100.000 km zwischen Anchorage, Neufundland, dem Pazifik und New Mexico - Teil 2. Erhard Heckmann

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100.000 km zwischen Anchorage, Neufundland, dem Pazifik und New Mexico - Teil 2 - Erhard Heckmann

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auch nur einige Stunden oder wenige Tage ausreiten, bei geführten Trailritten aber auch mehrere Wochen unterwegs sein. Angesteuert wird dieser Landstrich über Williams Lake oder die Fähre in Bella Coola, die sich zu Port Hardy auf Vancouver Island auf den schönen Weg macht. Die großartige Natur und ihre Einsamkeit tun gut, denn in unserer hektischen Welt werden Frieden und Ruhe zu unserem größten Gut. Vielfalt ist ebenfalls gegeben, mit trockenen Landstrichen, Canyons, Wasserfällen, verschneiten Bergen oder temporärem Regenwald. Die Flüsse Bella Coola und Dean gelten als große Lachsgewässer, und die weißen Pelikane kommen alljährlich nach Anahim Lake, wie die Grizzlys im September zum Fischen an die Ufer des Atnarko Rivers. Schließlich ist da auch noch der „Tweedsmuir Park“ mit seinen bunten Regenbogenbergen.

      In Williams Lake biegen wir an der Kreuzung mit der „97“ auf die „20“ ab und begeben uns auf Neuland. Der blaue Himmel passt auch dazu, denn er schürt unsere Entdeckerfreuden und Neugierigkeit. Nach drei Kilometern sind wir bereits am Abbieger nach Dog Creek und der Gang Ranch – der Asphalt wird dort schon in Springhouse zu Schotter – und klettern weiter mit der „20“ aus Williams Lake heraus in höheres Gebiet, das sich mit Wäldern, Hügeln und Grasland zeigt, auf denen sich hier und dort Rinder und Pferde tummeln. Danach fällt der Blick linker Hand auf das Chimney Valley und, reichlich zwanzig Kilometer hinter der Stadtkreuzung, auf die schön gelegene Chilcotin Bridge, die uns auf das zwischen den Rockies und den gewaltigen Küstengebirgen liegende Chilcotin Hochland hinüberbringt. Die große stählerne Bogenkonstruktion, die die Fahrbahn der fotogenen Brücke trägt und an gleicher Stelle 1961 das Original der Sheep Creek Bridge von 1904 ablöste, setzt dabei gleichzeitig über das steinige Bett des Fraser Rivers hinweg, der sich hier seinen Weg durch leicht bewaldete Hügel sucht. Die rechts und links neben der ansteigenden Straße vorbeiziehenden Hügel, die dringend auf Regen warten, begleiten uns zum natürlichen Grasland der „Beachers Prairie, die oben am Berg beginnt, weiter westlich dem Wald mehr Platz einräumt und zu Riske Creek endet. Auf diesem Plateau wachsen Salbei, Ried- Quecken- und Weizengras, Feigendisteln und ähnlich Unbekanntes. Sie gibt auch Vögeln und Säugern, darunter Adler und Dickhornschafen, eine Heimat. Ehe man diesen Ort erreicht erscheint in der Ferne der „Canadian Coast Guard Tower“. Obwohl weit weg von der Küste, ist sein Name dennoch Programm, denn der Turm gehört zum Navigationssystem der Schiffe und Tanker, die entlang der Küste von British Columbia von Alaska nach Seattle unterwegs sind. Mit einer Reichweite von viertausend Kilometern hilft er die Schiffspositionen zu errechnen, um bei Notfällen zielgenaue Daten zur Verfügung zu haben. Der erste Ort an der Straße, Riske Creek, verdankt seinen Namen L.W. Riske, der 1859 in der Nähe des Creeks als einer der ersten im Chilcotin siedelte. Wichtig sind hier eigentlich nur der „Store“, der die Gegend mit Waren aller Art versorgt, und die kurz dahinter nach links abbiegende „Chilcotin South Forest Road“. Die unkomfortable Schotterstraße, auf der sich an trockenen Tagen Fahrzeuge aus der Gegenrichtung durch riesige Staubwolken schon meilenweit vorher ankündigen, führt durch Grasland und zunächst zum Farwell Canyon und dem Chilcotin River. In der Verlängerung lassen sich auch die Gang Ranch, Dog Creek oder verschiedenen Destinationen an der südlichen „97“ erreichen, doch je weiter der Weg, desto ruppiger die Piste. Canyon und Fluss haben wir auch auf dem Programm, doch erst auf dem „Heimweg“, denn jetzt wartet erst ein Trailritt als fester Termin.

