Schwarze Krähen - Boten des Todes. Carolina Dorn
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Schwarze Krähen - Boten des Todes - Carolina Dorn страница 30
„Eigentlich müsste ich das jetzt der Mutter Oberin beichten“, überlegte sie leise.
„Warum? Du hast dich für mich, für mein Leben und meine Gesundheit eingesetzt“, widersprach Brandon.
„Ja, das schon, aber eine Ordensschwester darf nicht so überlegen einem Arzt gegenüber auftreten. Sie hat sich ruhig im Hintergrund zu halten. Ich hätte jetzt bestimmt fünfzig Vaterunser zu beten bekommen“, erklärte sie.
„Die erlasse ich dir. Bete lieber dafür, dass ich noch etwas für meine Schmerzen bekomme, bevor wir starten“, raunte er ihr zu. „Der Arzt ist ein Nachtwächter. Er hätte längst nachsehen können, wo sich eine geeignete Spezialklinik für solche Sachen befindet, wenn er es schon nicht von sich aus weiß“, schimpfte er. „Der würde mich hier glatt verschimmeln lassen.“
Endlich bekam Brandon eine neue Infusion mit Schmerzmedikament. Christin erhielt alle Aufnahmen vom CT und Dr. Porters Diagnose mit Befund. Zwei Pfleger kamen und brachten sie mit dem Aufzug hinauf auf das Dach des Krankenhauses. Dort wartete bereits der Hubschrauber. Die Ordensschwester war noch nie zuvor mit einem solchen Gerät geflogen. Ihr gruselte ein wenig. Tapfer schüttelte sie jedoch ihr Unbehagen ab und stieg mit ein. Der Lärm der Motoren steigerte sich, als der Hubschrauber abhob. Brandon bemerkte Christins Ängste an ihrer steifen Körperhaltung und den starren Gesichtszügen. Er tastete nach ihrer Hand, die sich kalt und feucht anfühlte.
„Engelchen, hab keine Angst. Hubschrauber sind sehr sicher. Ohne ihn würde ich viel zu spät nach Clearwater kommen“, versuchte er sie zu beruhigen.
Beklommen nickte sie.
Sie flogen eine knappe Stunde, dann erreichten sie ihren Zielort. Hier wurden sie gleich von vier Pflegekräften empfangen. Sie brachten Brandon sofort in den Vorbereitungsraum. Dr. Kevin Spencer, ein großgewachsener Mann um die vierzig Jahre, mit bereits grauen Fäden im dunklen Haar und leichtem Bauchansatz, begrüßte seinen neuen Patienten und die Ordensschwester. Er nahm die Papiere entgegen und sah sie anschließend gleich durch. Christin fand Gordons Bruder sehr sympathisch. Sein Gesicht strahlte noch eine erfrischende Jugendlichkeit aus, obwohl er um einige Jahre älter als Gordon war. In dieser Klinik fühlte sich Christin auf seltsame Weise sofort heimisch. Vom Pflegepersonal wurde sie überall herzlich begrüßt. Man bot ihr Kaffee und Essen an. Anscheinend wohl, weil sie so blass und müde wirkte. Der Arzt begutachtete die Aufnahmen vom CT äußerst genau. Christin saß draußen vor dem Operationssaal auf einer schlichten Holzbank. Im spärlich beleuchteten Gang erkannte sie eine von der Decke hängende Uhr, deren Sekundenzeiger bei jeder Fortbewegung ein kleines tickendes Geräusch verursachte. Das lullte sie langsam ein, trotz des Kaffees. Die Uhr zeigte soeben die volle Stunde an: fünf Uhr. In diesem Moment rollten sie Brandon in den Operationssaal. Christin holte ihr Gebetbuch hervor und betete eine Zeitlang. Dann stand sie auf, um sich die Beine etwas zu vertreten. Sie sah zum Flurfenster hinaus und wartete auf den Sonnenaufgang. Doch stattdessen zogen schwarze Wolken auf und es entlud sich ein heftiges Gewitter. Eine wahre Sintflut ergoss sich über das Land. Sie kehrte wieder zu ihrem einsamen Platz auf der Bank zurück. Der Regen, der an das Fenster klatschte und der Sekundenzeiger der Fluruhr sorgten dafür, dass sie schläfrig wurde. Schließlich hatte sie inzwischen seit sechsundzwanzig Stunden nicht mehr geschlafen. Die Augen fielen ihr zu und sie rutschte zur Seite. Die Bank war sehr schmal und Christins Lage dementsprechend unbequem, doch der Schlaf übermannte sie einfach. Dort fand sie um zwölf Uhr mittags der Professor.
