Schwarze Krähen - Boten des Todes. Carolina Dorn

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Schwarze Krähen - Boten des Todes - Carolina Dorn

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ernst.

      „Deine Tante vermutete wohl nicht, dass du gleich bei der ersten Nonne schwach werden würdest?“, machte sich Brandon lustig. „Ich freue mich für dich, dass du wieder Arbeit hast. Dann kommst du wenigstens auf andere Gedanken und musst dich nicht mehr um mich sorgen. Ich danke dir, dass du mir diese Nonne gebracht hast, wenn ich auch am Anfang darüber geschimpft habe.“

      „Danke nicht mir, sondern meiner Tante. Sie hat sie für dich ausgewählt“, berichtigte er ihn.

      „Schon wieder die Tante? Spielt sie die Vorsehung? Dann braucht sie sich aber nicht wundern, wenn hinterher ein paar Schwestern fehlen“, lachte er seinen Freund matt an.

      Das Gespräch ermüdete ihn, aber er wollte ihn nicht schon wieder fortschicken. Er seufzte tief. „Schau, wie schön die Sonne scheint. Es ist warm draußen und es riecht nach Frühling. Wie viele Blumen müssen wohl jetzt in meinem Garten blühen? Ich kann sie nicht einmal sehen oder ihren herrlichen Duft wahrnehmen. Immerzu hier im Bett zu liegen, zu jedem Umdrehen jemanden brauchen, der den Knopf an meiner Liegestätte betätigt, ist furchtbar. Außerdem ist es entsetzlich langweilig. Nicht mal ein Buch kann ich lesen, ohne dass mir die Arme einschlafen, weil ich es so hoch halten muss. Schwester Christin liest mir zwar abends manchmal vor, aber sie hat auch nicht immer Zeit. So liege ich hier und meine Gedanken kreisen ununterbrochen in meinem Kopf“, klagte Brandon sein Leid, doch es klang anders als vor einigen Wochen. Das fiel Gordon sofort auf. Er bekam wieder Interesse an seinem Garten.

      „Hey, Brandon, das hört sich ja ganz anders an als vor drei Wochen. Wenn ich mich recht entsinne, wolltest du zu dieser Zeit nur noch sterben. Du willst wieder lesen?“, staunte der Freund.

      „Ja, und Musik hören würde ich vor allem sehr gern wieder“, unterbrach er ihn. „Und da ist noch etwas: Ich erzählte dir einmal, dass ich mich wie ein Baum ohne Blätter im kalten Nebel fühle. Jetzt ist eine rote Rose dazugekommen, die mir neue Kraft und Hoffnung gibt. Sie blüht dort trotz Kälte und Nebel vor den kahlen Bäumen. Ich glaube, dass es Christin ist und ich nenne sie die Rose aus dem Nebel.“

