Die Farben des Mörders. Miriam Rademacher
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Читать онлайн книгу Die Farben des Mörders - Miriam Rademacher страница 9
»Jasper …« Colin gab seiner Stimme einen drohenden Unterton und fuhr mit voller Absicht durch das nächste Schlagloch. Jasper knallte ans Wagendach des Seat, schien es aber gar nicht zu bemerken.
»Wir machen einen Deal mit ihm. So nennt man das doch. Wir versorgen Dieber exklusiv mit Nachrichten aus dem Heim, und er lässt eben mal eine seiner Notizen so rumliegen, dass wir sie lesen können. Dafür kann sein Chef ihn doch nicht belangen, oder?«
»Jasper!« Colin steigerte Lautstärke und Tonfall und knallte in das nächste Schlagloch. Jasper hüpfte auf dem Beifahrersitz auf und ab und lächelte selig. Colin spürte seinen Einfluss auf die Geschehnisse der nächsten Wochen dahinschwinden. Er hatte offenbar doch nicht die Kontrolle. Doch noch gab er nicht auf. »Eben waren dir die alten Leute im Heim doch noch regelrecht unheimlich.«
»Alles eine Frage der Einstellung. Der Mensch wächst mit seinen Aufgaben. Schon nach wenigen Besuchen wird mich kein noch so seltsamer Kommentar und kein seltsames Verhalten mehr abschrecken. Meinst du, es gibt Medikamente gegen Pietät?«
Colin schnaufte gegen seinen Willen belustigt und das nächste Schlagloch war wieder ein Versehen.
Butterblumengelb
»Sag Huey, er soll von meinen Füßen runtergehen. Vielleicht hört er ja auf dich«, sagte Colin.
»Er spürt, dass du seinen Trost und seine ganze Zuneigung brauchst. Deswegen weicht er nicht von deiner Seite. Außerdem sind alle anderen Füße bereits besetzt«, war Lucys Antwort, während sie gleichzeitig dem Wirt des Lost Anchor ein Zeichen gab, ihr Weinglas nachzufüllen.
Es stimmte. Huey, Dewey und Louie, allesamt Cockerspaniels, die eines der Mordopfer aus Colins letztem Abenteuer verwaist zurückgelassen hatte, lagen unterm Tisch und sabberten liebevoll auf die Socken der Anwesenden. Alles Wesentliche spielte sich oberhalb der Tischplatte ab. Jasper und Colin vernichteten zur Wiederherstellung ihres seelischen Gleichgewichts jeder einen Berg Bratkartoffeln. Sie hatten nicht viel Zeit verschwendet, seit sie Hodge House verlassen hatten, und waren umgehend in ihrer Stammkneipe, einem altmodischen Pub mit zusammengewürfeltem Mobiliar der letzten Jahrzehnte, eingekehrt. Norma und Lucy waren nur einen Anruf später zu ihnen gestoßen und erörterten bereits ihre kriminalistischen Möglichkeiten im Fall Christine Humblebee.
»Ich habe einige ehemalige Patientinnen in Hodge House. Zum Beispiel die reizende Lani Soundso. Ich kann mir einfach keine indischen Nachnamen merken, aber sie ist wirklich eine ganz reizende Dame. Seit einem Beinbruch ist sie in ihren Bewegungen eingeschränkt und deshalb nach Hodge House gezogen. Die Hausarbeit wurde ihr zu viel. Ich kann sie besuchen und sie bei der Gelegenheit ganz zwanglos ausfragen. Vielleicht weiß Lani mehr über diese Christine«, meinte Norma.
Norma, eine Krankenschwester von so geringer Körpergröße, dass es bereits an Kleinwuchs grenzte, hatte eine Schwäche für knallige Farben. Ihr vor kurzem noch rosafarbenes Haar war jetzt butterblumengelb und wurde von violetten Haarspangen aus dem Gesicht gehalten. Colin war sehr dankbar dafür, dass sie ihn noch nicht nach seiner Meinung zu ihrer neuen Haarfarbe gefragt hatte.
Jasper nahm den Faden auf. »Lani? Der Name stand heute auf meiner Liste. Ich kann mir übrigens auch keine indischen Nachnamen merken. Die Dame hat bei mir heute im Malkurs gesessen. Naja, etwa zwei Minuten lang. Dann musste ich unserem Helden hier zu Hilfe eilen.« Jasper grinste und schlug Colin auf die Schulter. »Der Vorteil bei uns Männern ist doch, dass man dem Freund beim Kotzen nicht die Haare zurückhalten muss.«
»Ich habe nicht gekotzt. Du übertreibst schon wieder, Jasper«, erwiderte Colin ärgerlich.
