Die Farben des Mörders. Miriam Rademacher
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Читать онлайн книгу Die Farben des Mörders - Miriam Rademacher страница 8
»Lass uns gehen. Oder wackeln dir die Knie noch?«, fragte Jasper.
Colin schüttelte den Kopf und erhob sich. Nein, es wackelte nichts mehr. Als er vorhin versucht hatte, die Böschung wieder hinaufzuklettern, hatte das Adrenalin seine Hände und Füße stakkatoartig zittern lassen. Doch das war nun vorbei. Er war wieder fit. Nun, vielleicht nicht fit, aber betriebsbereit. Langsam gingen Jasper und er über die Liegewiese, wo sie vor der Terrassentür des Gymnastikraumes bereits von einer Gruppe älterer Herrschaften erwartet wurden.
Ein Herr mit verfilztem Toupet rief ihnen entgegen: »Dann wird es heute wohl nichts mehr mit den Kursen, hm?«
Colin umfasste seinen Kaffeebecher fester und antwortete so ruhig wie möglich: »Nein, tut mir leid. Ich habe da so ein Problem, wissen Sie? Man nennt es Pietät.«
»Ach, das hatte ich auch mal, das legt sich«, antwortete eine ältere Dame in einem geblümten Seidenkleid und nickte mitfühlend mit dem Kopf. Der Toupetträger murmelte »Halleluja« und verschwand im Innern des Heims. Er gehörte zweifellos nicht zu den freiwilligen Teilnehmern der Freizeitangebote. Waldemar, der Althippie mit der Schleife im Bart, sortierte einige Gänseblümchen rund um seine noch immer brennende Stumpenkerze und summte dabei eine Melodie. Zwei Damen begannen ein Gespräch über die Spätfolgen von Pietät.
Jasper gab Colin einen Stoß mit dem Ellenbogen und flüsterte: »Lass uns verschwinden.«
»Keine Seelsorge, Herr Pfarrer? Sie werden hier womöglich noch gebraucht«, flüsterte Colin in spöttischem Unterton zurück.
Doch Jasper machte keine Anstalten, noch länger verweilen zu wollen, und steuerte auf die Glastür zum Gymnastikraum zu. »Mich gruselt es gerade ein bisschen. Hier sieht keiner wirklich betroffen aus. Dabei wurde gerade eine Leiche am Rande ihrer Liegewiese entdeckt. Lass uns lieber verschwinden, bevor wir auch so werden wie die. Kennst du diesen Film mit den Körperfressern? Vielleicht waren die schon hier.«
»Vielleicht ist der Tod in einem Altenheim auch nicht ganz so schockierend und überraschend«, gab Colin zu bedenken.
»Aber diese Frau wurde ermordet«, antwortete Jasper. »Das muss doch einen Unterschied machen.«
Jasper und Colin betraten die verwaiste Gymnastikhalle, wo Colin seine Utensilien zusammenraffte. Sie waren schon fast in der Tür, als sie hinter sich die hohe Stimme Sergeant Diebers vernahmen.
»Wer hat euch denn erlaubt zu gehen?«
»Du bist zuerst gegangen, schon vergessen? Und falls du oder dein Boss noch Fragen haben, weißt du ja, wo man uns findet«, rief Jasper über seine Schulter zurück und marschierte zur Tür hinaus.
Colin folgte ihm. Sie gingen schnellen Schrittes und ohne sich noch einmal umzusehen zum Parkplatz, stiegen in Mrs Greys Wagen und Colin fuhr los. Er saß aus reiner Gewohnheit hinter dem Steuer und spürte, dass ihm das Lenkrad in seinen Händen ein gutes Gefühl gab. Er war wieder Herr der Lage. Er hatte die Kontrolle. Zumindest über diesen Wagen.
Eine Weile sprachen sie kein Wort. Dann überlegte Jasper laut: »Wenn die Leiche mehrere Monate unter dem Abfall gelegen hat, dann könnte sie zur gleichen Zeit gestorben sein, wie die Opfer unseres letzten Mordfalls. Lässt sich da ein Zusammenhang herstellen?«
Colin warf ihm einen schrägen Blick zu. »Wie sollte das zugehen? Nicht, dass ich es dir nicht zutraue, diese Christine in einen abgeschlossenen Fall hineinzukonstruieren, aber es wird mir arg schwerfallen, dir zu glauben.«
»Ist es nicht ebenso unwahrscheinlich, dass in einem Landstrich jahrelang überhaupt nichts passiert und dann gleichzeitig mehrere Menschen unabhängig voneinander ermordet werden?«
»Vielleicht war was im Wasser«, erwiderte Colin im Scherz und konzentrierte sich auf die schmale Straße vor seiner Motorhaube.
