielen immer das Trinken, mein Sohn.“

      Jeshua lächelt der Frau Mitte vierzig zu, die schon die ganze Zeit von ihrem im Dunkeln liegenden Platz am Fenster betrübt ihren Sohn beobachtet. Sie lächelt mit ernsten Augen zurück.

      Jeshua stellt den Becher auf den Tisch, greift vor sich, taucht ein Stück Brot in die Tunke aus bitteren Kräutern und blickt in die Runde seiner Freunde: begeisterte, ausgelassene Männer voller Tatendrang. Sie sind in Hochstimmung. Verständlicherweise, denn solch eine triumphale Begrüßung, wie sie sie gerade erst erlebt haben, gibt es nicht alle Tage. Heute sind sie davon überzeugt: Sie haben alles richtig gemacht. Sie sind dem Richtigen gefolgt. Jubelnde Massen an den Straßen. Hosianna, Palmzweige, Begeisterung. Kein Wunder, nach der Sache mit Lazarus. Wer einen aus dem Tod zurückholt, kann mit jubelnden Massen rechnen. Die Jünger wähnen sich endlich am Ziel: zu guter Letzt der Beweis, dass sich ihre Entbehrungen gelohnt haben.

      Und es waren Entbehrungen; wechselhafte Jahre, in denen ihnen zwischen Zweifel, Jubel, Verfolgung, Misstrauen und Euphorie fast alles entgegengeschlagen war. Doch heute ist ein wahres Fest für sie, ein Passa, wie es sich gehört: Auszug aus der Sklaverei.

      Das Lamm ist mittlerweile fast verzehrt, einige Krüge Wein sind gelehrt, und die Männer haben sich in Begeisterung geredet.

      ‚Durchbruch‘ ist das Wort der Stunde. Vor allem Petrus liebt dieses Wort. Überhaupt – der Raum ist voller bedeutsamer Worte, wie ‚Messianisches Reich‘, ‚Israels Herrschaft‘, ‚Gerechtigkeit‘, ‚Gericht‘, ‚Tag des Herrn‘. Wortfetzen, die über den Tisch flattern wie aufgescheuchte Tauben, die den Weg nach Hause nicht finden. Petrus redet aufgeregt und mit großen Gesten auf Andreas und Jakobus ein. Petrus erklärt wie immer irgendwem irgendwas.

      „Wir werden jetzt keinen Schritt mehr weichen“, ruft er hitzig, und Andreas nickt, den Becher zum Munde führend.

      „Es gibt jetzt kein Zurück mehr!“, behauptet Petrus und erntet auch von Jakobus ein kauendes Kopfnicken.

      Nur an den beiden Frauen geht die Begeisterung scheinbar spurlos vorbei. Die Männer halten ihre Zurückhaltung für Torheit. „Frauen verstehen halt nichts von diesen Dingen“, flüstern sie sich zu, denn sie wissen, dass der Meister solche Reden nicht duldet.

      Jeshua kennt ihre Gedanken. All diese Männer sind seine Freunde. Sie haben alles stehen und liegen gelassen für ‚die Sache‘, für das Reich Gottes. Er hat sie alles gelehrt, was sie bis jetzt verstehen können. Er liebt sie, und sie lieben ihn. Trotzdem spürt er wieder diese Einsamkeit inmitten des Trubels. Seine Jünger feiern bereits den Sieg. Nach so vielen Entbehrungen wollen sie jetzt ein gutes Ende. Einen Platz ganz oben, bei denen, die das Sagen haben.

      Mit von Lammfett glänzenden Gesichtern erhitzen sie sich, trunken von ihrer eigenen Hingabe, ihrer Glut, ihrer Bedeutsamkeit.

      Jakobus und Johannes zum Beispiel, die ein Faible für ‚Feuer vom Himmel‘ haben, erwarten in den nächsten Tagen das große Finale hier in Jerusalem, bevor das Reich Gottes kommt. Sie spekulieren auf einen Platz rechts und links neben dem Messias.

      Und dann Petrus, der von Anfang an nichts hören wollte von Tod und Leiden. Dessen Leidenschaft ihn in die Irre führt. So wie Judas Iskariot. Der Eiferer. Er, der in aller Heimlichkeit ‚den großen Showdown‘ organisiert hat. Der es gar nicht erwarten kann, dass das Klein-Klein in den judäischen Dörfern endlich vorbei ist, der den großen Durchbruch hier in Jerusalem erzwingen will. Wie die meisten ist er Hals über Kopf verliebt in seine eigene Gotteserregung. Verwechselt diese Inbrunst mit Hingabe, mit Liebe. Ach, Judas, du hast deine Pläne mit mir, wie sie alle hier, denkt Jeshua. Ich aber werde alle Pläne durchkreuzen müssen! Der Menschensohn wird nicht vom Kreuz herabsteigen.

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