Babaji - Botschaft vom Himalaya. Maria-Gabriele Wosien
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Ich hatte es schon gelernt, öffentlich und trotzdem ganz verhüllt das abendliche Bad zu nehmen, etwas, das sich frühmorgens im Schutze der Dunkelheit weniger umständlich gestaltet: denn zweimal täglich vor Sonnenauf- und -untergang zu baden, ist dem religiösen Inder Pflicht. Dabei spielt sich das Baden etwa so ab : Man entledigt sich sämtlicher Hüllen, bis auf den knöchellangen Unterrock, den man sich bis unter die Achseln zieht und dort festbindet. Dann lässt man den, um diese Tageszeit mit einiger Mühe erstandenen, Eimer am langen Seil in die Tiefe des Brunnenschachtes baumeln, vorsichtig, im Hinblick auf das wackelige Gleichgewicht. Die Bewohnerin des Brunnens, eine Riesenschildkröte, weicht dem Aufprall des Eimers geschickt aus, und das kostbare Nass wird langsam hochgehievt.
Inzwischen haben sich mehrere Frauen und eine Schar von Kindern aller Altersstufen am Brunnen versammelt, die das seltene Spektakel, wie sich eine weiße memsahib wäscht, kreischend und gestikulierend aus nächster (!) Nähe begaffen. Auch meine Seife findet großen Anklang. Am Tag vorher hatte ich die indischen Frauen - dezent aus einiger Entfernung - beobachtet, wie sie sich beim Bad am Fluss gegenseitig mit Bimsstein bearbeiteten. Das Wasser wird nun kübelweise übergeschüttet, und die Kleider werden umständlich gewechselt. Das Terrain um den Brunnen ist sehr glitschig geworden, und man muss aufpassen, wenn man ein Schlammbad vermeiden will.
Nach bestandener Prozedur flüchte ich schleunigst samt Eimer und gewaschener Wäsche durch eine Lücke im Zaun hintenherum in den Aschram; erst über einen Haufen von Blatttellern hinweg, die nach dem Mittagsmahl über den Zaun geworfen werden und die inzwischen von den vielen streunenden Hunden ganz reingeschleckt sind.
Gerade war ich mit dem Aufhängen der Wäsche fertig, als das Signal für die Rückkehr Babajis gegeben wurde. Wie elektrisiert strömen nun die wartenden Menschen aus allen Ecken des Tempelbezirks dem Eingang zu. Auch auf der Straße haben sich die Gläubigen versammelt. Und jeder will der erste sein, um dem als Gott verehrten Heiligen die Füße zu berühren oder auch den Saum seines Kleides, zumindest aber ihm ganz nahe zu sein. Babaji balanciert gerade auf dem schmalen Steg über dem Wassergraben, der außerhalb der Tempelmauer an der Dorfstraße entlang fließt. Jetzt tritt er durch das mit Palmenwedeln, Girlanden und Spruchbändern geschmückte Eingangstor; und schon sind ihm mehrere Blumenkränze übergehängt worden.
Viele sehen den legendenumwobenen Avatar (göttliche Inkarnation) zum ersten Mal: Er ist mittelgroß, hat ein junges, strahlendes, sympathisches Gesicht mit blitzenden, durchdringenden Augen und einen schelmischen Zug um den Mund. Scherzend droht er eben den Knirpsen, die sich ihm zwischen die Beine drängeln, mit seinem Stab und hat sich auf diese Weise für einen Augenblick den Weg gebahnt. Da sieht man ihn plötzlich ganz behende laufen: Im Nu ist er vor allen anderen mit fliegendem Gewand bei dem Podest angelangt, auf dem für ihn unter einem bunten Sonnenzelt ein erhöhter Sitz aufgebaut ist. Dort hat er sich niedergelassen, lässt die Beine herunterbaumeln, klatscht in die Hände und will sich ausschütten vor Lachen. Die List ist gelungen und die Kinder kreischen vor Vergnügen. Da verändert sich ganz plötzlich sein Gesicht und wird ernst, fast finster. Ein Ordner soll für Ruhe sorgen. Die Menge wird gebeten, sich zu setzen - Männer auf die eine, Frauen auf die andere Seite, dazwischen wird ein Gang freigehalten.
Babaji war schon wieder aufgestanden. Leichtfüßig schreitet er mit seinem Stab zur Mitte des offenen Zeltes, wo er die Kinder um sich versammelt. Er heißt sie sich hintereinander in Reihen hinsetzen und beginnt eine improvisierte Lektion: »Om. Namah Schi-way. Om. Na-ma-ha Schi-wa-ya. Om...« - »Ich ergebe mich Schiwa. Dein Wille geschehe, o Herr. Amen.« Babaji legt Wert auf deutliche Aussprache. Mit ihren hohen Stimmchen wiederholen die Kinder im Chor das Gebet, erst verworren, dann immer klarer und ganz rhythmisch. Die übermütigen Lausbuben von vorhin sind wie umgewandelt und erinnern an die Putten zu Füßen der Sixtinischen Madonna. Mit großen Augen blicken sie ehrfürchtig und etwas scheu auf die vor ihnen stehende hohe, leuchtende Gestalt mit dem Stab, gleich einem Engel des Herrn. Gut zehn Minuten dauert die Lektion, dann kehrt Babaji zu seinem Sitz zurück.
