Jahrbuch der Baumpflege 2016. Группа авторов
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Beide Lindenarten haben gute Eigenschaften zur Lärmminderung und tolerieren auch höhere pH-Werte über 7, wie sie in der Stadt weit verbreitet vorkommen. Die Winter-Linde wächst am besten in leichten/sandigen oder durchlässigen Böden. Sie ist überschüttungs- und strahlungstolerant, aber immissionsempfindlich.
Als Solitärgehölz oder in Alleen kann sie ihre Wirkung besonders gut entfalten. Die Linden haben ihren festen Platz als Gehölze in Siedlungen und in der Landschaft: Sie sind als Zierbaum in Parkanlagen und Gärten, auf Dorfplätzen, vor Kirchen, um Kapellen und auf Friedhöfen sehr beliebt. Hier werden sie auch häufig traditionell als Kopfbaum beschnitten. Etwas ganz besonders Schönes sind Tanzlinden: Früher sehr verbreitet, heute nur noch in wenigen älteren Exemplaren (zu 95 % Sommer-Linden), wurden in den Kronen alter Linden die Äste so „geleitet“, dass man einen Tanzboden in die Krone einbauen konnte, mit Geländer rundherum und einer Treppe zum Hochsteigen. Dann fanden Festveranstaltungen in und unter diesen Bäumen statt. Besonders schöne alte Exemplare, in denen auch heute noch getanzt wird, stehen in Effelder (Thüringen, eine Winter-Linde) und Effeltrich (Bayern).
Abbildung 10: Tanzlinde in Effelder bei Sonneberg/Thüringen (Winter-Linde)
Nach der unter Stadtbaumexperten bekannten KlimaArtenMatrix (KLAM) ist die Winter-Linde auch in Zukunft als Stadtbaumart sehr gut bis gut verwendbar (Bewertung Schulnotenpaar 2.1 für Trockenstress-Toleranz und Frosthärte). Leider wird sie in letzter Zeit gelegentlich schlechter eingeschätzt, was allerdings aus meiner Sicht nicht zutrifft und wohl mit daran liegt, dass es Millionen von alten Linden in Stadt und Land gibt und davon natürlich auch ein Teil altersbedingt Probleme hat. Dies bedeutet aber nicht, dass die Baumart ungeeignet ist. Linden sind vielmehr auch weiterhin geeignet für Alleen, Parkplätze, Parks, Plätze, Promenaden/Fußgängerzonen, Entrees, große Gärten und als Hausbaum. Eine der längsten und stammreichsten Lindenalleen Deutschlands dürfte die etwa 2 km lange, vierreihige Herrenhäuser Allee in den Hannoverschen Herrenhäuser Gärten mit insgesamt 1.300 Linden sein. Als Straßenbaum macht der Linde allerdings der Salzeintrag zu schaffen, die Blätter bekommen davon braune Ränder und können vorzeitig abfallen.
Es kann fast alles an der Linde in der Naturheilkunde genutzt werden. Besonders beliebt ist Tee aus Lindenblüten, er ist schweiß- und wassertreibend, krampflösend, magenstärkend und blutreinigend. Es gibt ihn in jedem größeren Supermarkt und natürlich in Apotheken. Medizinische Studien belegen seine biochemische Wirkung zur Stärkung der körpereigenen Abwehrkräfte, die Blüten enthalten als medizinisch wirksame Substanz das Lindenblütenöl. Dieses ätherische Öl aus den „Flóres Tiliae“ wird in Süddeutschland, Österreich, Schweiz, Belgien, Ungarn, Südrussland und in den Balkanländern gesammelt. Für heilkundliche Nutzung darf es nur aus den Blütenständen von Winter- und Sommer-Linden bestehen. Deshalb wachsen an vielen Bauernhöfen auch heute noch alte Teelinden. Der Sud aus Lindenblättern hat einen ähnlichen Effekt. Auch Umschläge aus aufgekochten Blüten haben heilende Wirkung.
Weiterhin sind Lindenblüten wie schon erwähnt eine wichtige Nahrungsquelle für Bienen, Hummeln und andere blütenbesuchende Insekten, die zur Produktion des begehrten Lindenblütenhonigs unentbehrlich sind. Auch zur Gewinnung von Ölen für kosmetische Präparate werden Lindenblüten verwendet.
