Fidel Castro inkl. Hörbuch. Elke Bader

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Fidel Castro inkl. Hörbuch - Elke Bader

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gerade zu Ende gegangen, im zerstörten Berlin wehte die rote Flagge der Sowjetunion über den Ruinen des Reichstags. Im August 1945 hatten US-amerikanische Atombomben die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki in Schutt und Asche gelegt, Japan kapitulierte. Der „heiße“ Krieg war zu Ende. Dafür standen sich bereits zwei Jahre später die beiden Supermächte USA und Sowjetunion fortan als unerbittliche Feinde gegenüber. Kapitalismus gegen Kommunismus. Ein Wettrüsten im Schatten der Atombombe begann. Propagandaschlachten tobten zwischen den beiden Blöcken. Und der heiße Krieg hatte sich auf die Gebiete der Dritten Welt verlagert.

      In jener Zeit drehte sich das Präsidenten-Karussell auf Kuba laufend mit Hilfe US-amerikanischer Interventionen. Wer es zu Reichtum bringen wollte, machte sich zum Dienstleister der amerikanischen wie kubanischen Oligarchen, um mit ihrer Unterstützung den begehrten Posten ergattern zu können.

      1944 hatte der bereits 1933 schon einmal kurzzeitig als Präsident amtierende Ramón Grau San Martín, von Beruf Physiologie-Professor, die Wahlen gewonnen – gegen den Batista-Kandidaten. Der vom Volk geschätzte Grau war mit der „Partido Revolucionario Cubano“, der „Revolutionären Partei Kubas“ angetreten. Die Partei und ihre Anhänger nannten sich auch „Auténticos“, die Authentischen, in Anlehnung an den Freiheitskämpfer José Martí. Ganz in dessen Geiste, war Grau vor vier Jahren noch die treibende Kraft hinter der gemeinsam mit Batista erarbeiteten fortschrittlichen Verfassung von 1940 gewesen. Doch nun nahm er auf dem Präsidentensessel Platz, auf dem vorher Batista gesessen hatte und dies bedeutete, mit einer von seinem Vorgänger leergeräumten Staatskasse regieren zu müssen. Unter dem Deckmantel der Ideale Martís, agierte auch die Regierung Grau bald korrupt und erging sich in fragwürdigen Spekulationen. Und nicht nur dies. Sie machte sich auch früh schon zum Handlanger jenes Ungeistes der US-amerikanischen „McCarthy-Ära“63, als deren hysterischer Kommunistenhass nach Kuba herüberschwappte. Gewaltsame Übergriffe der Polizei waren an der Tagesordnung.

      „Hier in Kuba wurden unter der Regierung des Professors für Physiologie rechtschaffende kommunistische Arbeiterführer brutal ermordet...64 erinnert sich Castro rückblickend im Gespräch mit dem Journalisten Ignacio Ramonet.

      Vergleichbar mit den Jahren der 68er-Bewegung in Westeuropa und in den USA, war die Universität damals die Arena, in der die ideologischen Grabenkämpfe zwischen radikal progressiven Bestrebungen und traditionell konservativen Überzeugungen ausgetragen wurden. Absolutheitsansprüche auf der einen, erstarrte autoritäre Strukturen auf der anderen Seite verhärteten die Fronten. Es herrschten Chaos und anarchistische Zustände. Nur mit dem Unterschied, dass an der Universität von Havanna mit Waffen, Drohungen, Intrigen, Verrat und Morden gekämpft wurde. Gangsterbanden terrorisierten den Campus. Am Ende ging es um Kontrolle und Macht, weniger um den Wissenschaftsbetrieb. Den jeweils aussichtsreichsten Studentenführern wurden seitens der Regierung Posten angeboten, sie erhielten Privilegien oder Stipendien. Sie sich gewogen zu machen, hieß sich die Macht durch den rebellischen Nachwuchs zu sichern.

      Die Universität wurde zu Castros politischer Lehranstalt. Er begab sich mitten hinein in das Auge des Taifuns. Und kaum auf dem Campus, strebte er auch schon danach, der Führer des Studentenverbandes zu werden. Der redegewandte, stets elegant gekleidete Bauernsohn fiel auf. Sein damaliger Kommilitone Alfredo Guevara erinnerte sich an ihre erste Begegnung: „Da kam dieser Castro daher, umwerfend herausgeputzt in seinem schwarzen Abendanzug, gut aussehend, selbstsicher, aggressiv und offensichtlich eine Führerpersönlichkeit. […] ich sah ihn als politische Bedrohung.“65

