Schwarze Krähen - Boten des Todes. Carolina Dorn
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„Christin, was hast du denn? Du wirst uns doch nicht krank werden?“, stellte sie besorgt fest. „Na, ein Wunder wäre es nicht. Tag und Nacht bist du bei Brandon. Du musst auch einmal eine Pause einlegen.“
Die Haushälterin ergriff die Hände der Schwester und führte sie zu einem Stuhl. „So, hier setz dich.“ „Doreen“, begann Christin mit schwankender Stimme. „Ich würde gern drei bis vier Tage ins Kloster gehen. Aber ich habe Angst, dass es ihm während meiner Abwesenheit wieder schlechter gehen könnte“, äußerte sie ihren Wunsch.
„Ach, Christin! Richard und ich sind doch auch noch da. Gehe ruhig die paar Tage ins Kloster und tanke wieder Kraft. Ich weiß, wie schwer deine Arbeit hier ist mit ihm. Irgendwann musst du auch mal ausspannen. Mach dir nur keine Sorgen. Das geht schon in Ordnung. Morgen früh wird dich mein Mann hinfahren“, zerstreute Doreen ihre Bedenken.
Die Schwester nickte leicht. „Danke, Doreen. Ihr beide seid wirklich ganz liebe Menschen“, lobte sie die Frau und ihren Mann.
Die Haushälterin stand auf, kehrte die Scherben zusammen, wischte das Wasser weg und kochte nun ihrerseits einen Beruhigungstee für die Pflegerin. Nachdem diese ihn getrunken hatte, schickte sie die kleine Nonne ins Bett. Dann begab sich Doreen zu Brandon.
„So, Junge, heute bekommst du deinen Tee von mir serviert. Christin geht es nicht gut. Ich glaube, sie muss sich ein paar Tage ausruhen, sonst wird sie uns noch krank“, informierte sie ihn.
„Was fehlt ihr denn?“, erschrocken blickte Brandon Doreen an.
„Ich nehme an, sie ist überarbeitet. Du bist nämlich kein einfacher Patient, wenn ich das mal bemerken darf“, erklärte sie.
„Kann ich ihr irgendwie helfen?“, flehte er.
„Ja, indem du sie für vier Tage ins Kloster gehen lässt. Vielleicht bekam sie auch etwas Heimweh nach ihrer vertrauten Umgebung. Auf jeden Fall werden ihr das Kloster und die Ruhe im Gebet gut tun“, meinte die Haushälterin.
„Meinst du?“, forschte er unsicher in ihrem Gesicht und auch gleichzeitig etwas enttäuscht nach. Jetzt wird sie schon selbst krank, dachte er. Sicher kann sie es nicht mehr mit mir ertragen, dachte er.
Er lässt sie ungern gehen, bemerkte Doreen. Aber dieses Mädchen hat ein Recht auf eine Pause, wenn auch nur eine kleine. Kam sie ja sofort nach einer Pflege zu ihm, ohne sich auszuruhen. Schließlich arbeitete sie jetzt schon wieder beinahe dreieinhalb Monate hier. Und sie bewirkte Unglaubliches bei ihrem Patienten.
Der August neigte sich dem Ende zu. Brandon verbrachte eine sehr unruhige Nacht. Des Öfteren wachte er auf mit der entsetzlichen Angst, Christin könnte ihn verlassen und zwar für immer. Man konnte ihm jederzeit eine andere Pflegerin zuteilen und dann wahrscheinlich eine alte, unansehnliche Ordensfrau, die nicht so liebevoll mit ihm umging. Das quälte ihn unentwegt. Dann wieder machte er sich selbst Vorwürfe. Hatte sie vielleicht seine Gefühle für sie erkannt? Oder waren ihre Wurzeln zu sehr mit dem Kloster verwachsen? So dass sie gar keine Liebe zu anderen empfinden konnte? Aber nein, sagte er sich wieder. Wenn ich mich nicht ganz getäuscht habe, sah ich die Liebe bereits in ihren Augen. Denn oft, wenn sie sich unbeobachtet glaubte, ruhten eben diese wunderschönen großen dunkelbraunen Augen auf ihm, so sanft und liebevoll. Sie kann kein Mensch ohne jegliches Gefühl sein. Habe ich sie durcheinander gebracht? Sucht sie am Ende Halt und Kraft im Kloster? Vielleicht sogar für immer? Diese Überlegungen kreisten ununterbrochen in seinem Kopf und belasteten ihn ungemein.
