ironisch Short Stories. Mark Jischinski

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ironisch Short Stories - Mark Jischinski

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Stunden später wieder entfällt, ist auf ihrer Festplatte fest eingebrannt, vor allem, wenn es um mich geht. Für uns Männer dagegen ist Vergessen eine echte Schutzfunktion des Gehirns, weshalb wir aufgrund von mehr Freiraum klarer denken können und seltener Kopfschmerzen haben. Um das Gespräch schnellstmöglich zu beenden, und die Jameson-Marmelade wieder freizugeben, sage ich: »Ich habe kein Alkoholproblem.«

      Sie mustert mich und ich bin mir sicher, dass sie mir irgendwann einmal im Schlaf einen Chip in mein Gehirn eingebaut hat und meine Gedanken lesen kann. Deshalb versuche ich ganz schnell an Versöhnungs-Sex zu denken. Vielleicht klappt es ja. Dazu setze ich meinen Ich-bin-wieder-trocken-Dackelblick auf. Um ihre Argumente zu entkräften, schiebe ich nach: »In der Marmelade sind gerade einmal 0,4 Prozent Jameson, Alkohol in Saucen und Kuchen verfliegt beim Kochen und Backen und gestern Abend war eine Ausnahme. Das weißt du doch, oder?«

      Sie wiegt den Kopf, als wolle sie mit den schweren Gedankenkugeln in ihrem Kopf Pingpong spielen. Sie mustert mich. Hinterfragt ihre Entscheidung. Immer wieder dasselbe. Muss wirklich schwer sein für eine Frau. Sagt er die Wahrheit? Kann ich ihm trauen? Ist er ein Säufer? Ist er der richtige Vater für meine Kinder? Kann er uns versorgen oder säuft er in der Schwangerschaft? Wird er später Hustensaft trinken, um wenigstens etwas zu haben? Ich will nicht mit ihr tauschen. Es muss die Hölle sein.

      Neulich habe ich in einem Ratgeber gelesen, dass es wichtig ist, dass jeder Mensch seine inneren männlichen und weiblichen Teile austariert. Und genau in diesem Moment spüre ich dieses Schlangenhafte, merke, wie es ist, wenn man am Ende immer Recht hat. Meine weibliche Seite reibt sich die Hände, während ich sage: »Mir ist übrigens aufgefallen, dass du drei Mal am Tag dieses homöopathische Mittel nimmst. Auch ziemlich unaussprechlich. Solidago H, wenn ich mich nicht irre. Das Zeug hat 59,5 Prozent Alkohol. Aber ich habe nichts gesagt. Weil ich weiß, dass ich dir vertrauen kann.«

      Mit einem Lächeln greife ich zur Jameson-Marmelade und bestreiche mein Brötchen extra dick.

      Ich habe mich dabei erwischt, totalen Unsinn zu denken. So etwas, von dem ich früher dachte, dass es mir nie in den Sinn kommen würde. Während ich meinen Einkaufskorb durch einen Supermarkt schiebe, treffe ich auf eine Bekannte mit ihrem Kind, das neulich eingeschult wurde. Ich schaue mir den Kleinen an und da kommt dieser furchtbare Gedanke hoch. ›Dann beginnt jetzt also der Ernst des Lebens!‹ Ich habe es nicht einmal gesagt, aber gedacht! Und schon allein der Gedanke ist, wenn nicht strafbar, dann zumindest in meinem Werteuniversum ein Ordnungsgeld wert! Und außerdem würde mir der Kleine wahrscheinlich am Liebsten entgegnen: »Hey Alter, ich habe eine Geburt hinter mir, die Qual des Kindergartens noch dazu und du redest vom Ernst des Lebens!« Worauf ich ihm sagen würde: »Warte erst einmal auf den Tag, an dem du herausfindest, dass deine erste große Liebe auch nur eine Zicke ist und der Weg zum Glück länger als 30 Zentimeter.«

      Ich lasse sie also stehen und verfluche mich für mein konservatives Gedankengut gut gemeinter Sprüche scheinbar Erwachsener. Der wahre Ernst des Lebens begegnet mir allerdings wenig später an der Kasse. Ich lege meine Einkäufe auf das Band, und nachdem mich der Blick der hinter mir wartenden Rentnerin lange genug gestraft hat, teile ich meine Waren von den ihrigen mit so einem Teil ab, für das es nicht einmal einen anständigen Namen gibt. Auf jeden Fall ist Zigarettenwerbung drauf. Also möglicherweise handelt es sich um ein Kippenkantholz oder einen Tabakriegel.

      Dann komme ich an die Reihe. Die Kassiererin schiebt alles brav über den Laser und Piep um Piep wird die Rechnung länger.

