Fidel Castro inkl. Hörbuch. Elke Bader
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Vergessen war die Verfassung von 1940, weder Batista noch seinen Geldgebern stand der Sinn nach Reformen sondern nach Reichtum. Hemmungslos füllten sie ihre eigenen Taschen. Kuba verkam zum Sündenbabel, Mädchen aus den Armenvierteln dienten sich für ein paar Dollar Touristen an. Besonders US-Amerikanern bot das freizügig erotische Angebot eine willkommene Abwechslung zur puritanischen Prüderie im eigenen Land. Diese Spaßgesellschaft schien es nicht zu stören, dass sie vergnügt auf den Trümmern der kubanischen Demokratie und ihrer gescheiterten Reformversuche tanzte, während ihre Gastgeber unter das Joch der Diktatur gezwungen wurden.
Fidel Castro beschrieb die damalige Zeit als Jurastudent an der Universität: „Es war eine Atmosphäre aus Macht, Furcht und Waffen“15
Kapitel 3
Der geistige Enkel José Martís16
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Er wagte trotzdem den Aufstand: Er war vierundzwanzig Jahre alt und seit 1950 promovierter Anwalt. Und dies gleich in drei Fächern: in Jura, Sozialwissenschaften und Internationalem Recht.17 Zunächst hatte er versucht, die Machenschaften Batistas auf legalem Weg anzuprangern. Er erhob Klage beim Obersten Gericht. Unterstützung erhielt er von den Anführern der beiden Oppositionsparteien, den „Auténticos“ und den „Ortodoxos“18, die wohl die Wahl damals gewonnen hätten. Er scheiterte mit seiner Klage. Die Richter lehnten den Antrag ab. Jetzt brauchte Fidel Castro dringend verlässliche Freunde, nicht nur zu seiner moralischen Unterstützung, sondern auch als Leibwächter.
Aufgeben würde er niemals! Stattdessen suchte er den bewaffneten Kampf gegen den Diktator. Nach alter kubanischer Tradition war er auch bereit, sein Leben für die Freiheit zu geben.
„Patria o Muerte, venceremos!“
„Vaterland oder Tod. Wir werden gewinnen!“
José Martí, Kubas Nationalheld. Die Statue aus Carrara-Marmor von José Vilalta y Saavedra wurde 1905 von General Máximo Gómez im Parque Central von Havanna eingeweiht. Bildquelle: Christa Schmalzried, Elke Bader
Sein großes Vorbild war José Martí, Kubas Nationalheld, Dichter, Essayist und Freiheitskämpfer. Der 1853 als Sohn spanischer Einwanderer in Havanna geborene José Martí hatte das Unabhängigkeitsstreben Kubas von der spanischen Kolonialherrschaft unterstützt, in flammenden Essays und Versen gegen die soziale Ungerechtigkeit und die koloniale Sklavenhaltergesellschaft gekämpft und sich für die Gleichheit der Rassen und Geschlechter eingesetzt. Er plädierte dafür, eine diversifizierte Landwirtschaft zu betreiben, anstatt sich weiterhin auf das „Weiße Gold“, die Monokultur des Zuckerrohrs zu verlassen. Bereits damals hatte er hellsichtig vor einer Vorherrschaft der USA in der Karibik und in Lateinamerika gewarnt. Sein Traum war ein freies Kuba gewesen, „Cuba libre“. Nach langen Jahren im Exil, konnte er endlich nach Kuba zurückkehren und gründete 1893 die erste „Revolutionäre Partei Kubas“. Später sollten sich auch die „Auténticos“, die Authentischen, nach ihr benennen. Als einer der ersten fiel José Martí in den Kämpfen um die Unabhängigkeit Kubas 1895. Im schwarzen Jackett, seinem Markenzeichen, und auf einem weißen Pferd war er mitten hinein in die feindlichen spanischen Linien geritten. Heute blickt der in Stein verewigte, achtzehn Meter große Apostel der kubanischen Freiheitsbewegung von seinem Sockel vor einem gewaltigen, einhundert Meter hohen Obelisken auf der Plaza de la Revolución in Havanna auf sein geliebtes Kuba.
Obelisk auf der Plaza de la Revolución in Havanna, grauer Marmor von der Isla de la Juventud. Bildquelle: Christa Schmalzried, Elke Bader
Statue José Martís aus weissem Marmor, Bildquelle: Christa Schmalzried, Elke Bader
Es war allerdings nicht Fidel Castro, der das Monument erbauen ließ, sondern ausgerechnet sein Erzfeind Fulgencio Batista.
Guantanamera
Ich bin ein Mensch, aufrecht und wahr,
Und komme von da, wo Palmen wachsen;
Doch ehe der Tod mich verstummen lässt,
singe ich meine Verse aus ganzer Seele.
Mein Vers ist von hellem Grün
Und von einem leuchtenden Rot,
mein Lied ist wie ein verwundeter Hirsch,
der Zuflucht sucht in den Bergen.
Mit den Ärmsten der Erde
will ich mein Los teilen.
Der Wildbach der Berge
lockt mich mehr als das Meer.19
Der Musiker Joseíto Fernández sang diese Verse von José Martí auf eine von ihm komponierte Melodie, die er Guantanamera taufte. Als das Lied in den 1960er Jahren in die USA gelangte, nahm Pete Seeger es auf. Das Lied gehört noch heute zu den bekanntesten lateinamerikanischen Songs und ist die heimliche Nationalhymne Kubas. Tantiemen erhielt der wahre Urheber allerdings nie dafür.
Fidel Castro gehörte damals der Orthodoxen Partei an – den Ortodoxos – und war ihr sogar als eines der ersten Mitglieder beigetreten. 1947 war sie von dem charismatischen Politiker und Rundfunkagitator Eduardo Chibás als Protestpartei gegen Korruption und Mafiaverbindungen gegründet worden. Ihre Ausrichtung war idealistisch revolutionär, sozial und reformorientiert. Man bekannte sich zu den Grundsätzen José Martís und war im Übrigen – insbesondere unter Chibás – auch antikommunistisch. Chibás gab über Jahre hinweg jeden Sonntagabend landesweit in einer populären Radiosendung den Moralisten mit der mahnenden Stimme. Er nahm kein Blatt vor den Mund, wenn er jeweils die Machenschaften der Regierung anprangerte. Im August 1951 hatte er die Aufdeckung eines riesigen Korruptionsskandals für die nächste Radiosendung angekündigt. Doch am Ende konnte er die Beweise nicht erbringen. Er glaubte sich noch auf Sendung, als er sich mit den Worten „Du, kubanisches Volk, erwache“ mit einer Pistole in Bauch und Rückgrat schoss. Tage später erlag er seinen Verletzungen.20
Die Männer, die Fidel Castro für die Rebellion rekrutierte, stammten vor allem aus den Reihen eben dieser „Ortodoxos“. Sie waren, wie er, bereit, mit Waffen gegen die Diktatur vorzugehen. Es waren aber auch einige organisierte Studenten und Kommunisten unter den Männern, zu denen auch Fidel Castros