ironisch Short Stories. Mark Jischinski

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ironisch Short Stories - Mark Jischinski

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müssen uns mehr auf die Zielgruppen einstimmen. Also, wer liest eigentlich unsere Bücher?«

      »Frauen!«, entfährt es mir in der Hoffnung, fünfzig Prozent aller Konsumenten auf einen Streich zu erschlagen. Ich kann das Stirnrunzeln des Verlegers durch das Telefon hören.

      »Jischinski, so platt geht das nicht. Wir müssen schauen, ob wir die multioptionale, effizienzorientierte Leistungselite, das adaptiv-pragmatische Milieu, die liberal-intellektuelle Bildungselite mit postmateriellen Wurzeln oder doch eher die spaß- und erlebnisorientierte untere Mittelschicht erreichen wollen.«

      Ich starre auf den Bildschirm und finde nun auch durch meinen Mund keine Worte mehr.

      »Jischinski, wir müssen die Zielgruppe so segmentieren, dass sie möglichst gleichartige Reaktionen auf unsere Marketingmaßnahmen zeigen, denn nur so ist erfolgreiches Produzieren, Publizieren und Vermarkten möglich!«

      »Manchmal glaube ich, dass Sie der Einzige sind, der meine Bücher liest. Und sie auch noch mag«, entfährt es mir schon leicht bedrückt.

      »Papperlapapp, Jischinski, ich habe in den letzten drei Monaten eins von Ihren Büchern verkauft. Es gibt da schon noch welche, die solche Bücher lesen, da draußen in der Milieuwelt.«

      »Hmm, nur wissen wir nicht, wer. Sollte ich nicht für möglichst alle lesenden Zielgruppen schreiben? Also im Grunde für Frauen?«

      »Sie immer mit den Frauen, Jischinski! Glauben Sie denn, dass Männer nicht lesen?«

      »Ich habe neulich mit einer Freundin gesprochen, die mir erzählt hat, dass ihr Freund, wenn er überhaupt mal Zeit hat, Sport macht, sie befummelt oder Fernsehen schaut. Zeit der Komplentation verbringt er damit, dass er isst oder aber auf dem Sofa liegt und einen fahren lässt. Für das Lesen ist da kaum Raum und Zeit.«

      »Aber Jischinski, wir reden doch hier über die Bildungsbürger, nicht über die um Orientierung und Teilhabe bemühte Unterschicht!«

      Nun runzle ich die Stirn. »Sie sollten bedenken, dass wir Männer aus Frauensicht ALLE zu dieser Schicht gehören!«

      »Da könnten Sie Recht haben, Jischinski. Schreiben Sie halt was für das klassische Establishment und den leistungs- und anpassungsbereiten Mainstream.«

      »Rosamunde Pilcher fährt mit Harry Potter in 80 Days nach Panem, durchquert dabei die Shades-of-Grey-Feuchtgebiete, trifft auf einen Hundertjährigen, der aus dem Fenster stieg und verschwindet dann mit ihm ein ganzes halbes Jahr, um schließlich vegan for fit auf der Insel Amazon zu leben?«

      »So doof sind Sie doch gar nicht, Jischinski! Dann fangen Sie mal an!«

      Es trifft mich völlig unvorbereitet. So, wie jedes Mal. Sie sitzt vor mir und sagt die schweren Worte. »Ich muss mit dir reden.«

      Was so leicht daherkommt wie eine sanfte Eröffnung, ja ein verbales Vorspiel sein könnte, ist in Wahrheit das Tor zur Hölle. Denn wenn sie mit mir reden will, ist sie in ihrer Welt bereits am Ende. Dann hat sie »ES« schon einige Male durchdacht, mir subtile Hinweise gegeben, ES auf verschiedene Art und Weise deutlich gemacht. »Ich muss mit dir reden« ist die Fortsetzung der partnerschaftlichen Demokratie mit kriegerischen Mitteln. Besonders gern nimmt sie sich für ihren Verbalangriff die Momente, in denen ich schutzlos bin. Bei der Nahrungsaufnahme, nach dem Sex oder aber kurz vorm Einschlafen. Anfangs dachte ich noch, das sei Zufall, doch inzwischen weiß ich, dass sie diesbezüglich eine Schlange ist. Karla sitzt also vor mir, scheinbar unschuldig, ihr freundlichstes Lächeln umspielt genau die Lippen, die ich am liebsten nur küsse und herausfordernd schaut sie auf mich. Wie immer wird sie dieses Gespräch ausführlich vorbereitet und gedanklich bereits in allen mäandernden Verästelungen durchdacht haben. Ich dagegen kaue auf meinem Frühstücksbrötchen herum und habe maximal die gedankliche Hürde zu bewältigen, ob als Nächstes der Nuss-Nougat-Aufstrich dran ist oder die Orangenmarmelade.

