Die Farben des Mörders. Miriam Rademacher
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Doch Dieber antwortete Jasper erneut im Flüsterton: »Noch nicht. Aber mein Chef spricht gerade mit der Heimleitung. Wir erhoffen uns davon Aufschluss bezüglich ihrer Identität.«
Colin spähte am Hosenbein des vor ihm stehenden Mr Simms vorbei und entdeckte eine aufgelöst wirkende Rose Halligan, deren Absätze sich in den Rasen bohrten, neben einem vierschrötigen Herrn in einem zu engen Anzug.
»Wenn ich dazu eine Vermutung äußern dürfte?«, meldete sich Mr Simms zu Wort. Die Aufmerksamkeit aller Umstehenden richtete sich augenblicklich auf ihn. Der immer etwas hektisch wirkende Mann tippelte nervös von einem Fuß auf den anderen und der Kaffee in den Tassen auf seinem Tablett schwappte bedrohlich. Mr Simms, den Kopf weit vorgereckt wie ein Huhn, glaubte zweifellos, etwas Wichtiges zu wissen. Dieber machte eine auffordernde Geste in seine Richtung und Simms plapperte los: »Vor einer ganzen Weile ist uns eine Dame abhandengekommen. Wir haben sie natürlich sofort als vermisst gemeldet, so gehört es sich ja wohl, und es wurde auch eifrig nach ihr gesucht, aber bisher hat man sie nicht gefunden.«
»Eine Bewohnerin des Heims? Wann war das?«, fragte Dieber und zog Block und Kugelschreiber aus der Brusttasche seiner Jacke.
»Im Mai. Sie verschwand über Nacht. Beim Abendessen war sie noch im Speisesaal gewesen und am nächsten Morgen war sie fort. Wir haben sie sogar über das Radio suchen lassen, aber es gab keinen Hinweis und niemand, der sie gesehen hatte.«
»Wie hieß die Frau?«, fragte Dieber und kritzelte eifrig mit.
»Christine Humblebee.«
Dieber ließ den Stift sinken. »Das ist doch wohl ein Scherz. Kein Mensch heißt ernsthaft Humblebee.«
»Das war ihr Name. Christine Humblebee«, beteuerte Mr Simms und nickte wie ein Wackeldackel auf einer Schotterpiste.
»Na schön. Christine Humblebee«, notierte Dieber missmutig. Er schien den albern klingenden Namen der Vermissten persönlich zu nehmen. Colin vermutete, dass er sich nach Diebers Meinung nicht gut im Protokoll einer Mordermittlung machte.
»Und sie ist einfach aus dem Heim verschwunden und nie wieder aufgetaucht? Was hat denn ihre Familie dazu gesagt?«, wollte Jasper wissen.
»War sie dement oder so etwas?«, ergänzte Colin.
Mr Simms versuchte, alle Fragen gleichzeitig zu beantworten, was ihn offenbar in schwere Verwirrung stürzte. Eine Weile stotterte er zusammenhanglos vor sich hin. Dann sammelte er sich unter heftigem Atmen und formulierte sehr konzentriert: »Eine Familie hatte Mrs Humblebee nicht. Sie hat keine Angehörigen bei ihrem Einzug hier angegeben. Und dement war sie ganz sicher nicht. Sie war noch relativ jung. Zu jung für ein Seniorenheim, wenn Sie mich fragen. Sehen Sie, die meisten hier sind bereits in ihren Achtzigern oder Neunzigern. Mrs Humblebee war erst Anfang siebzig. Sie war agil und lebhaft und sah sehr gut aus.«
»Sie besaß nicht zufällig einen grünen Bademantel? Danach sieht es nämlich aus, was die Leiche dort drüben trägt«, erkundigte sich Dieber, den Blick auf seine Notizen geheftet.
»Alle hier im Hause besitzen einen grünen Bademantel. Der wird vom Haus gestellt.«
»Schade«, sagte Dieber und schloss den Notizblock. Dann öffnete er ihn wieder. »Nochmal fürs Protokoll«, sagte er streng und sah Jasper dabei an. »In den Malkurs, den Jasper seltsamerweise hier abhält, kam eine ältere Dame gestolpert, die eigentlich tanzen wollte. Doch im Gymnastikraum, in dem der nicht minder seltsame Tanzkurs stattfinden sollte, hatte sie niemanden angetroffen und durch die geöffnete Verandatür hatte die Dame einen Schrei gehört.«
»Das war ich«, warf Colin ein.