Inzwischen hat sich eine lange Schlange von wartenden Gläubigen gebildet. Oft kommen sie von weit her, um dem Heiligen aus dem Himalayagebirge ihre Ehrerbietung zu bezeugen und ihm ihre Gaben zu bringen. Jeder, der vor ihn tritt, verbeugt sich, indem er vor ihn niederkniet, dann seine Füße berührt, die mitgebrachten Gaben vor ihm ausbreitet und sich demütig wieder zurückzieht. Die tiefe Gläubigkeit und die bescheidene, ehrfürchtige Art, wie die Menschen sich dem verehrten Meister nähern, stimmen sehr feierlich. Manch einer hat auch ein Anliegen und bittet um Rat oder Hilfe. Den Bittsteller segnet Babaji mit erhobener Hand, oder er legt sie ihm leicht auf den Kopf und beugt sich freundlich zu ihm.
Die Blumengirlanden und vielen Früchte häufen sich auf dem Podest und werden nun unter die Anwesenden verteilt. Durch seine Berührung sind die Gaben mit seinem besonderen Segen angereichert und werden deshalb als Kostbarkeit geschätzt. Manchmal wird um dieses prasada auch gerauft, besonders dann, wenn Babaji von seinem Hochsitz aus die Früchte in die Menge wirft. Dabei gibt es dann immer mehr Hände als Gaben; trotzdem erfreut sich dieses Wurfspiel besonderer Beliebtheit.
»Was ist denn das für ein Heiliger, der sich so unseriös im Tempelbezirk aufführt«, hatte am Vormittag ein skeptischer Dorfbewohner bemängelt. »Er ist Bhole Baba«, hatte ihn ein Anhänger aufzuklären versucht, »er ist der Herr, der einfach, bhola ist, wie ein Kind. « Genau sind es 1008 Namen oder Masken des Gottes Schiwa, und Bhole Nath, der Herr Simplicissimus, ist nur eine seiner Verkörperungen.
Doch hinter dem kindlichen Gebaren verbirgt sich der feierliche Ernst dieser Erscheinung: Kaschi Vischwanatha Bhagawan ist der Titel, mit dem ihm seine Jünger huldigen - Kaschi ist der klassische Name für Benares, die heilige Stadt der Hindus und Sitz des wichtigsten Schiwa-Heiligtums; Vischwanatha Bhagawan, Herr des Universums, bezeichnet den eigentlichen Anspruch seiner Göttlichkeit.
Ganz plötzlich war die Dunkelheit hereingebrochen. Die bunten, dekorativen Glühlämpchen leuchten auf, und die Blumengirlanden schmücken jetzt den Thronsitz und die Zeltstangen. Babaji hatte sich unterdes in seine kuti, sein kleines Privatgemach, zurückgezogen. Die dichtgedrängte Menge der Gläubigen und Schaulustigen erwartet die Arati, den abendlichen Gottesdienst. Man hatte mit dem Kirtan begonnen, dem Chorsingen religiöser Hymnen, und mit dem Psalmodieren des Mantras Om Namah Schiway; dazu begleiten ein Harmonium, Trommeln und verschiedenartiges Schlagzeug. In den Zwischenpausen erhebt sich immer wieder das Stimmengewirr der Wartenden, Neuankömmlinge drängeln sich zu ihren Bekannten in den vorderen Reihen, ein schreiender Säugling wird über meinen Kopf hinweg seiner Mutter gereicht; dabei werde ich angestoßen und erwache aus meinem Nachsinnen.
Nun wird es wieder still. Babaji ist bereits auf seinem Sitz, die Beine hat er untergeschlagen, seine Hände liegen auf den Knien, den Kopf hält er leicht nach vorn geneigt, die Augen sind gesenkt. Die Arati beginnt.
Die Gottesverehrung bei Sonnenauf- und -untergang ist der feierlichste Teil des Tages. Der verehrten Gottheit, ob Bild, Statue oder lebendige Inkarnation, werden Feuer, Wasser, Weihrauch und Blumen dargebracht, begleitet von den religiösen Gesängen der Gläubigen. Das Feuer, als Symbol göttlicher Potenz, ist reinigende Kraft und in seiner Vollkommenheit Ebenbild des Erleuchteten; Wasser wird geopfert als Elixier des Lebens.
Während dieser Zeremonie bietet der als Avatar, als göttliche Inkarnation, verehrte Babaji den Anblick eines überirdischen Wesens. Ganz in Weiß gekleidet, scheint er fast über seinem Sitz zu schweben, so unkörperlich wirkt er durch die tiefe Stille, die er ausstrahlt. Seine geweiteten