Hoffnungsmorgen. Группа авторов

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Hoffnungsmorgen - Группа авторов

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      „Du weißt doch, ich habe eine Schwäche für ihn, mein Freund Nikodemus hat mir viel von ihm erzählt und …“

      „Auch so ein heimlicher Anhänger.“

      Jitzhak steht auf. „Ich sehe, du bist erschöpft. Ruhe dich aus. Überdenke noch mal alles!“

      Ich begleite ihn zur Tür, wir verabschieden uns.

      „Karim!“, rufe ich meinem syrischen Sklaven zu, „bereite mir ein Bad!“

      Es dauert immer etwas, bis das Wasser heiß gemacht wird, aber schließlich kann ich in mein gekacheltes Bassin steigen. Herrlich entspannend. Ich bin Gott dankbar, dass ich diesen Luxus habe. Die Verantwortung ist manchmal anstrengend.

      Während ich so daliege, geht mir das Gespräch mit Jitzhak nicht mehr aus dem Kopf:

      Nur mal angenommen, Jeshua hätte mit allem, was er sagte und tat, recht gehabt … Nur mal angenommen, es gibt nach dem Tod tatsächlich ein Weiterleben …

      Diese Gedanken sind beunruhigend. Wenn das stimmt, dann hätte ich alles falsch gemacht. Aber jetzt mal ehrlich: Kann jemand, der zum Hohepriester gewählt und von Gott bestätigt wurde, mit allem, was er sagt und tut, völlig falschliegen? Würde Gott nicht selbst darauf achten, dass sein Diener das Richtige tut?

      Das ist mein einziger Trost.

      Ich merke, wie ich müde werde, und rufe nach Karim.

      Während er mich abtrocknet und mir frische Kleider bringt, sagt er: „Vorhin hörte ich Geräusche draußen. Als ich hinausging, sah ich einen Bettler mit offenen Wunden vor deiner Tür liegen. Ein durch und durch abstoßender und unreiner Bursche. Was soll ich mit ihm machen?“

      Annekatrin Warnke

       verurteilt

      An meinen geliebten Neffen Pontius Marcus, es schreibt Pontius Pilatus, fünfter Statthalter der römischen Provinz Judäa.

      Lieber Marcus,

      dein Brief kam heute gerade recht. Seit gestern bin ich in düsterer Stimmung. Gesegnet sei deine spitze Feder! Der neueste Klatsch aus meinem geliebten Rom hat mich ein wenig aufgeheitert.

      Nun kann ich ja von deinen Sonnenstrahlen auf Papyrus nie genug bekommen. Sie wärmen mich schon einige Jahre in dieser unwirtlichsten und freudlosesten aller römischen Provinzen. Oft genug habe ich bei dir klagen dürfen, meinen Unmut ausdrücken können: Warum geht Rom nicht härter vor gegen dieses aufmüpfige Volk? Warum bin ich gehalten, mich mit den religiösen Autoritäten dieses unkultivierten Landes gutzustellen? Es ist demütigend, so tun zu müssen, als nähme ich diese heuchlerische oberste Priesterriege ernst …

      Aber ich will dich nicht zum wiederholten Mal mit meiner allgemeinen Empörung langweilen. Du wirst deinen alten Onkel besser verstehen, wenn ich dir die jüngsten verstörenden Ereignisse schildere: Gestern, am frühen Morgen, brachte der jüdische Rat einen Gefangenen zu mir. Der Wortführer dieser Bande war der Hohepriester Kajafas. Von diesem unsäglich religiösen Machtmenschen habe ich dir mehrfach berichtet. Auch gestern Morgen machte er sich nicht zu meinem Freund. Lautstark verlangte er zunächst, dass ich auf dem Vorplatz meines Palastes erscheine. Die Juden sind überzeugt, dass sie unrein werden, wenn sie das Haus eines Nichtjuden betreten. Unverschämtheit!

      Aber die Politik Roms ließ mir keine Wahl. Ich musste diesem hochnäsigen Gesindel zu Willen sein. Du kannst dir denken, wie es um meine Laune bestellt war. Sie wurde nicht besser, als ich die Beschuldigung hörte, die Kajafas vorbrachte. Dieser Gefangene – sein Name war Jeshua – solle das Volk aufgewiegelt haben, weil er ein Gotteslästerer sei. Was interessiert es mich, ob dieser seltsame jüdische Gott verlästert wird oder nicht? Dieser Gefangene interessierte mich auch nicht. Ein Gesindel mehr oder weniger – was soll’s?

