Hoffnungsmorgen. Группа авторов

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spüle die Dattelreste mit einem Schluck Wein hinunter.

      „Ich bin erledigt, Jitzhak. Niemand nimmt mich ernst, äußerlich schon, aber sonst …? Ich sage dir: Der Galiläer ist ein einziger Albtraum für mich! Oder er war es.“

      „Warum?“

      Ich lehne mich vor, innerlich erregt, wenn ich an diese Beleidigungen denke. „Pass auf. Neulich erzählte er die bekannte Geschichte von dem armen Gelehrten aus Aschkalon und dem reichen Steuereintreiber Bar-May‘an, deren Schicksal sich nach dem Tod umdreht. Der Arme befindet sich plötzlich in Abrahams Schoß und der Reiche in der Scheol, wo er leidet.“

      „Ja, die Geschichte kenne ich. Stammt sie nicht aus Ägypten?“

      „Richtig. Ägyptische Juden haben sie mitgebracht. Aber Jeshua erzählte die bekannte Geschichte ganz anders.“

      Ich sehe, wie Jitzhak mit den Schultern zuckt. „Na und? Dir kann das doch gleichgültig sein, du gehörst zu den Sadduzäern, ihr glaubt doch sowieso nicht an ein Leben nach dem Tod.“

      „Wart‘s ab … also, Jeshua lässt in seiner Version der Geschichte einen todkranken, unreinen Bettler mit offenen Wunden, der noch dazu von unreinen Tieren abgeleckt wird, vor der Tür eines Reichen ablegen. Sein Name: Lazarus oder Elieser … Hilfe Gottes. Der Reiche bekommt bei Jeshua keinen Namen. Jedenfalls mit einem unreinen Bettler vor der Tür ist der Reiche ruiniert. Welcher fromme Jude wird ihn jetzt noch aufsuchen wollen? Alle haben Angst, dass die Hunde ihre Sandalen berühren. Natürlich wird der Reiche den Armen nicht noch weiter am Leben erhalten wollen, indem er ihm die Abfälle gibt. Du weißt doch, bei unseren Festen wischt man sich manchmal die Fetthände mit Brotfladen ab.“

      „Keine gute Sitte. Aber klar, der Reiche hofft, dass der unreine Bettler bald stirbt, damit er diesen Skandal loswird. Warum lässt er ihn nicht entfernen?“

      „Keine Ahnung. Aber hör weiter zu: Nun lässt Jeshua in seiner Geschichte die beiden sterben, und sie kommen wie in der bekannten Version an unterschiedliche Orte. Der Reiche bittet Abraham um Linderung und sorgt sich um seine fünf Brüder oder Schwäger, dass sie nicht auch an diesen Ort kommen und …“

      „Oh nein!“, ruft Jitzhak aus, „ich begreife deinen Ärger!“

      „Ja“, sage ich. „Verstehst du jetzt, warum man über mich lacht?“

      Jitzhak nickt: „Ich muss schon sagen: eine geniale Nacherzählung. Jeshua braucht dem Reichen keinen Namen zu geben, weil jeder weiß, dass es genau vier wirklich reiche Familien in Judäa gibt. Und eine davon ist die Sippe deines Schwiegervaters Hannas, und es gibt nur einen, der fünf Schwestern und deshalb fünf Brüder oder Schwäger hat – und das bist du. Er versetzt dich mit seiner Geschichte in das Totenreich, einen Mann, der an die Scheol gar nicht glaubt!“

      Jitzhak schüttelt fassungslos den Kopf. „Oh ja, eine echte Provokation!“

      „Du kannst dir vorstellen, dass ich getobt habe vor Wut, als man mir die Geschichte hinterbracht hat. Und Jeshua wusste genau, dass man sie mir erzählen würde! Er redet zu mir, ohne dass er mich aufsuchen muss. Indirekt. Seitdem wollte ich ihn nur noch loswerden. Sein Gefasel von dem Liebesgebot, das über allem stehen soll, klingt mir nicht mehr glaubwürdig. Wer einen Mann wie mich so bloßstellt, läuft mit einem großen Hass herum. Ich habe mich gefühlt, als ob ein Dolch durch mein Herz gestoßen würde. Und es war mir eine Genugtuung, als ich mein Gewand zerreißen und mein endgültiges Urteil über ihn sprechen konnte.“

