Die Farben des Mörders. Miriam Rademacher

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Die Farben des Mörders - Miriam Rademacher

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Wie wäre es beispielsweise mit blau?«, schlug Colin vor. »Sag deinen Schäfchen, dass sie heute nur Blautöne verwenden dürfen. Weil blau so beruhigend ist.«

      »Genial!« Jasper schlug sich auf die Schenkel. »Und nächste Woche nehme ich dann gelb und übernächste grün und so weiter!«

      »Das könnte dann doch etwas eintönig werden. Im wahrsten Sinne des Wortes«, gab Colin zu bedenken.

      Als sie die nächste Kurve hinter sich gebracht hatten, lag vor ihnen auf einer Anhöhe inmitten grüner Hügel das u-förmige Gebäude namens Hodge House. Ein früher Herbst färbte die Blätter der umstehenden Bäume bereits bunt, doch der Rasen vor dem und um das Gebäude war sauber geharkt worden. Das Gelände rund ums Haus machte einen gepflegten Eindruck. Einen Augenblick lang genossen sie den friedlichen Anblick schweigend.

      »Hodge House ist eigentlich recht hübsch«, bemerkte Colin dann. »Kein großer moderner Kasten. Eher schlicht und übersichtlich gehalten. Ich frage mich allerdings, was die Mauerreste entlang der Grundstücksgrenze zu bedeuten haben. Sie scheinen uralt zu sein.« Er wies mit dem Finger auf schmutzig-gelbe Steinmauern, die wie vereinzelte Zähne aus dem Rasen herausragten.

      »Sind sie auch. Hodge House ist keine dreißig Jahre alt. Es steht auf den Ruinen einer alten Klosteranlage. So ein idyllischer Bauplatz bleibt ja nicht unbemerkt über die Jahrhunderte. Lange Zeit standen hier nur diese Mauerreste. Dann setzte man Hodge House einfach in die Mitte. Ein nettes Seniorenheim, auch wenn es sich nicht für schwere Pflegefälle eignet. Seine Bewohner kommen alle auf ihren eigenen zwei Beinen hinein. Es sind Menschen, denen der Haushalt zu viel wurde. Oder die Einsamkeit. Oder beides.«

      »Es ist nur ein wenig abgelegen. Hier gibt es rein gar nichts in der Nähe«, erwiderte Colin. »Nichts außer Bäumen und nochmals Bäumen. Von hier in die Zivilisation gelangt man eigentlich nur mit einem Wagen. Und die meisten der Bewohner tun gut daran, nicht mehr aktiv am Straßenverkehr teilzunehmen, fürchte ich.«

      Jasper zuckte mit den Achseln. »Es ist ein Altenheim. Sie haben ihr eigenes Café mit Marzipantorte, einen Canasta-Club und Deppen wie dich und mich, die hier freiwillig das Unterhaltungsprogramm bestreiten. Was sollten die Bewohner also vermissen?«

      »Hast du gerade freiwillig gesagt?«, knurrte Colin. »Und wie kommt es eigentlich, dass du Hodge House hier draußen entdeckt hast?«

      »Kunststück. Sie haben auch eine eigene Kapelle. Ich habe dort einige Male gepredigt. Durch diese Besuche kam ich doch erst auf die Idee, dass den alten Leuten hier ein Tanzlehrer fehlt. Und wer könnte hier besser Schwung in die alten Knochen bringen als du?«

      »Aber warum musste es denn ausgerechnet eine Tanztherapie sein?«, stöhnte Colin und steuerte den Seat auf einen Besucherparkplatz nahe dem Eingang.

      »Weil man dazu keine Paare braucht, Colin. Männer sind hier nämlich Mangelware. Die Zahl der weiblichen Insassen übersteigt die der männlichen bei Weitem. Dass Frauen älter werden als Männer, ist nicht nur eine miese kleine Statistik, die uns ärgern will. Es ist das wahre Leben.«

      »Mein Leben verkürzt die Tanztherapie mit Sicherheit mit jeder Stunde, die ich damit verbringe.«

      Der Seat kam mit einem Ruck zum Stehen. Jasper stieß die Beifahrertür auf und quälte sich aus dem niedrigen Sitz. Nach einigen Dehnübungen holte er tief Luft. »Ist schön hier, oder? Es riecht so wunderbar nach Wald und Wiese. Hier seinen Lebensabend zu verbringen, hat durchaus Charme. Wir sollten uns einen Platz reservieren.«

      »Das hat ja wohl noch etwas Zeit«, protestierte Colin halb scherzhaft, halb im Ernst und zog einen tragbaren CD-Player und eine CD-Tasche vom Rücksitz des Seat. Ungelenk schloss er die Wagentür mit einem Schubser und ging auf den Eingang zu, wo eine schlanke Blondine mittleren Alters mit Pagenkopf auf ihn und Jasper zu warten schien. Ihr Lächeln wurde breiter, als die beiden Männer auf sie zukamen. Colin fragte sich, was für ein Bild sie beide an diesem Morgen boten. Er, der hochgewachsene schlanke Mann mit vollem eisgrauem Haar, der sich gerade hielt. Und der rundgesichtige und kugelbäuchige Jasper, dem man den mangelnden Schlaf der letzten Nacht mit jedem Schritt anmerkte.