»Das ist es!« Jasper schlug sich begeistert auf die Schenkel. »Genial, Colin! Es muss eine Droge im Trinkwasser gewesen sein!«
»Jasper …«
»Sie hat bei allen Einwohnern der Region Aggressionen freigesetzt! Halt, nein. Dafür haben wir zu wenig Leichen hier herumliegen. Ich hab’s! Nur wenige Menschen werden zu Mördern! Die mit der Blutgruppe Null zum Beispiel!«
»Jasper? Was liest du eigentlich so, sobald du die Bibel zugeklappt hast? Groschenromane?«
Jasper grinste breit. »Zu weit hergeholt? Gib mir eine bessere Theorie.«
»Wenn es sein muss, bitte: Diese Christine hatte ein unerkanntes Herzleiden und erlitt beim Wildblumen pflücken einen tödlichen Anfall. Sie stürzte in den Rasenschnitt, wälzte sich im Todeskampf unter das Grün … Voilà!«
»Und um die Polizei zu beschäftigen, hat sie sich vorher noch mit einem Draht Würgemale beigebracht und ihn, nachdem sie sich erwürgt hatte, verschwinden lassen? Das war läppisch, Colin. Hast du nichts Besseres für mich?«
»Na gut.« Colin dachte einen Augenblick lang angestrengt nach. »Diese Christine hatte ein gewaltiges Vermögen zu vererben, das jetzt an ihren bösartigen Enkel fällt. Besagter Enkel verhalf ihr bei seinem letzten Besuch höchstpersönlich ins Jenseits.« Colin konnte nicht verhindern, dass so etwas wie Stolz in seiner Stimme mitschwang.
Jasper schwieg einen Augenblick. Dann murmelte er: »Nicht schlecht, Colin. Nicht schlecht. Das erschwert es natürlich für uns. Sieht man einmal davon ab, dass Mr Simms bereits erwähnte, dass das Opfer keine Familie hatte.«
»Hä?«, machte Colin ein wenig ratlos und übersah ein Schlagloch im Weg.
Ein heftiger Ruck schüttelte ihn und Jasper durch, der ungerührt weiter philosophierte: »Nun, du hast natürlich recht damit, dass Christines Mörder in ihrem früheren Umfeld zu finden sein könnte. Das ist höchst ungünstig für uns. Wie sollen wir etwas über ihre Vergangenheit erfahren?«
»Wieso sollten wir das wollen?«, erwiderte Colin grimmig, obwohl er die Antwort ahnte.
»Wenn der Mörder nicht im Heim lebt, müssen wir unseren Fahndungskreis erweitern und mir ist nicht ganz klar, wie wir das hinkriegen sollen.«
»Fahndungskreis?«, fragte Colin gedehnt.
»Tanzstunden in Hodge House gibst du ja schon, aber wie kriegen wir dich und deine Beobachtungsgabe in das ehemalige Umfeld dieser Christine? Von einem Tanz auf dem Grab habe ich als Beerdigungsritual noch nie gehört.«
Colin stöhnte auf. »Es wird weder auf noch um das Grab getanzt, verstanden? Und ich habe überhaupt keine besonderen Fähigkeiten! Letztes Mal haben wird den Mörder doch auch nur durch Zufall erwischt.«
»Du hast den Mörder erwischt. Und das nur durch bloßes Hinsehen.«
»Bei genauer Betrachtung der Fakten würde ich das nicht so nennen!«
»Egal. Dieses Mal sind wir zu zweit. Ich mit meinem Malkurs und du mit deinem Tanzkurs. Ich kann den Menschen zwar weit weniger an der Nasenspitze ansehen als du, aber ich werde mir Mühe geben. Doch wie stellen wir es an, dass wir möglichst viele verdächtige Teilnehmer haben? Und wer sind die Verdächtigen? Das ist alles etwas verzwickter als das letzte Mal.«
»Und deswegen wird es auch kein zweites Mal geben«, stellte Colin entschieden fest.
»Wir