      Jitzhak schweigt und versucht mit einem Zahnstocher, die Reste einer Fleischfaser zu entfernen, dann lehnt er sich zurück. „Ich verstehe, dass du wütend bist, Kajafas. Aber einen Menschen zum Tode zu verurteilen, nur weil er dich beleidigt hat?“

      „Oh nein“, sage ich, „das war nur der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Ich bin schließlich der Hohepriester, der für das Wohl eines ganzen Volkes zuständig ist. Wir sind ein besetztes Land. Und so ein Naivling wie Jeshua gefährdet das delikate Machtverhältnis zwischen uns und Rom. Nein, nein, dieser Mann muss weg, und ich bin erleichtert, dass die Entscheidung gefallen ist.“

      Ich blicke meinem Freund in die Augen: „Fast bin ich froh, dass er mich provoziert hat, so fiel es mir leichter, mein Urteil zu fällen.“

      Jitzhak sagt nichts und trinkt nachdenklich einen Schluck. „Nur mal angenommen, Kajafas“, beginnt er. „Nur mal angenommen, es gibt tatsächlich ein Leben nach dem Tod …“

      Ich will schon ärgerlich aufspringen, aber Jitzhak hebt beruhigend seine Hände. „Nur ein Gedankenexperiment. Angenommen, du gelangst nach dem Tod in das Totenreich und merkst: Ich habe unseren eigenen Messias den Römern zur Kreuzigung ausgeliefert. Was für ein Urteil erwartet dich dann? Könnte es nicht sein, dass diese kleine Geschichte, die dich so aufregt, gar nicht dazu bestimmt war, dich zu demütigen?“

      „Sondern?“

      „Vielleicht war sie eine persönliche Botschaft an dich.“

      „Oh ja, die persönliche Botschaft habe ich verstanden: Ich werde dich vor aller Welt blamieren! Und: Sie haben Mose und die Propheten, lässt Jeshua Abraham sagen. Mit anderen Worten: Lieber Kajafas, nimm die Botschaft der Propheten ernst, nicht nur die fünf Bücher Mose. Ihr Sadduzäer seid engstirnig! Ja, das könnte die persönliche Botschaft an mich gewesen sein.“

      „Vergiss deine Wut, Kajafas! Nimm doch nur mal an, Jeshua hätte mit allem recht gehabt, er wäre der von Gott gesandte Messias, dann könnte selbst die Kreuzigung nichts daran ändern. Seit gestern gehen mir die Stellen bei Jesaja nicht mehr aus dem Kopf, die von einem geschlagenen Gottesknecht handeln … Und jetzt, nachdem ich weiß, dass er leiden wird, erst recht. Du weißt vermutlich, es gibt Schulen, die den Gottesknecht bei Jesaja mit unserem Messias gleichsetzen.“

      Ich bin verblüfft. Wie kann man diese Stellen, die ich zwar kenne, aber nicht anerkenne, mit Jeshua in Verbindung bringen? Wieder ein Beweis, dass die Prophetenbücher einen nur verwirren.

      Jitzhak fährt fort: „Ist diese Geschichte mit dem reichen Mann in der Scheol nicht eine Hoffnungsgeschichte?“

      „Warum?“

      „Hast du nicht erzählt, dass in der Version von Jeshua der Reiche im Totenreich mit seinen fünf Brüdern Mitleid bekommt und ihnen sagen will: Ändert euch, bevor es zu spät ist?“

      „Hm. Ja.“

      „Die persönliche Botschaft dieser Geschichte an dich könnte auch lauten: Kajafas, fang doch jetzt schon an, dein Leben zu ändern und die Menschen zu lieben, damit Abraham dich nach dem Tod in seine Nähe einlädt?“

      „Ach ja? Mich, der ich angeblich den Messias der Kreuzigung ausgeliefert habe?“

      „Hat Jeshua nicht immer wieder zur Umkehr aufgerufen?“

      „Jitzhak! Ich kann jetzt nicht mehr zurück!“ Wir schweigen, aber dann sage ich: „Weißt du, was du da von mir verlangst? Ich soll das, was ich jahrzehntelang geglaubt habe oder nicht geglaubt habe, aufgeben? Sollen denn Freud und Leid unendlich wiederholt werden in einer anderen Welt? Nein, ich finde es angemessen, wenn nach dem Tod die Vorstellung zu Ende ist. Eine Umkehr, wie du sie von mir verlangst … dazu fehlt mir die Kraft.“

      Jitzhak hebt wie zur Abwehr die Hände. „Ich verlange das ja nicht von dir, es

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