ironisch Short Stories. Mark Jischinski
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»Welche sonst?«
»Dann lasse ich das Shirt hier.«
Wir verlassen den Laden und ich habe das Gefühl, einen wichtigen Sieg errungen zu haben. Schon vor dem Spiel. Ich gehe zum Imbiss, kaufe ein Bier, eine Cola für Karla und Pommes Schranke. Wir sehen, wie sich das Stadion füllt. Mit fettigen Händen schiebe ich mir die Pommes in den Mund. Karla schaut zu mir, dann zu den anderen Kerlen und schüttelt den Kopf.
»Schade, dass wir Frauen den Fußball nicht erfunden haben.«
Ich rülpse leise und sage: »Glaube mir. Das wäre ein schlechter Tausch!«
Beschneidung
Florian liebt Bea. Und Bea liebt Florian. Sie haben sich auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung kennen gelernt und es für überaus wohltätig für sich selbst befunden, zueinander zu finden. Flo schwärmt für alle körperlichen, spirituellen, sphärischen und sinnlichen Reize Beas. Er ist wie verzaubert, seitdem er sie liebt. Ich bin einigermaßen erstaunt, als mir Flo von der einzig wahren Liebe seines Lebens berichtet. Von seinen Beschreibungen, dass wir unser Leben schließlich nicht nur so zur Probe führen und jeden Tag lediglich in die Premiere unserer eigenen Vorstellung gehen, bin ich restlos angetan. Ganz abgesehen davon, dass Bea wirklich ein anbetungswürdiges Geschöpf ist, bei dem sich die männliche Libido selbständig macht. Flo ergeht es so wie allen anderen Liebenden vor ihm. Er verändert sich. Nicht nur von seinen Ansichten her und seinem Toleranzbereich für Dinge, die er früher rigoros ablehnte. Es gibt deutliche körperliche Veränderungen. Er macht beispielsweise mehr Sport und sieht insgesamt fitter aus. Es gibt allerdings ein paar Wandlungen, die nicht sofort ins Auge stechen. Man muss schon ein sehr guter, vertrauenswürdiger Freund sein, um in den Genuss der Information zu kommen, was sich außer den sichtbaren Dingen geändert hat. Ich habe Florian auch einen halben Blutsschwur geleistet, dass ich seine bahnbrechende Erfahrung nie irgendwo herum erzähle, oder gar in einer kleinen Geschichte verarbeite. Es trägt sich also nach einer der ersten körperlichen Vereinigungen zu, dass Bea ihrem Flo weniger im Liebesrausch, als vielmehr mit überaus energischer, aber nicht minder liebender Nachdrücklichkeit ermahnt, die Länge seiner Behaarung im Schambereich zu überdenken. Nun war Flo sein gesamtes behaartes Erwachsenenleben ohne Rasur unterhalb seines Halses ausgekommen, erfreute sich gleichwohl aber der mädchengleichen Nacktheit der Körpermitte seiner Bea. Was liegt also näher, als Herrn Wilkinson zu bemühen?
»Sag mal, nimmt man da einen anderen Rasierer als fürs Gesicht?«, fragt er mich eines Abends.
»Ich denke schon. Wegen der Hygiene und so. Du hast ja als Kind auch zwei Waschlappen genommen. Einen für oben und den anderen für unten.«
»Aber den Rasierschaum kann ich doch nehmen, oder greift der die Haut zu stark an?«
»Hm, ich würde wohl was für sensible Haut nehmen, oder?«
»Du hast Recht«, Florian streicht sich über seinen Bart, der bald die längste Behaarung seines Körpers aufweist, »aber muss ich nun mit oder gegen den Strich rasieren??«
Ich sehe ihn erstaunt an: »Die entscheidende Frage ist doch wohl, wo geht der Strich lang?«
Wir kommen einfach nicht weiter. Es wird nur der ernsthafte Versuch weiterhelfen. Doch Florian hat noch weitere Sorgen: »Und was, wenn ich mich schneide?«
»Dann machst du ein Stück Papier drauf. So wie im Gesicht halt. Und desinfizieren kannst du alles mit Rasierwasser. Aber dann was für Männer wie Irish Moos oder Old Spice. Das macht richtig Banane.«
»Nö, lass mal. Da nehme ich eine ganz sanfte Creme.«
Wir verabschieden uns an jenem Abend wie zwei Männer, von denen einer in den Krieg ziehen muss. Als ich nach Hause gehe, sinniere ich noch ein wenig darüber, ob es denn ab einem gewissen Alter nicht mehr um die inneren Werte geht, sondern doch um äußere Erscheinungen. Vielleicht ist aber ein schnittiger Schambereich ein innerer Wert, weil er schließlich in der Hose liegt. Ich bin am Verzweifeln. Und in Gedanken ganz nah bei Florian. Der teilt mir in der Woche darauf seine wissenschaftlichen Erkenntnisse mit. Zum einen ist es ein durchaus erotisches Erlebnis, und wenn er noch zehn Jahre jünger wäre, naja, ich wisse schon. Zum anderen hätte es bereits rein optisch ein bis zwei Zentimeter in der Länge gebracht, ganz locker. Und schließlich geht nun mit Bea richtig die Post ab. Nicht zuletzt hat sie nicht mehr dauernd Haare im Mund, wenn ich wüsste, was er damit sagen will. Florian ist jedenfalls rundum zufrieden.