Die Hitze stand regelrecht in seinem Zimmer, obwohl die Fenster offen standen. Ein Gewitter lag in der Luft, doch es kam nicht richtig zum Ausbruch. Es regnete nur leicht und brachte zu der Wärme auch noch eine Portion Feuchtigkeit. Brandon schwitzte sehr stark. Das Wasser lief regelrecht an seinem Körper hinab. Er nahm die Glocke zur Hand und wog sie hin und her. Er hätte gern nach seiner Pflegerin geläutet, aber dann verzichtete er darauf. Er wollte sie nicht aufwecken. Sollte sie ruhig schlafen, wenn es ihr nicht gut ging. Wie gerne hätte er sie jetzt getröstet. Aber er kam von diesem Bett nicht los. Voller Wut hieb er seine Fäuste in die Matratze. Was konnte er schon tun? Diese verfluchte Krankheit und der Unfall ketteten ihn an dieses verdammte Bett. Wenn er den Rollstuhl auch hasste, jetzt wäre er dankbar dafür gewesen, wenn er wenigstens darin hätte sitzen können. Soll denn so mein übriges Leben aussehen? Bis ans Ende so zu liegen, in diesem Bett? Ohne Freude, ohne ein wenig Liebe? überlegte er. Wider Willen stieg ihm das Wasser in die Augen. Wer kann mir helfen? Die Ärzte stehen macht- und ratlos meiner Leukämie gegenüber. Nur einmal möchte ich die reine, tiefe Liebe erleben. Nur einmal noch in diesem Leben glücklich sein. Ist das denn zu viel verlangt? flehte er, während ihm die Tränen über sein Gesicht liefen. So begann er doch tatsächlich zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder zu beten und bat den Herrn darum, dass man ihm doch bitte Christin wieder zurückschicken möge. Er liebte ihre kleinen, zierlichen Hände, die so sanft mit ihm umgingen, so dass er immer glaubte gestreichelt zu werden, wenn er seine Augen schloss. Er seufzte tief auf. Sie ging auf alle seine Wünsche und Bedürfnisse ein. Keinesfalls wollte er sie gegen eine andere Pflegekraft eintauschen. Ein Gedicht kam ihm in den Sinn, das genau seine und ihre Situation widerspiegelte.
Du bist die einzige, an die ich den ganzen Tag denke.
Du bist die einzige, die mich in meinen Träumen zärtlich küsst.
Und du, du bist die einzige, die das nicht weiß!
Bei diesem Gedicht ersetzte er das der durch die.
Der neue Morgen brachte dicken Nebel, als Richard mit Christin zum Kloster aufbrach. Die Fahrt verlief sehr schweigsam. Die kleine Nonne sah die meiste Zeit der Fahrt aus dem Fenster. Somit stellte der Hausmeister fest, dass die Pflegerin wohl doch ernstere Probleme wälzte, als sie zugeben wollte. Denn nach einer banalen Erschöpfung sah ihm das bei weitem nicht aus. Was hat der Junge denn nun wieder angestellt? fragte er sich. Oder hat sie etwas ganz Schlimmes verbrochen?
Am Zielort angekommen, nahm die Nonne ihren kleinen Koffer mit der Reservetracht, dankte Richard mit einem abwesenden Lächeln und steuerte sogleich auf die Kapelle zu. Am Eingang stellte sie ihr Gepäck ab und schritt zielstrebig zum Altar. Lange sah sie mit gefalteten Händen empor zum Kreuz. Dann warf sie sich mit dem Gesicht nach unten auf den Läufer vor dem Altar und breitete die Arme zu beiden Seiten aus. Während sie dies tat, betrat die Mutter Oberin die Kapelle. Sie wartete, bis Christin wieder aufstand und sich in eine Bank setzte. Beinahe geräuschlos glitt die Mutter neben sie. Nach einer schweigsamen Zeit erkundigte sie sich leise: „Ist es wirklich so schlimm mit Mr. Stonewall? Soll ich Sie ablösen lassen?“
„Nein, nein“, wehrte Christin beinahe ein wenig zu schnell ab. „Es ist nicht mehr so schlimm, wie es am Anfang aussah. Er hat jetzt sogar eine stabile Phase erreicht.“
„Mir wurde berichtet, er sei sehr schwierig, werfe mit Essen um sich und terrorisiere das ganze Haus“, erkundigte sich die Oberin.
„Nein, ganz so ist es nicht. Er war nur eben vollkommen am Ende, fühlte sich von allen total allein gelassen und war mit sich, Gott und der Welt im Unreinen. Mir hat er jedenfalls noch nie einen Teller voll Essen über den Kopf gestülpt, wie meiner Vorgängerin. Ich habe es gesehen, als ich ankam. Mit ihm hatte und habe ich keine Schwierigkeiten. Im Gegenteil, mir machte es Freude als er