      Ich war willens, diese leidige Angelegenheit so schnell wie möglich hinter mich zu bringen. Zunächst legte ich dem jüdischen Rat nah, den Mann nach seinem eigenen Gesetz zu verurteilen. Aber sie wollten unbedingt ein Todesurteil haben. Hinrichtungen in besetzten Gebieten hat Rom sich vorbehalten, wie du weißt.

      ,Nun gut‘, dachte ich. ,Spreche ich halt das Urteil und kann dann in Ruhe zu meiner unterbrochenen Morgenmahlzeit zurück.‘

      Und dann stand ich diesem Jeshua gegenüber. Ich hatte ihn in den Palast bringen lassen, um nicht länger auf meinem Vorplatz herumstehen zu müssen. Ich war spontan beeindruckt von diesem Mann.

      Er wirkte überhaupt nicht wirr und rebellisch wie die meisten dieser jüdischen Wanderprediger, die bei ihren religiösen Führern in Ungnade fallen. Er war ruhig und gefasst, seine Ausstrahlung gefiel mir. Nicht einmal versuchte er, seine Ankläger schlechtzumachen oder sich zu verteidigen.

      Und dann traf er mich mit knappen Worten mitten ins Herz. Ich fragte ihn: „Bist du der König der Juden?“

      „Mein Königtum stammt nicht von dieser Welt“, antwortete er. „Ich wurde geboren und bin in die Welt gekommen, um die Wahrheit offenbar zu machen und als Zeuge für sie einzutreten. Wem es um die Wahrheit geht, der hört auf mich.“

      Was soll ich sagen, liebster Neffe? Obwohl ich Jeshua eine entwaffnende Antwort gab, nämlich: „Was ist Wahrheit?“, hatte ich doch das Gefühl, der Wahrheit gerade begegnet zu sein. Ich wollte nicht, dass dieser Mann gekreuzigt wird!

      Statt zu meiner Morgenmahlzeit zurückzukehren, war ich nun bereit, mich für Jeshua einzusetzen. Also ging ich hinaus zu Kajafas und der übrigen Priestermeute und sagte ihnen: „Ich sehe keinen Grund, diesen Mann zu verurteilen.“

      Aber sie ließen nicht locker, behaupteten weiter, dass Jeshua das Volk aufwiegelt. Mir war klar, dass die Priesterschaft neidisch auf den Erfolg war, den Jeshua mit seiner Ausstrahlung bei der Bevölkerung hatte. Leider war mir auch klar, dass ich die religiösen Führer nicht brüskieren durfte. Wie schon gesagt – Rom und seine Besänftigungspolitik …

      Dann fiel mir Herodes ein. Da Jeshua aus Galiläa stammte, war dieser jüdische König von Roms Gnaden als Erster zuständig. Wenn ein Jude Jeshua freisprechen würde, könnte sich der Zorn der Priester nicht gegen Rom richten. Und ich wäre fein raus. Also schickte ich Jeshua zu Herodes, der glücklicherweise gerade in Jeruschalajim weilte.

      Die Priester hatten unterdessen eine große Volksmenge gegen Jeshua aufgewiegelt. Als ich der Menge mitteilte, dass Herodes und ich Jeshua begnadigen wollten, schrien sie: „Nein! Kreuzige ihn!“

      Ich habe dir ja schon mal von dem Brauch berichtet, dass ich zum jüdischen Pessachfest einen Gefangenen freigebe, den das Volk bestimmen darf. Gestern war der Tag vor diesem Pessachfest. Also guckte ich einen ganz üblen Buschen aus, der wegen Mordes im Gefängnis saß. Er heißt Barrabas. Ich stellte die Menge vor die Wahl, entweder ihn oder Jeshua zu begnadigen. Ich war unglaublich schockiert, als die Menge schrie: „Gib uns den Barrabas frei!“ Ich verglich diesen üblen Gesellen mit Jeshua und verstand die Welt nicht mehr.

      Und nicht, dass du denkst, ich hätte mir irgendwie die Sinne vernebeln lassen von einer charismatischen Persönlichkeit! Gut, ich kann mein Faible für ihn nicht erklären. Als ich Jeshua begegnete, war er auf den ersten Blick nicht anziehender als andere jüdische Verbrecher. Sein ehemals weißes Gewand war schmutzig, voller Schweiß und Blutstropfen. Eklig wirkte das,

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