Wir besprechen in der Folge noch ein paar andere Kleinigkeiten partnerschaftsfördernder Art, lösen kleinere Probleme oder schweigen manche Abende einfach nur mannhaft miteinander. Doch tief in unserem Inneren wissen wir, dass wir einer entscheidenden Frage immer wieder ausweichen. Es kann gar keinen Zweifel geben: Alles wird gut werden mit diesem geradezu idealen Liebespaar. Florian und Bea bereichern sich und haben eine tolle Zeit. Sie reiben ihre haarlose Scham aneinander und Flo hat endlich einen Degen, der ohne Störung in die Scheide gleitet, wie er so schön sagt. Irgendwann werden die beiden vor den Altar treten und zig unbehaarte Kinder zeugen. Doch die Sache hat einen kleinen, nahezu unbedeutenden Haken, den wir aber auch noch lösen werden. Dieser Haken heißt Suse. Und Suse ist Florians Frau. Seit ziemlich genau fünfzehn Jahren.
Das Methusalem-Kompott
Das war ein Sonntag nach meinem Geschmack! Ich hatte lange ausgeschlafen und war danach bis kurz nach zwei bei einem wunderbaren Brunch. Wieder zu Hause angekommen, legte ich mich aufs Sofa und las etwas. Zwischendurch surfte ich, um zu schauen, ob meine Chat-Bekanntschaft »wild_vampire« wieder online war. Doch sie mied meinen Kontakt in letzter Zeit. Wahrscheinlich überlegte sie, ob mein Vorschlag des Realtreffs nicht doch unserer intimen Beziehung schaden könnte. Dabei hatte ich mir bereits einiges ausgemalt, was wir in die Tat umsetzen könnten, von all dem, worüber wir bis dahin nur geschrieben hatten. Und ein Ziel musste es auch geben, denn die Anbindung zu ihr war nicht kostenlos. Ich döste mit unzüchtigen Gedanken an meinen Vampir noch etwas vor mich hin, bis ich vom Klingeln an der Wohnungstür in die Realität zurückgeholt wurde.
Als ich die Tür öffnete, war ich überrascht. Frau Köpfe stand da. Die Rentnerin, die über mir wohnte. Alt, stolz und irgendwie kauzig. Gefühlte hundertzwanzig Jahre alt, tatsächlich aber sportliche siebzig. Das graue Haar war immer gepflegt gebürstet und zu einem Pferdeschwanz gebunden, das Gebiss tadellos gereinigt und Oil of Olaz müsste bei ihrer Haut nicht mehr nach einem Testimonial suchen. Einziges Manko waren ihre Augen, die bei »Unser Star für Baku« gewinnen würden. Deshalb trug sie eine etwas überdimensionierte Brille, deren Gläser mich an optische Versuche im Physikunterricht erinnerten.
Bis vor ein paar Jahren wohnten ihr Mann und ihr Sohn noch bei ihr. Doch der Sohn war mit Mitte vierzig endlich alt genug, sein warmes Nest zu verlassen und ihr Mann starb kurz darauf. Ihr schien der Verlust ihrer Männer nichts anhaben zu können. Sie strahlte immer einen gewissen Optimismus aus, der mir das Gefühl gab, dass es gar nicht so schlimm sein konnte, alt zu werden. Naturgemäß regte sich in ihrer Wohnung wenig. Ich hatte ein ruhiges Leben unter ihr und wäre in meinen Kreisen nur gestört worden, wenn ihre Kekskrümel plötzlich zu Kanonenkugeln angeschwollen wären oder aber ihre Teelöffel Glockenschläge in den Tassen vollführt hätten. Von ein paar Ermahnungen ob der von mir nicht peinlichst genau verfolgten Einhaltung der Hausordnung abgesehen, kam ich mit ihr und der Ruhe, die sie ausstrahlte, hervorragend klar. Nun stand sie vor mir. In der rechten Hand hielt sie einen Teller mit einem Stück Kuchen, in der linken ihren Wohnungsschlüssel und ein Schälchen Birnen-Kompott. In ihrem Gesicht klebte ein faltiges Lächeln, als gäbe es etwas zu feiern.
»Hallo,