Die Samen enthalten ein zitronengelbes fettes Öl, das hinsichtlich der Qualität bestem Olivenöl entspricht. Von einer technischen Produktion wurde jedoch abgesehen, da der durchschnittliche Ölanteil nur 9 – 16 % beträgt. Daneben wurde der Samen auch als Kaffeeersatz genutzt und unter Friedrich dem Großen wurde sogar versucht, Schokolade daraus herzustellen. „Lindenschokolade“ gibt es auch heute noch in Leipzig in Form eines Lindentalers aus handgeschöpfter Vollmilch-Schokolade mit Lindenblütenhonig-Sahne-Trüffelfüllung, da der Name Leipzig auf die Linde zurückgeht und sie von den dortigen Bewohnern besonders verehrt wird. Lindenblätter kann man (in „Notzeiten“) auch als Tabak rauchen.
Nach allem bisher Gesagten ist klar, dass keine andere Baumart/-gattung so häufig und positiv in Esoterik und alternativer Heilkunde genannt wird wie die Linden. Dies wie auch das Nachfolgende erklärt ihre hohe Wertschätzung und Verehrung.
Abbildung 11: Dorftreffpunkt unter einer Winter-Linde
4 Mythologie und Brauchtum
Dorflinden, Gerichtslinden, Kirchlinden, Tanzlinden, Hofbäume, Sagen, Gebräuche und Ortsnamen zeugen von der jahrhundertelangen vielseitigen Bedeutung der Linden, auch als Grenzbäume in der Feldflur. In Mythologie und Brauchtum spielten sie eine wichtige Rolle. Der Treffpunkt unter der Linde im Ortszentrum war lange Zeit (vor Telefon und Internet) die wichtigste Kommunikations-, Informations- und Schaltzentrale für die Bevölkerung oder Treffpunkt für Verliebte.
Linden spielen zudem seit Jahrhunderten im Volksglauben und -leben, in der Religion und in der Poesie („Dichterlinden“) eine bedeutende Rolle. In slawischen und germanischen Stämmen galt der Baum als heiliger Baum der Frigga (Göttin der Fruchtbarkeit). Unter Lindenbäumen wurde gearbeitet, gespielt, getanzt, geheiratet und Gericht gehalten – „Tilialgericht“. Sie waren außerdem Talisman, Zauberbaum und Schutz gegen böse Geister und Blitze, eine Linde vor dem Haus galt als Schutzsymbol. Linden durften daher nicht gefällt werden, um die Familie vor Unglück zu bewahren.
Ein Treffen unter Linden war etwas Besonderes, es gab Kraft, Stärke und Mut und nahm das Böse fort. Standen Linden an einem Gewässer oder einer Quelle, so wurde dem Wasser heilkräftige Wirkung nachgesagt. Mit dem Bast der Linde konnten Teufel und böse Geister gefesselt werden, mit Lindenzweigen verjagte man Hexen. Viele Sagen, Gedichte, Bilder und Lieder sind entstanden, die den Linden eine besondere Stellung verleihen („Am Brunnen vor dem Tore … “) – mir sind inzwischen alleine über 20 Lieder und Gedichte bekannt.
Es gibt so viel Schönes und Interessantes zur Mythologie bei dieser Baumart, dass es dazu sogar einige Bücher gibt (siehe Literaturverzeichnis).
5 Sonstiges Interessantes/Wissenswertes
Beim Pflanzen einer Linde sollte man bedenken bzw. berücksichtigen, dass sie 1.000 Jahre alt werden können. So sind auch die mit einem Alter von über 700 Jahren ältesten Bäume in Deutschland zu weit über 50 % Linden, viele davon in Dörfern oder Kleinstädten. Oft tragen sie besondere Namen wie z. B. die Zwölf-Apostel-Linde in Gehrden und die Auferstehungslinde in Annaberg. Ob auch der älteste Baum Deutschlands eine Linde ist (die oft genannte Tanzlinde von Schenklengsfeld in Hessen, eine Sommer-Linde), ist unsicher, da niemand ihr genaues Alter kennt – ich schätze sie auf ca. 900 Jahre und damit etwas jünger als die sonst oft genannten über 1.000 Jahre.
Außerdem gibt es viele Flur-, Orts- und Herbergsbezeichnungen sowie Familiennamen, die auf die Linde zurückgehen, wie z. B. CARL VON LINNÉ, dem einflussreichsten schwedischen Botaniker. Sie kommt in zahlreichen Wappen vor.
Der Name Linde soll vom biegsamen, weichen = linden Holz kommen, Tilia von lat. telum = Pfahl: Lindenzweige wurden zur Römerzeit für Rebpfähle genutzt.
Die häufigste Benennung von Gaststätten in Deutschland sind nach dem Ratskeller