      »Pfarrer Johnson! Wie schön, dass Sie uns Ihre wertvolle Zeit opfern. Mr Duffot sagte mir bei seinem letzten Besuch, dass er Sie mitbringen würde, und ich war gleich begeistert von der Idee einer Maltherapie.«

      Jasper warf Colin einen schiefen Blick zu. »Du musst dir deiner Sache ja sehr sicher gewesen sein. Alle Achtung.«

      Colin erwiderte nichts und grinste nur zufrieden. Mrs Rose Halligan hatte sich ihm nur ein paar Wochen zuvor mit ähnlichen Worten vorgestellt. Seitdem hatte er mit ihr nie mehr als einige wenige Begrüßungsfloskeln gewechselt, und doch glaubte Colin, die Heimleiterin bereits gut zu kennen. Die Jahre auf dem Tanzparkett hatten ihn zwar nicht zu einem unfehlbaren Menschenkenner gemacht, doch er vermochte Körpersprache und Bewegungen eines Menschen zu deuten und lag dabei nur selten daneben.

      Rose Halligan hatte sich eine leitende Position bestimmt nie erträumt. Sie hatte schwache Schultern, die immer leicht nach vorn fielen und oft bis zu den Ohren hochgezogen wurden. Am liebsten, so vermutete Colin, wäre sie bis zum Scheitel zwischen ihnen verschwunden. Aber ein Hauch von Mut oder ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein hielten sie auf ihrem Posten und das bewunderte Colin an der zarten Frau.

      »Vielen Dank für die Begrüßung, Mrs Halligan. Schön, wieder einmal hier zu sein«, antwortete Jasper und schüttelte der Heimleiterin die Hand.

      »Wir kommen sehr gerne«, ergänzte Colin und lächelte dazu. Wenn er jetzt in das freundliche Gesicht der Heimleiterin blickte und die herrliche Landschaft ihre beruhigende Wirkung auf ihn entfaltete, hatte er nicht einmal das Gefühl, dass er log. Ein leichter Wind strich ihm über die Haut und rauschte in den Laubbäumen nahe der Grundstücksgrenze. Es hätte alles perfekt sein können, wäre da nicht der Anlass ihres Besuches gewesen.

      »Ich habe für jeden von Ihnen eine Namensliste. Kontrollieren Sie bitte, ob alle Personen, die dort aufgeführt sind, auch an ihrem Kurs teilgenommen haben, und haken Sie sie ab.« Rose Halligan hielt Jasper und Colin zwei beschriebene Zettel hin, die Jasper mit einem Stirnrunzeln an sich nahm.

      »Das klingt ja fast so, als wären nicht alle freiwillig in den Kursen.«

      Die Heimleiterin lächelte verkniffen. »Die meisten von ihnen schon. Diese Anmeldeliste hängt immer an unserem Informationsbrett in der Halle. Jeder, der möchte, kann sich eintragen und somit ein gesundes und belebendes Freizeitangebot nutzen. Es gibt jedoch einige, sagen wir mal, Spezialfälle in unserem Heim, die man gelegentlich zu ihrem Glück zwingen muss. Sonst würden sie freiwillig nicht einmal aufstehen, obwohl sie es könnten. Diese Personen habe ich heute auf der Liste nachgetragen und über ihre Chance informiert, an Ihren Angeboten teilzunehmen. Wenn sie nicht erscheinen sollten, möchte ich das natürlich wissen.« Rose Halligan hatte sehr schnell gesprochen und ihr Hals hatte sich während ihrer Worte wieder auffallend verkürzt. Sie erinnerte Colin an eine Schildkröte, kurz vor dem ultimativen Rückzieher in den eigenen Panzer.

      Jasper warf Colin einen Blick mit hochgezogenen Brauen zu, den dieser mit einem fast unsichtbaren Nicken quittierte. Dann rückte er seine Nickelbrille zurecht und fragte in sanftem Ton: »Und wenn die alten Leutchen nicht zur Tanzstunde erscheinen, zu der sie verdonnert wurden, was passiert dann? Wird ihnen der Nachtisch gestrichen?«

      »Aber nein, Pfarrer Johnson! Wo denken Sie hin? Wir wollen hier nur das Beste für unsere Schützlinge. Wenn sie sich aber nicht aufraffen können, ihre geistige und körperliche Gesundheit zu erhalten, geleite ich sie beim nächsten Termin höchstpersönlich zum Kursangebot und rede ihnen ins Gewissen. Manche Menschen

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