      Zum Chilcotin gehört auch unbedingt die Geschichte von „Bechers House“. Obwohl es seit der teilweisen Neuausrichtung des Highways 1945 abseits liegen würde, macht seine Story von dem fröhlichen Geist, der einst dort herrschte, nach wie vor die Runde, denn mit 22 Zimmern, Laden und Bar war es in der alten, großen Zeit der Dreh- und Angelpunkt in diesem Landstrich. Fred Becher hatte zwei Hotels am Riske Creek erbaut, das erste freiwillig, das zweite notgedrungen. Und jedes Jahr, im Frühjahr und Herbst, gab es zwei begehrte Tanzfeste. Und wer dabei im Haus keinen Platz fand, der campte unter freiem Himmel. Einige warteten hier auch nur auf die Post, die Tommy Hodgsons Vierpferde-Gespann an bestimmten Tagen am Rasthaus ablud, andere hofften darauf, eine Einladung zu Frau Bechers „Teatime“ im Garten zu erhalten, wenn das Getränk im eleganten Silberservice gereicht wurde. Becher kam als sehr junger Bursche aus England, verdingte sich anfangs bei der Hudson’s Bay Company und transportierte später Fracht von Soda Creek nach Hanceville. Das Land, das er kaufte und 1892 mit Hotel, Bar, Laden und Poststelle bebaute, wurde als „Bechers Place“ bekannt, und in einer Zeit der Frachtwagen und Viehtriebe zu einer der wichtigsten Einkehr- und Übernachtungsmöglichkeiten für jene, die im Chilcotin unterwegs waren. Der „Saloon“, der einzige zwischen 150 Mile House und Hanceville, tat sein Übriges. Ein Likör kostete 15, zwei 25 Cent, ein Bett oder eine Mahlzeit jeweils einen halben Dollar. Das Geschäft florierte, und die zweihundert Rinder und dreihundert Schafe trugen ihren Anteil dazu bei. Becher besaß auch einige gute Pferde, die beim alljährlichen Drei-Tage-Rennmeeting auf Bechers Prairie gesattelt wurden. Zwanzig fanden in seinem Stall Platz, und ihre Namen waren in das Holz eingebrannt. 1912 erhielt sein Hotel das erste Telefon im Chilcotin, ein Jahr später auch das erste Auto. Der Cadillac war jedoch kein Statussymbol, sondern fungierte zwischen Hanceville und dem 150 Mile House als Personentaxi. Als das Hotel am 15.1.1915 restlos abbrannte, baute Becher mit dem Holz aus seinem eigenen Sägewerk zwar ein neues, doch wirklich erholen konnte er sich nie wieder. Als ein neues Verbot die Alkohollizenzen einzog und Eisenbahn und Automobile die Reisezeit verkürzten und Übernachtungen überflüssig machten, war der Kampf endgültig verloren. Im April 1936 starb Becher in seinem Heim und fand auf einem nahen Hügel seine letzte Ruhe. Seine Frau ging einige Jahre später zurück nach England und verstarb dort 1957. Das berühmte „Bechers Haus“ ging durch mehrere Hände, wurde renoviert, letztendlich aber verlassen, denn nach der Straßenkorrektur kümmerte der einst so stolze Platz nur noch vor sich hin. Als ein Erbe 1981 die Reste abriss, starb auch der letzte Glanz an eine einst stolze Zeit. In jener hatten zwanzig Stufen von den Speiseräumen hinauf in die achtzehn Zimmer geführt, die in grün, rosa und blau ausgelegt waren und durch Ofenrohre beheizt wurden, die aus den unteren Räumen in die oberen zogen.

      Und die wundervollen Messingbetten waren ähnlich berühmt, wie die Mitternachtsdinner in den 1920er Jahren. Bechers Hotel muss damals eine großartige Einkehr gewesen sein, und seine Besitzer ebensolche Menschen. Vielleicht gibt es deswegen auch heute noch Einheimische, die die alten Pfade noch kennen und Interessierten jenen Platz mit der glanzvollen Vergangenheit noch zeigen können. Gereizt hätte mich das zwar auch, doch unsere Fahrt geht weiter durch das Hochland bis ein kleiner malerischer Bach gegen Mittag einen idyllischen Frühstücksplatz für unser „Zweites“ signalisiert. Die schnelle Lösung am frühen Morgen kennt in der Regel nur ein „Ohne-Alles-Croissant“, frisch aus dem On-Bord-Backofen, und eine Tasse schwarzen Kaffee, während das zweite Frühstück, das grundsätzlich das Mittagessen ersetzt und auch erst gegen Nachmittag fällig sein kann, nach englischer Art ausfällt, mit Eiern, Schinkenspeck, Würstchen, Paprika, Zwiebeln, Tomaten, Brot und Kaffee. Und, gewissermaßen als Nachtisch, noch ein oder zwei der großen runden Kekse mit den dicken Schokoladensplittern, die inzwischen auch in der Heimat zu haben sind.

      Auf den folgenden 130 Kilometern rollen wir durch die Ortschaften Hanceville, Alexis Creek und das Indianerreservat Redstone. Hanceville, das in einem lieblichen Tal liegt, entlieh seinen Namen von dem Amerikaner Tom Hance, der zum Goldrausch zu spät kam und in den 1870er Jahren in der heutigen Ortschaft Schmiede, Post und Laden eröffnete. Seine Waren wurden mit Pferde-, Maultier- oder Ochsengespannen aus dem 650 Kilometer entfernten Yale angeliefert. Als Ashcroft zum südlichsten Terminus der Wagenstraße wurde, war der Weg etwas kürzer, die Schinderei für die Zugtiere blieb aber die gleiche. Hanceville hatte aber noch einen anderen Pionier, Norman Lee. Er gehörte zu den ersten Ranchern in dieser Gegend, und als der Goldrausch begann vermutete er ein gutes Geschäft. Mit 200 seiner Rinder machte er sich 1898 auf den 2.400 Kilometer langen Marsch nach Dawson City, um den Goldsuchern Fleisch anzubieten. Zu Beginn folgte Lee der alten „Collins Overland Telegraphenlinie“ zum Telegraph Creek, im 21. Jahrhundert ein Ort im schönen Stikine Grand Canyon, der über einen Abzweig vom „Cassiar Highway“ erreicht wird. Als der Farmer seine Rinder nach Norden trieb, gab es weder Straßen noch Wege, nur unendliche, unberührte Wildnis. Bis Hazelton, in der Kitwanga-Region, hielten sich seine Verluste noch in Grenzen, doch als die Herde am 7.9.1898 den Telegraph Creek erreichte, hatten ihn bereits viele seiner Männer verlassen, es fehlte an Gras, die Rinder waren abgemagert,

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