      Bald bemühten sich zwei der einflussreichsten politischen Lager um ihn, der MSR66 – „die sozialistische revolutionäre Bewegung“ – und der UIR67, die „aufständische revolutionäre Union“. Doch was hier nach weltverbessernden Vordenkern in organisierten Studentengremien klingt, war nichts anderes als zwei rivalisierende Gangsterbanden. Pistoleros, die schneller mit der Waffe waren als mit dem Mundwerk. Der redegewandte Castro lavierte zwischen den beiden Banden hin und her, nicht bereit, sich einem der Lager zu verschreiben. Als er bei den Wahlen für die Präsidentschaft des Studentenverbandes gegen den Regierungskandidaten antrat, zog dies den Zorn der Gangster auf sich. Unmissverständlich machten sie ihm klar, dass er, da er ja partout den Mund nicht halten wolle, von der Universität verschwinden müsse. Andernfalls mache er schmerzhafte Bekanntschaft mit ihren Schlägern.

      „Die Mafia dominierte die Universität. Ich hatte es mit allen Mächten zu tun […] Sie waren bewaffnet und bereit mich zu töten. Sie besaßen die Unterstützung der Polizei und der korrupten Regierung Grau. Sie setzten es durch, dass ich die Universität nicht mehr betreten durfte. Der Augenblick der Entscheidung war gekommen. Der Konflikt traf mich mit der Wucht eines Orkans. Allein am Strand, vor mir nur das Meer, dachte ich über meine Lage nach. Ich weinte bitterlich. Ich lief Gefahr […] getötet zu werden. Es war Tollkühnheit […] an die Universität zurückzukehren. Aber wenn ich nicht ginge, dann würde das bedeuten, mich den Drohungen zu beugen, vor den brutalen Kerlen zu kapitulieren und meine eigenen Ziele und Ideale aufzugeben. Ich entschloss mich zurückzukehren, und ich kehrte zurück ... mit der Waffe in der Hand“68, erinnert sich Fidel Castro. Die Pistole, eine Browning, besorgte ihm ein Freund. Er ließ sich nicht vom Campus vertreiben, doch betrat er ihn nur noch in Begleitung seiner Freunde, die auch zugleich seine Leibwächter waren. Rückblickend empfand Castro die Jahre an der Universität übrigens noch viel gefährlicher als jene des Kampfes gegen die Batista-Diktatur in der Sierra Maestra Ende der Fünfzigerjahre. „Ich war der Don Quijote der Universität, immer Pistolen und Kugeln um mich herum. Was ich an der Universität aushalten musste, wiegt schwerer als die Zeit in der Sierra Maestra.“69

      In einem solchen von Gewalt und Terror beherrschten Umfeld war für Demokratie kein Platz. Es war die archaische Macht des Stärkeren, mit der man sich entweder zu behaupten wusste - oder unterging. Auch Fidel Castro sah sich gerne als Mann der Tat. Statt sich seinem Studium zu widmen, ließ er sich 1947 von der karibischen Legion als Söldner anheuern, in deren Stab angeblich auch der auf Kuba lebende Schriftsteller Ernest Hemingway gewesen sein soll. Ihr ambitioniertes Ziel: gleich zwei Diktatoren zu stürzen. Und zwar den Nicaraguas, General Somoza70, und jenen der Dominikanischen Republik, General Trujillo71, gleich mit. Über Somoza hatte sich auch der ehemalige amerikanische Botschafter auf Kuba, Sumner Welles, bei Präsident Franklin D. Roosevelt entsetzt ausgelassen:

      „Somoza ist doch ein Hurensohn!

      Roosevelt antwortete kurz:

       „Aber er ist unser Hurensohn!“72

      Eine wahrhaft treffende Aussage über den Opportunismus der amerikanischen Außenpolitik, die aus lauter Angst vor Radikalisierung lieber Tyrannen unterstützte.

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      Der 32. US-amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt (1882-1945) Quelle: U.S. National Archives and Records Administration

      Nach zwei Monaten Guerillatraining starteten die Abenteurer der karibischen Legion auf einem Boot Richtung Dominikanische Republik. Doch die Aktion scheiterte, das Boot wurde vor der Nordostküste Kubas von der kubanischen Marine geentert. Castro gelang in letzter Minute der rettende Sprung von Bord – mit einem gestohlenen Rettungsboot schaffte er es bis kurz vor die Küste. Doch dann musste er die restlichen 300 Meter vollends durch die Bucht von Nipe schwimmen, in der es vor gefährlichen Bullenhaien und angriffslustigen Barrakudas nur so wimmelte.

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      Blick über die Bucht von Nipe. Bildquelle: Christa Schmalzried, Elke Bader

      Hier erwies sich bereits sein legendäres Glück: Der gut durchtrainierte Sportler schwamm um sein Leben, angespannt jeden Schatten

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