Er redete sie leise an und berührte sie vorsichtig an der Schulter. „Schwester Christin, wachen Sie auf. Die Operation ist gut verlaufen.“
Die Ordensschwester erwachte aus tiefstem Schlaf. Sie sprang ein wenig zu heftig von der Bank auf, verlor die Balance und stürzte auf den harten Fliesenboden.
„Mein Gott, haben Sie sich verletzt?“, bemühte sich gleich der Arzt bestürzt um sie.
Noch leicht benommen murmelte sie: „Ich glaube nicht.“
Doch als er ihr beim Aufstehen behilflich sein wollte und sie an ihrem linken Oberarm berührte, entfuhr ihr ein kleiner Schmerzensschrei.
„Kommen Sie, wir werden das gleich einmal röntgen“, entschied der Professor.
„Ach, so schlimm wird es schon nicht sein“, wehrte Christin ab.
„Nein, nein, sicher ist sicher“, bestand er darauf.
Er begleitete sie zur Röntgenabteilung und wartete davor auf sie.
Man röntgte ihre linke Schulter, was weniger, als drei Minuten dauerte. Nachdem sie sich wieder angekleidet hatte, wobei ihr die Röntgenassistentin helfen musste, besah sich der Professor gerade die Bilder im Schaukasten. Die Schwester trat neben ihn.
„Hier, sehen Sie?“ Er deutete mit seinem Zeigefinger auf das Schlüsselbein. „Das hat einen kleinen Riss. Nicht schlimm, es ist nicht komplett durchgebrochen. Aber man sollte es eine Weile schonen und in Ruhestellung bringen“, schlug er vor. „Ich mache Ihnen jetzt einen Rucksackverband und dann tragen Sie noch so ungefähr eine Woche lang eine Schlinge, in der Sie den Arm ruhen lassen können.“
„Aber das geht nicht. Ich muss mich um meinen Patienten kümmern“, widersprach die kleine Nonne.
„Nein, das brauchen Sie jetzt nicht“, widersprach er ihr. „Er bleibt etwas über eine Woche hier bei uns. Wir werden ihn und seine Wunde beobachten und ihn an den Rollstuhl gewöhnen“, erklärte er ihr.
„Wie geht es Mr. Stonewall?“, informierte sich Christin. „Kann ich zu ihm?“
„Alles der Reihe nach, Schwester. Zuerst verbinde ich Sie. Dann gehen wir gemeinsam in die Cafeteria und essen zu Mittag und …“
„Oh, ist es schon so spät?“, entfuhr es ihr.
„Ja, meine Liebe. Die Operation hat sieben Stunden gedauert. Leider mussten wir dann abbrechen, weil der Patient instabil wurde. Ich werde ihn nach ein paar Wochen nochmals operieren und dann schicken wir ihn anschließend in eine Reha-Klinik. Dort wird er dann versuchen wieder auf die Beine zu kommen, um nochmals laufen zu lernen. Im Moment schläft er auf der Intensivstation seinen Narkoserausch aus. Sobald er aufwacht, bringe ich Sie zu ihm“, versprach der Arzt.
Die kleine Ordensschwester hatte Mühe Dr. Spencer zu folgen, denn der machte Riesenschritte mit seinen langen Beinen. Dann fiel ihr ein, dass sie ja gar kein Geld besaß, um sich ein Essen kaufen zu können, und dem Mediziner auf der Tasche liegen wollte sie keinesfalls.
Sie blieb stehen. „Ich habe noch gar keinen Hunger“, erklärte sie ihm.
Abrupt blieb der Arzt stehen, drehte sich um und ging die drei Schritte zu ihr zurück. Er legte den Arm um ihre schmalen Schultern und nötigte sie weiterzugehen.
„Sie werden jetzt auf jeden Fall etwas zu sich nehmen, weil Sie es bitter nötig haben, so wie Sie aussehen“, befahl er ihr leicht genervt. „Sagen Sie, sind Nonnen allgemein so störrisch?“
„Eigentlich eher selten, aber sie sind arm und haben kein Geld“, gab sie leise zur Antwort.
„Also für das Wenige, was Sie zu sich nehmen werden, habe ich gerade noch genügend Geld übrig“, grinste er.
Christin blieb nichts anderes übrig, als mit ihm zu gehen.