Dieber machte sich eine Notiz, während Jasper nur bestätigend nickte. »Daraufhin ließ der Pfarrer seine Schäfchen oder vielmehr Pinseläffchen im Stich, um seinem Freund zu Hilfe zu eilen, den er hier unterhalb der Böschung neben einer stark verwesten Leiche fand. Alles sehr interessant.«
Jasper ergänzte: »Ich habe dann mit meinem Handy die Polizei angerufen. Seit den Ereignissen vor ein paar Monaten trage ich immer ein Handy bei mir. Schließlich weiß man nie, wie es kommt. Apropos vor ein paar Monaten: Wie konnte es geschehen, dass die Dame hier monatelang direkt an der Grundstücksgrenze lag?« Er warf Mr Simms einen fragenden Blick zu.
»Wir hatten doch keinen Grund, hier zu suchen«, antwortete dieser hastig. »Christine war eine gesunde und temperamentvolle Dame. Eine Böschung wieder hinaufzuklettern, wäre für sie kein Problem gewesen. Wir haben sie in ganz England suchen lassen, aber wer rechnet denn damit, dass sie quasi direkt vor der Haustür liegt?«
Jeder, dachte Colin und nahm einen langen Schluck des vorzüglich schmeckenden Kaffees. So ziemlich jeder, möchte man meinen. Ich zumindest würde das denken.
»Und der Geruch? Haben Sie den ganzen Sommer hindurch nichts gerochen?«, fragte Jasper eindringlich. Colin spürte, wie sein Magen erneut rebellierte.
Auch Mr Simms sah jetzt etwas angeekelt drein und schüttelte den Kopf. »Wenn mal die Gartenabfälle müffeln, denkt doch niemand an eine verscharrte Leiche. Was hätten wir denn unter dem Rasenschnitt vermuten sollen?«
»Mir reicht’s«, sagte Dieber und klappte seine Notizen erneut zu. »Kommt ihr klar?«, fragte er Jasper und deutete dabei mit dem Daumen auf Colin, der vermutete, dass er immer noch sehr käsig aussah.
Jasper nickte nur knapp, woraufhin Dieber die drei Männer neben dem Gartenhäuschen ohne ein weiteres Wort stehenließ und strammen Schrittes zu seinem Vorgesetzten eilte. Colin sah ihm nach, wie er über die Liegewiese marschierte. Mit Missbilligung in der Stimme hörte er Jasper sagen: »Mir hat dieser Ton unseres Sergeants gar nicht gefallen.«
»Mir auch nicht. Aber dies hier ist eine Mordermittlung und nicht der Lost Anchor, wo er sich von uns auf ein Bier hätte einladen lassen. Hier muss er seinem Boss imponieren«, antwortete Colin und beobachtete Dieber, der gerade sein Ziel erreicht hatte. Seine Körperhaltung sprach Bände. Colin musste unweigerlich grinsen. »Da ist jetzt jemand aber bitter enttäuscht worden. Anscheinend konnte unser Freund mit seinen Informationen nicht mehr punkten.«
Mr Simms nickte schon wieder eifrig. »Sicher hat auch Mrs Halligan schon von der armen, vermissten Christine erzählt. Wer außer ihr könnte hier draußen schon in einem Bademantel des Heims liegen?«
»Ihnen gehen also nicht öfter alte Damen verloren?«, fragte Jasper.
»Natürlich nicht! Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden. Ich habe Verpflichtungen.« Mit den huschenden Bewegungen eines verängstigten Kaninchens verließ nun auch Mr Simms die Runde. Vermutlich fühlte er sich hinter seinem Empfangstresen am sichersten.
Jasper sah betreten aus. »Jetzt habe ich möglicherweise seine Gefühle verletzt. Dass solch einem ordentlichen und diensteifrigen Menschen wie Mr Simms auch so eine ärgerliche Sache passieren muss. Dabei ist es sogar nachvollziehbar, dass hier niemand etwas gerochen hat.« Jasper deutete auf die zahllosen Zigarettenkippen zu seinen Füßen. »Diese Hütte hier scheint der Treffpunkt aller Nikotinabhängigen von Hodge House zu sein. Wer sich hier aufhält, riecht vermutlich nur Rauch.«
Colin schnüffelte und musste Jasper recht geben. Der offenen Hüttentür entströmte der hartnäckige Geruch kalten Zigarettenrauchs und der Boden rund um die Hütte war vom Orange der Filter gesprenkelt. »Im Moment bin ich eigentlich recht dankbar für