      »Worüber?«, entfährt es mir zwischen zwei Bissen.

      Nun ist der Kampf eröffnet und Karla schiebt ihre Geschütze aufs Schlachtfeld. Dame auf D7 – Schach!

      »Mir ist in letzter Zeit vermehrt etwas aufgefallen, was mir Sorge bereitet. Möglicherweise irre ich mich ja und es ist alles nur zufällig, aber ich will dich und uns vor Schaden bewahren.«

      Was mir auffällt, sind gleich mehrere Dinge. Zum einen drückt sich Karla immer so gewählt aus, wenn sie mit mir reden will. Ganz anders, als in den Momenten, in denen ich meine Hände und andere Körperteile an und in ihr habe. Zum anderen weiß ich genau wie sie, dass es keine Zufälle gibt. Vor allem aber ist mir bewusst, dass wir Alarmstufe rot haben, weil nicht nur ich vor Schaden bewahrt werden muss, sondern dieses ominöse »WIR«. Das ist eine andere Liga. Die Champions League unserer Zweisamkeit.

      Meine Gedanken und Sorgen zusammenfassend, sage ich männlich korrekt: »Was?«

      »Fällt dir etwas auf?«, fragt sie, während sie aufsteht, zu meinem Whiskeyregal geht, ihm die Flasche Bruichladdich Islay Single Malt entnimmt und sie vor mich hinstellt. Dazu schiebt sie die Jameson-Marmelade vom Frühstückstisch. Schließlich geht sie zum Schrank und holt aus diesem den Irish Fruit Cake, den ich gern zum Kaffee habe, weil diese Whiskey-Note gar formidabel ist.

      Ich entscheide mich nun für die Nuss-Nougat-Creme und schneide das nächste Brötchen auf. Dabei antworte ich: »Was soll mir auffallen?«

      Karla setzt ihr Lehrerinnengesicht auf. Das, von dem ich ihr schon ein paar Mal gesagt habe, dass ich mir immer vorkomme, wie ein kleines Kind, und es »UNS« nicht gut tut, wenn sie das macht. Mein »UNS« übergeht sie immer galant mit dem Hinweis, dass dies nicht nötig wäre, wenn ich mich nicht wie ein Kind verhielte. Dann kommt wieder der Stich ins Herz, den sie freudig wie eine Figur aus einem Stephen-King-Roman ansetzt: »Und solange du dich wie ein Kind verhältst, brauchen wir kein Zweites«. In solchen Momenten würde ich ihr gern den Mann in mir zeigen. Meine Keule auspacken, wofür auch immer.

      Sie spitzt derweil ihre Lippen und verfällt auch noch in diesen Dozententonfall, den ich schon immer hasste: »Du isst zum Frühstück Jameson-Marmelade, gestern gab es zum Mittag eine Rotweinsauce und zum Kaffee hast du dir zwei Stück Irish Fruit Cake gegönnt. Schließlich hast du, bevor wir gestern ausgegangen sind, einen Doppelten von diesem unaussprechlichen Whiskey getrunken.«

      »Bruichladdich«, sage ich perfekt, wenn das Brötchen die Aussprache nicht etwas verzerren würde.

      »Wie auch immer«, doziert Karla weiter, »und dann hast du am Abend noch zwei Lynchburg Lemonade und zwei Jacky-Cola getrunken.«

      »Weil DU gesagt hast, trink ruhig, ich fahre«, insistiere ich nun etwas bestimmter. Halbe Keule gewissermaßen.

      »Was??«, entfährt es ihr und ihr Gesicht rötet sich. »Das bedeutet doch nicht, dass du dich volllaufen lassen sollst! Und außerdem erkennst du das Problem wieder einmal nicht und das wiederum zeigt eindeutig, dass meine Befürchtung richtig ist und du eins hast!«

      Ich schiele zur Jameson-Marmelade und komme blitzartig zu der Erkenntnis, dass es Wasser auf Karlas Mühlen wäre, wenn ich jetzt die letzte Hälfte Brötchen genau damit beschmiere. Und ich glaube, dass Karla ein Problem hat. Immer dieser detektivische Irrsinn! Sie kann sich genau an meine Speisefolge von gestern erinnern und hat meine Drinks gezählt. Partnerschaft ist scheinbar so etwas wie NSA für die heimische Spielkonsole. Das Blöde ist nur, dass die Rollen

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