Fidel Castro inkl. Hörbuch. Elke Bader
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Charles Schreyvogel (1861-1912), My Bunkie, 1899, Öl auf Leinwand. Metropolitan Museum New York. Das Gemälde ist eine Hommage an Theodore Roosevelts Rough Riders, die im Juli 1898 in der Schlacht von Santiago de Cuba auf dem Hügel San Juan die entscheidende Wendung im Spanisch-Amerikanischen Krieg herbeiführten. Bildquelle: Elke Bader
1899 zogen die Spanier ab. Doch nicht die kubanische Flagge wehte von nun an über Kuba, sondern das US-amerikanische Sternenbanner. Künftig unterstanden die Kubaner wirtschaftlich, politisch und militärisch den USA41. Damals wurde auch Guantánamo, jener berüchtigte Militärstützpunkt der US Navy, errichtet. Auf dem über einhundert Quadratkilometer großen Gebiet, das die USA sich bis heute, in einer Art Coup völkerrechtswidrig angeeignet haben42, wird auch jenes umstrittene Gefangenenlager aufrecht erhalten, das Präsident Obama bei seinem Amtsantritt 2009 eigentlich hatte schließen wollen.
Das Problem bis heute ist nur, dass weder die USA noch andere Länder Bereitschaft zeigten, aufgrund des Sicherheitsrisikos auch die schwierigen Fälle bei sich aufzunehmen.43
Mit den geschlagenen Spaniern musste damals auch Ángel Castro zurückkehren in seine Heimat, wo ihn außer Elend nichts erwartete. Darum wollte er, wie viele seiner Kameraden, zurück nach Kuba. Auch wenn Kuba durch den Krieg schwer gelitten hatte, die Toten in die Tausende gingen und große Landstriche der Insel verwüstet und abgebrannt waren: Diese grüne Antilleninsel mit ihrer Wärme, ihrer Lebensfreude, den tropischen Wäldern, dem türkisfarbenen Meer war allemal verlockender als das windumtoste, feuchtkalte Galicien mit seiner rauen Landschaft und den verfallenden Dörfern. Auf Kuba sprossen riesige amerikanische Plantagen wie Pilze aus dem Boden. Die Insel versprach eine einträgliche Zukunft, Spanien dagegen hatte ihm keine zu bieten. Darum kehrte der Kavallerie-Quartiermeister a.D. zurück nach Havanna, sobald er als Tagelöhner das Geld für die teure Seereise zusammengekratzt hatte.
Der Analphabet Ángel Castro, der sich später Lesen und Schreiben selbst beibrachte, war ein Mann von starker Willenskraft, Disziplin, „enormem Tatendrang und er war ein geborenes Organisationstalent“44, wie sein Sohn Fidel ihn später beschrieb. Den Verlockungen Havannas widerstand er bald und zog weiter in Kubas wilden Osten, die Provinz Oriente. Sie galt als rückständig, aber nun legten U.S.-amerikanische Investoren riesige Plantagen an und holzten ganze Regenwälder ab, um das Tropenholz als Brennstoff in ihren Zuckerfabriken zu verheizen. Bald fand er Arbeit, erst in einer Nickelmine, dann bei der berüchtigten United Fruit Company – heute besser bekannt unter dem Namen „Chiquita“ - jenem Bostoner Riesenkonzern, der sich wie eine Krake über Lateinamerika ausdehnte und ganze Landstriche rodete, um Zuckerraffinerien, Eisenbahnstrecken und Straßen zu bauen. Erfüllungsgehilfe der multinationalen Interessen war der U.S.-amerikanische Staat45. Noch heute rumpeln, quietschen und pfeifen Dampfeisenbahnen quer durch das Land. Vor allem in der Zeit der Zuckerrohrernte, zwischen Januar und Juni, haben diese von Technikern sorgfältig gewarteten stählernen Veteranen Hochbetrieb.