      Gerade in diesem Augenblick, als die beiden Freunde sich so angeregt unterhielten, kam Christin von ihrem Spaziergang zurück. Die Türe zum Zimmer ihres Patienten stand offen und so bekam sie das Gespräch ungewollt mit. Somit hörte sie auch das mit den Blumen. Ja, das ist es. Ihm eine kleine Freude bereiten, um ihn aus seiner trüben Phase herauszuholen, ging es ihr durch den Kopf. Rasch lief sie die Treppe hinunter, zur Haustüre hinaus, um das Haus herum, in den blühenden Garten. Hier wuchsen tatsächlich eine Unmenge bunter Blumen. Sie zögerte. Welche sollte sie nehmen? Die Bienen umschwirrten sie fleißig und ein schwerer, beinahe betäubender Duft lag in der Luft. Allerdings stellte sie fest: Der Garten sah reichlich verwildert aus, da Brandon den Gärtner entließ. Der Hausmeister schaffte es nicht allein, dem Unkraut Herr zu werden, denn er musste auch noch andere Arbeiten im Haus verrichten. Sie bahnte sich vorsichtig einen Weg zu einer japanischen Teerose. Sie bückte sich und brach die Blume ganz unten am Stiel ab. Ein herrlicher Duft stieg ihr in die Nase. Die Blütenblätter leuchteten in einem kräftigen Pink. Sie richtete sich auf und gewahrte einen wunderschönen, großen Wintergarten, in dem ebenfalls viele Pflanzen wuchsen. Sie wusste nicht, dass ein solcher überhaupt existierte, denn vom Hausinneren führte kein Weg zu ihm. Das dachte sie jedenfalls. Ebenfalls erst jetzt erkannte sie, dass das Haus einen moderneren Anbau bekam und das altertümliche Haupthaus um einiges vergrößerte. Wie mag man wohl dorthin kommen? überlegte sie. Es müssen praktisch zwei Häuser sein, die miteinander verbunden wurden. Dann entdeckte sie einen runden Pavillon, der früher wohl einmal weiß gewesen war. Jetzt sah er grau und etwas baufällig aus. Wenn man dorthin gelangen wollte, musste man an vielen Rosenbeeten vorbei. Es gab hier Rosen in Hülle und Fülle und in allen Farben, viele bereits erblüht, manche noch als Knospe, und jede verströmte einen anderen intensiven Duft. Jetzt wusste sie, dass Brandon ein Rosen-Fan war, denn diese Blumen blühten nicht nur im Garten, sondern im gesamten Park. Sie gewahrte ein kleines Rinnsal, welches verschlungen durch den ganzen Park plätscherte und alle zwanzig Meter führten noch mehr kleine steinerne Brücken darüber. Am Wegesrand, der nun wild überwuchert wurde, fand sie versteckt zwischen den Blumen Solar-Lampen. Hier in lauschigen Sommernächten spazieren zu gehen müsste ein Traum sein, dachte sie. Sie wollte schon ins Haus zurückkehren, da entdeckte sie eine riesige, Trauerweide und sie schien ihr sogar zuzurufen: „Komm’ doch mal her.“ Langsamen Schrittes ging Christin auf den Baum zu und verschwand unter den langen, dichten Blätterzweigen, die bis auf den Boden reichten. Ihre Füße standen auf knorrigen Wurzeln. Ein dicker Stamm lud sie zu einer Umarmung ein. Die Rinde besaß sogar ein Gesicht, wenn man genau hinsah. Zwei Augen mit halb geschlossenen Lidern, eine breite Nase und ein gütig lächelnder Mund. Seine Zweige schlossen sich rechts und links hinter ihr, wenn sie sich ganz nah am Stamm befand und sie schienen Christin das Gefühl von Schutz zu vermitteln. Der Wind raschelte in den Blättern. Sie blickte hinauf in die Krone der Weide. Die Sonne blitzte dazwischen hindurch. Etwas geblendet schloss sie die Augen. Da meinte sie ein leises Wispern in den Zweigen zu hören, das von uralten Zeiten erzählte. Von heiterem Kinderlachen, strengen Befehlen und unzähligen Tränen eines kleinen Jungen. An einer kleinen Stelle der Rinde trat Harz aus, das wie eine Träne geformt aussah. Hatte hier der kleine Junge geweint? Oder empfand der Baum so wie das Kind und vergoss ebenfalls eine Träne? Sie fühlte sich so verzaubert, dass sie beinahe vergaß, wo sie sich befand. Nur widerwillig löste sie sich von diesem geheimnisvollen alten Baum. Sie beugte sich nach vorn, teilte die Zweige mit ihren Händen und trat darunter hervor. Ihr kam es vor, als würde sie aus einem Traum erwachen. Als sie ins Haus zurückkehrte, hatten sich Gordon und Melissa bereits verabschiedet und befanden sich auf der Rückfahrt. Sie stellte die Blume in eine Vase, füllte frisches Wasser ein und ging damit zu ihrem Patienten. Dieser lag matt, mit geschlossenen Augen, in den Kissen. Leise näherte sie sich seinem Bett und hielt ihm die Blume unter die Nase. Langsam öffnete er seine Augen.

      „Christin, können Sie etwa Gedanken lesen?“, äußerte er sich erstaunt und sog den frischen Duft ein.

      „Nein“, lächelte sie. „Aber die Türe zu meinem Zimmer stand offen. Verzeihen Sie mir, dass ich gelauscht habe?“

      „Nein, ich verzeihe es Ihnen nicht“, grinste er. „Im Gegenteil, ich bin sogar glücklich darüber, dass Sie es getan haben. Zur Strafe aber, weil Sie gelauscht haben, verpflichte ich Sie dazu, mich bis in alle Ewigkeit zu duzen. Mir geht das „Sie“ auf den Wecker, wenn man tagtäglich zusammen ist“, verlangte er von ihr. Mal sehen, ob ich das auch so schnell fertigbringe wie Gordon mit Melissa, dachte er.

      „Es ist uns leider nicht erlaubt unsere Patienten mit „Du“ anzureden“, erklärte sie.

      „Ach, hat das vielleicht auch die Mutter Oberin vorgeschrieben?“ Er bedachte sie mit einem lauernden Blick.

      „Ja, sie meint, das „Du“ würde zu vertraulich klingen“, versuchte sie ihm zu erläutern. „Der Respekt ginge zwischen dem Patienten und der Pflegeperson verloren.“

      „Vertraulich? Respekt? Papperlapapp! Sage deiner Oberin, ein todkranker Mann hat darum gebeten, dessen Tage sowieso gezählt sind. Einen solchen Wunsch kann sie nicht abschlagen, wenn sie ein Herz besitzt.“ Brandon öffnete seine Augen einen Spalt und beobachtete die Nonne genau. Er erkannte, dass sie Zweifel bekam und mit sich rang, ob sie das Gebot der Oberin brechen durfte oder nicht. Eine Weile später atmete sie tief auf.

      „Na gut, aber nur hier unter uns“, willigte sie ein. Sie wusste allerdings nicht, dass das kleine Wort „Du“ sie noch näher an ihn kettete.

      „Ich danke dir. Du kannst es auch in Gegenwart von Richard und Doreen tun. Sie werden ganz gewiss nichts verraten“, versicherte er ihr mit einem kleinen Lächeln. „Außerdem ist die Mutter Oberin weit weg von hier.“

      Das erste Lächeln, das sie bei ihm sah, seit sie ihn betreute. Sie deutete es als einen Fortschritt,

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