100.000 km zwischen Anchorage, Neufundland, dem Pazifik und New Mexico - Teil 2. Erhard Heckmann
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Etabliert wurde die Stampede 1920, um die neue Stadt und die „Ankunft“ des Pacific Great Eastern Railways zu feiern. Chronisten berichten allerdings, dass es schon ein Jahr früher eine Stampede gegeben habe, als weder das Tal noch der neue Ort Straßen kannten. 1920 kamen aber alle, mit Wagen und Zelten, Weiße und Indianer um sich bei ihren täglichen Aufgaben im sportlichen Wettstreit zu messen und herauszufordern. Eine Arena gab es dafür noch nicht, aber ein ausgelassenes Tanzfest im Pinchbeck-Borland-Haus, nachdem alle Sieger ermittelt waren. Ein Jahr später hatte das neue Williams Lake bereits Formen angenommen, durch Hotels, Bars, eine Bank, Häuser und Schuppen. Danach wuchsen Ort und Cowboy-Sportspektakel weiter, bis der Zweite Weltkrieges dem sportlichen Ereignis eine Ruhepause aufzwang. Als es 1947 wieder eröffnet wurde, war auch die Zeit der lokalen Amateure vorbei. Die Stampede wurde, wie alle anderen großen Rodeos auch, zu einer hochprofessionellen Show mit Tribüne und Spitzenkönnern aus ganz Nordamerika. Nur die Tatsache, dass man genau wie damals einige Tage nicht zum Schlafen kommt, soll sich beim Rodeo nicht geändert haben. Andererseits funktionierte selbst in den 1950er Jahren in diesem Landstrich das Leben noch längst nicht so, wie anderswo in Kanada. So gaben die beiden Banken in der Stadt anlässlich des „October Cattle Sale“ an zwei verschiedenen Nächten jeweils eine Party, bei der um Schreibtische und Kassenschalter getanzt, und Drinks im Tresorraum gereicht worden sein sollen, denn beide waren hier auch schon ansässig, als 1919 die ersten Gebäude der neuen Stadt an der gegenüberliegenden Seeseite bei den Bahngleisen entstanden. Es waren zwar nur zwei kleine, mit Dachpappe gedeckte Holzhütten und weniger als zwanzig Quadratmetern, denn Geld für Besseres musste erst noch verdient werden. Aber auch das war anders als heute, denn die Kunden kamen nicht zur Bank, sondern „die Banker“ mussten oft meilenweit zu ihnen reiten, auch im Winter. Und wenn es um die Eröffnung einer neuen Zweigstelle ging, dann war es ähnlich wie heute, es las sich nur ein wenig anders, was Irene Stangoe in ihrem Buch „Cariboo-Chilcotin, Pioneer People and Places“ einem Bericht des damaligen Managers der Bank of Commerz in Williams Lake an seine Zentrale entnahm: „Die hohen Kosten, Miete für Büro, Pferd und Futter von monatlich 24 $, bei Pferdekauf 30 $ für Stallmiete und 60 $ pro Tonne Hafer, können anderweitig besser verwendet werden.“
Auch das 1920 erbaute „Log-Cabin-Hotel“, mit Lobby, Speisesalon und dreizehn Zimmern ein imponierender Bau, funktionierte noch etwas anders. Übernachtung und Essen hatten mit je 50 Cent den gleichen Preis, und das Wasser in der Badewanne war kalt. Warmes stand in der Zisterne hinter dem Lobbyofen zwar zur Verfügung, doch das musste sich der Gast auch selbst holen. Das große Feuer von 1921 überlebte es noch, doch als 44 Jahre später die Original-Holzbohlen einer Rundumrenovierung weichen mussten, ging mit ihnen auch ein ganzes Kapitel der alten Pionierzeit zu Ende. Williams Lake selbst, das seinen Namen vom Häuptling der Shuswap-Indianer erhielt und als Haltestelle auf dem Weg in die Goldfelder entstand, war aber endgültig etabliert, als der Great Pacific Eastern Railway 1919 diese Ansiedlung in seinen Schienenstrang einbezog. 1940 war der Ort bereits zum größten Rindertransportplatz der Provinz geworden, und runde 70 Jahre später wohnen hier 11.000 Einwohner die wissen, dass hier das Herz und der Lifestyle des Cariboo schlagen.
Weiter nördlich bleibt der Tourist ebenfalls auf geschichtsträchtigen Boden, denn zu Quesnel erinnert die „größte Goldpfanne der Welt“ an die einstige Aufbruchsstimmung, und in Barkerville sind es 125 Gebäude aus alten Zeiten, die zu einem ansehnlichen und lebendigem Museumsdorf zusammengefügt wurden. Als erster entdeckte hier 1862 Billy Barker das Gold im Williams Creek, doch lockte es auch Abenteurer aus aller Welt in diese Gegend, die für Jahrhunderte die Heimat der Carrier Indianer war und bereits französisch-kanadische Fallensteller und Pelztierjäger angezogen hatte. Auf dem Höhepunkt galt Barkerville zwar als der größte Ort nördlich von San Francisco und westlich Chicagos, doch damals war das eher ein Durcheinander aus Holzhütten, Zelten, Saloons und Läden. Als das Gold alle war, das gewonnene entsprach etwa 40 Millionen Dollar, blieben viele der Arbeiter in der Region, um für sich und ihre Familien eine neue Zukunft zu erarbeiten. Für den Tourismus wurde Barkerville, wie auch das 1864 erbaute Cottonwood House, ein Road House aus der Postkutschenzeit auf halbem Wege, sehr schön renoviert, und dort, wo Billy Barker sein Vermögen machte, verkörpern heute Schauspieler lebendigen Pionierboden und Goldgräberzeit. Der Name der Region wird eigentlich falsch geschrieben, denn er stammt von der Rentierart, die hier mit Tausenden ihrer Art lebten und Caribou genannt wird. Gleichfalls galt der Name auch nur für den Bereich, der sich nördlich von Quesnel-Forks befand, doch irgendwann bezog er sich auf das gesamte Gebiet, von Cache Creek bis nördlich von Quesnel, inklusive des ungeklärten Schreibfehlers.
Ehe der weiße Mann hier erschien, lebten etwa dreitausend Shuswap-Indianer friedvoll im Tal des Lake Columneetza (später Williams Lake) und folgten ihren Jahrhunderte alten Traditionen. Seine Jagdzüge dehnte dieser nomadisierende Zweig bis zum Fraser aus, lebte in Sommer in teepeeartigen Unterkünften aus Sumpfbinsen, im Winter in Erdhöhlen, den Keekwillies oder Pit-Houses. Als Fremde begegneten ihnen lange Zeit nur Pelzhändler und Jäger der Hudson’s Bay Company, die in den 1840er Jahren vom damaligen Fort Alexandria auszogen, um mit ihnen Handel zu treiben. Als jedoch 1859 gierige Weiße auf der Suche nach Gold über die Trails in die Cariboo Berge kamen, änderte sich das, und Chief Anahim von den Chilcotin Indianern plädierte bei einem Treffen aller Zweige am Lac La Hache im gleichen Jahr für Krieg gegen die Eindringlinge. Chief William hatte mit Pater Modeste Demers, der Anfang der Vierziger ins Tal gekommen war, jedoch keine schlechten Erfahrungen gemacht und überzeugte Häuptling Anahim, die Weißen