      Sie teilt mir den Zahlbetrag in einer Lautstärke mit, die auch jemand vernehmen kann, der sich am anderen Ende des Marktes mit dem Kopf voran in der Tiefkühltruhe nach einer Pizza reckt.

      Ich gebe ihr meine EC-Karte, die sie flink durch ihr Gerät zieht und sie legt mir einen Zettel zum Unterschreiben hin. Ich unterschreibe, packe meine Sachen zusammen, in Gedanken schon gar nicht mehr im Laden.

      Sie aber schaut auf meine Karte und vergleicht die beiden Unterschriften. Wieder und wieder. Dann sieht sie mich missbilligend an. »Die ähneln sich aber nicht sehr!«

      »Na und? Sind Sie Graphologin und verdienen sich hier nur was dazu?«

      »Jetzt werden Sie mal nicht frech! Die beiden Unterschriften gleichen sich nicht annähernd. Schauen Sie doch mal!«

      Und schon hält sie der Alten den Zettel vor die brillenbewachten Augen. Ich denke noch, dass diese Gläser definitiv durchschusssicher sind, da erkenne ich ganz weit hin-Ter den Gläsern zwei winzige, auf mich gerichtete Augen.

      »Stimmt!«, krächzt die Alte.

      Wo bin ich denn bitteschön gelandet? Eine Discountfachkassiererin und eine Rentnerin bezweifeln die Richtigkeit meiner Unterschrift! Wahrscheinlich werden sie noch die übrigen im Markt zu findenden Passanten befragen, und wenn sie sich zu einem endgültigen Urteil durchgerungen haben, wird weißer Rauch über dem Discounter aufsteigen! Vielleicht doch nicht mehr zum Billigladen? Sollten es mir die paar Cent in Zukunft wert sein?

      »Was machen wir denn nun?«, frage ich die Kassiererin, die meine Karte noch immer wie Beweisstück Nummer eins im Prozess Penny gegen Jischinski in ihrer Hand hält.

      Derweil krame ich in meinem Bargeld herum, stelle aber fest, dass ich sie leider auch auf diese Art nicht glücklich machen kann.

      »Ich frage mal den Filialleiter«, entfährt es meiner Sherlocke Holmes. Die Rentnerin schaut mich inzwischen wie etwas an, was sie sonst nur bei »Aktenzeichen XY ungelöst« sieht.

      Vielleicht ist alles nur die gerechte Strafe für diesen blöden Gedanken. ›Hey, Kleiner, nun fängt der Ernst des Lebens an!‹ Dieser doofe Ernst holt dich schneller ein, als du denkst. Und vor allem ist er gänzlich humorlos. Meine Sherlocke kommt wieder zurück. Für einen winzigen Moment habe ich das Gefühl, als sei ihr eine Erleuchtung gekommen. Als hätte sich der böse Gedanke an einen Trickbetrüger wie ein Sandkorn in ihrem Hirn eingenistet und in den wenigen Minuten des Weges bis zum Filialleiter hat das Perlmutt ihres Hirns daraus eine wahre gedankliche Perle entstehen lassen. Doch das, was aus ihrem Mund perlt, ist reichlich schal.

      »Sie sollen die Sachen hier lassen und Sie können sich später alles gegen Bargeld abholen.«

      Ich schaue böse in Richtung dieses Spiegelglases. Sitzt dahinter der Messias? Der Hausmeister vom Landgericht? Oder doch Barbara Salesch?

      Es gibt Verschwörungstheorien zum 11. September, zur Mondlandung und zum Mord an Kennedy. Aber an den kleinen Mann im Supermarkt denkt keiner. Ich verlasse das Geschäft, steige in mein Auto und fahre in den nächsten Laden. Dort angekommen, suche ich die gleichen Sachen wie vorher zusammen, lege sie aufs Band, bezahle mit meiner Karte, unterschreibe und nichts passiert. Es kann sich eben nicht jede Kette eine Graphologin als Kassiererin leisten, denke ich noch, während mich meine Bekannte anspricht: »Na, hast du vorhin auch nicht alles bekommen?«

      »Im Grunde schon! Die Kassiererin hat meine Karte aber leider nicht akzeptiert. Ist ’ne längere Geschichte. Aber jetzt habe ich ja alles.« Ich schaue auf den Kleinen, der an einem Lutscher schleckt. »Wie gefällt es dir denn in der Schule?«, frage ich höflich. »Geht so«, nuschelt er mir entgegen.

      »Tja, jetzt beginnt der Ernst des Lebens!«, flötet seine Mutter und haut ihm eine Hand auf die Schulter. Im Weggehen schaue ich traurig auf den Kleinen. Er lächelt noch und seine Augen leuchten. Wenn die alle wüssten, wie ernst es wirklich wird, sie würden sich mit Freude totlachen.

      Ich

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