Eine der Dampfeisenbahnen, die für die Zuckerrohrernte eingesetzt wurde. Heute ein Museumsstück in Havanna. Bildquelle: Christa Schmalzried, Elke Bader
Ángel Castro arbeitete hart. Die politischen Hintergründe tangierten ihn wenig. Er musste Geld verdienen. Neben seiner Arbeit als Angestellter der Eisenbahngesellschaft, die zur United Fruit Company gehörte, verkaufte er als fliegender Händler Getränke und unterhielt einen kleinen Laden. Schließlich hatte er so viel Geld gespart, dass er von seinem Arbeitgeber ein kleines Stück Wald kaufen konnte. Wald und Gestrüpp rodete er eigenhändig und baute seine Farm auf, die „Hacienda Mañacas“. Nach und nach pachtete und erwarb er mehr Land, bis die Farm schließlich auf stolze 800 Hektar eigenes und 10.000 Hektar gepachtetes Land angewachsen war, für die er zur Erntezeit des Zuckerrohrs bis zu 1000 Landarbeiter aus der Region beschäftigte46. „Endlos und eintönig“47 erstreckten sich die Zuckerrohrfelder über den Horizont hinaus.
Die Farm lag in der Nähe des Dorfes Birán, dreißig Kilometer landeinwärts von der nördlichen Küste Kubas, hundert Kilometer entfernt von Santiago de Cuba.
Das Elternhaus der Castros in Birán. Bildquelle: Christa Schmalzried, Elke Bader
Das Wohnhaus war auf für Galicien typischen, hohen Holzpfählen errichtet worden. Unter ihm tummelten sich Kühe, Hühner, Schafe, Enten und Truthähne.
„Ich wurde auf einem Gutshof geboren. Im nördlichen Zentrum der alten Provinz Oriente, nicht weit entfernt von der Nipe-Bucht, nahe der Zuckerfabrik von Marcané. Der Ort hieß Birán. Es war kein Dorf, nicht einmal ein kleines Dorf, nur ein paar vereinzelte Häuser standen dort. Das Haus meiner Familie lag am Rand des alten Camino Real. So nannten sie den Pfad aus Schlamm und Erde, der vom Hauptort der Gemeinde in den Süden führte“48, erinnert sich Fidel Castro.
Das Wohnzimmer der Castros in Birán. Bildquelle: Christa Schmalzried, Elke Bader
In unmittelbarer Nähe des Wohnhauses entstand auch eine Poststation, ein Laden, eine Molkerei, ein Schlachthof, eine Bäckerei, ja sogar ein Hahnenkampfplatz. Dies alles gehörte Ángel Castro. Er hatte es zu beachtlichem Reichtum gebracht.
Der Hahnenkampfplatz der Familie Castro in Birán. Fidel Castro verbot später Hahnenkämpfe. Bildquelle: Christa Schmalzried, Elke Bader
Die Castros besitzen eine eigene Begräbnisstätte in Birán. In der Mitte sind die Urnen der Eltern, links Ángel Castro Ruz, rechts Lina Ruz González, beigesetzt, im Hintergrund, die der Großeltern und Geschwister. Wer noch nicht verstorben ist, hat dennoch bereits seinen Platz. Für Raúl und Fidel Castro jedoch ist im Familiengrab kein Platz vorgesehen. Bildquelle: Christa Schmalzried, Elke Bader
„Wenn Sie alles zusammennehmen, die eigenen und die gepachteten Flächen, dann hatte mein Vater nicht weniger als 11000 Hektar Land. ..... Ich gehörte unter diesen Umständen zu einer Familie, die mehr als nur leicht vermögend war. Sie war nach damaligen Maßstäben ziemlich reich.“49
Ángel Castro herrschte wie ein Häuptling über seine Angestellten. Der kräftige und baumlange Mann war die unumstößliche Autorität des Hauses, ein stattlicher galicischer Patron. Fidel Castro erbte nicht nur seine Statur, sondern auch seinen Jähzorn, seine gefürchteten Wutanfälle und seine Reizbarkeit. Doch auch dessen zähe Willenskraft, seine Durchsetzungsfähigkeit und Unbeirrbarkeit. 1911 hatte der Patron die einundzwanzigjährige kubanische Grundschullehrerin María Luisa Argota Reyes geheiratet und fünf Kinder mit ihr gezeugt. Nur zwei davon überlebten, Pedro Emilio und Lidia.
Eine Schwachstelle in Ángel Castros Gefühlsleben war wohl seine Vorliebe für jenes junge, schöne Mädchen, das eines Tages für eine Arbeitsstelle auf der Finca anheuerte. Sie war mit ihrer Familie vor einigen Jahren aus dem Westen Kubas gekommen, aus der Provinz Pinar del Río, in der Hoffnung, das Leben ließe sich im Osten leichter bewerkstelligen.
Lina Ruz González als junge Frau, Birán. Bildquelle: Christa Schmalzried, Elke Bader