»Das ist wahr. Ich übertreibe. Aber er war kurz davor, das könnt ihr mir glauben. Dieses dezente Hellgrün zwischen Kinn und Nasenwurzel gepaart mit einem verkniffenen Gesichtsausdruck, nein, da hat nicht viel gefehlt. Dafür brauchte ich nicht einmal seine Beobachtungsgabe.«
Colin gab ein Knurren von sich.
»Mit den Bewohnern sprechen klingt gut«, wechselte Lucy energisch das Thema. »Ich wünschte, ich könnte euch auch eine Hilfe bei den Ermittlungen sein. Das letzte Mal habe ich ja das meiste versäumt. Dieses Mal wäre ich gern von Anfang an dabei. Könnte ich nicht auch irgendeine ehrenamtliche Aufgabe in Hodge House übernehmen?«
»Es gibt keine Ermittlungen unsererseits. Ich bin Tanzlehrer und kein Detektiv«, hörte Colin sich selbst zum soundsovielten Male sagen. »Wir überlassen dieses Mal einfach alles der Polizei.«
Jasper widersprach ihm entschieden: »Natürlich gibt es Ermittlungen! Wie könnten wir nicht ermitteln, wo du doch schon wieder über eine Leiche gestolpert bist? Du hast Dieber doch gehört: Rein objektiv betrachtet bist du der Hauptverdächtige, denn Leichen pflastern deinen Weg. Wir müssen dich von diesem Verdacht reinwaschen.«
»Ach, die Masche zieht doch nicht mehr, Jasper. Niemand, der seine Sinne beisammenhat, würde mich für den Mörder halten. Die Tote lag schon monatelang unter dem Rasenschnitt. Und ich habe beim Fall des Bratenthermometermörders den Dorfbewohnern doch wohl hinlänglich bewiesen, dass ich zu den Guten gehöre.«
»Auch die Guten können zu Mördern werden. Es kommt nur auf das Motiv an«, orakelte Jasper.
»Wenn ich dir sage, dass ich dich für den Mörder halte, ermitteln wir dann?«, fragte Lucy und klimperte aufreizend mit den Wimpern.
Colin spürte, dass die Entscheidung seiner Freunde längst gefallen war und er gegen Windmühlen kämpfte. Er stöhnte ein letztes Mal theatralisch auf und ließ die Gabel sinken. »Also schön. Ermitteln wir ein bisschen. Aber wenn wir nicht weiterkommen, dann geben wir auf. Was haben wir bisher?«
»Hurra! Gute Entscheidung, mein Freund!«, rief Jasper und prostete ihm zu. »Wir haben einen Namen. Christine Humblebee. Und deine Beobachtungen am Tatort.«
Colin schüttelte sich bei der Erinnerung an die Hand, deren faulende Finger er für Wurzeln gehalten hatte.
»Das ist ein sehr ungewöhnlicher Name. Ich könnte im Internet recherchieren, ob ich etwas über sie herausfinde«, schlug Lucy vor.
»Das klingt gut«, antwortete Colin schnell. Wenn er wirklich wieder auf Mörderjagd gehen würde, wäre es das Beste, seine zarte Lucy sicher hinter einem Schreibtisch zu wissen.
»Colin, versuch dich genau zu erinnern. Gab es irgendetwas Auffälliges an der Toten?«, fragte Jasper und stieß seine Gabel in eine Bratkartoffel.
Sich genau zu erinnern, war so ziemlich das Letzte, was Colin wollte. Doch er tat Jasper den Gefallen. Nach einer Weile schüttelte er den Kopf. »Da war nichts. Ihre Finger waren braun und krumm. Ich habe sie für interessant geformte Wurzeln gehalten. Der Arm daran sah aus wie der einer Moorleiche. Den Bademantel hätte ich persönlich für Moos gehalten. Nur am Ärmelaufschlag habe ich erkannt, was es wirklich war. Und mehr habe ich auch nicht gesehen. Ehrlich, das hat auch schon gereicht.«
»Kein Ring? Keine Armbanduhr? Nichts?«, hakte Jasper nach und aß fleißig weiter, während Norma und Lucy sich bei Colins Worten angeekelt zurückgelehnt hatten.
»Mit welcher Hand hast du sie angefasst?«, wollte Lucy wissen.
»Verrate ich nicht.«
»Ich wette, es war die rechte. Streichele mich heute bitte nur noch mit links.«
»Das ist doch seltsam«, mischte sich Norma in das