Schwarze Krähen - Boten des Todes. Carolina Dorn
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Schwarze Krähen - Boten des Todes - Carolina Dorn страница 31
„Oh, Verzeihung. Ich muss weit weg gewesen sein mit meinen Gedanken“, entschuldigte sie sich.
Die Schwester knöpfte ihr den Mantel hinten auf dem Rücken zu.
„Noch einen Moment, bitte. Der Professor wird Sie gleich hereinholen“, vertröstete sie die kleine Nonne.
„Wie fühlen Sie sich?“, erkundigte sich Dr. Spencer bei seinem Patienten.
„Etwas müde noch“, antwortete der.
„Nein, so etwas. Sie müssten jetzt ausgeschlafen und fit wie ein Turnschuh sein. Sie haben sieben Stunden auf dem OP-Tisch geschlafen“, scherzte der Arzt. „Haben Sie noch Schmerzen?“
„Nein, aber ich würde mich noch besser fühlen, wenn ich nicht so absolut flach liegen müsste“, antwortete Brandon.
„Ja, das glaube ich Ihnen gern. Aber drei Tage müssen Sie diese flache Lage noch ertragen, dann hat die ganze Quälerei ein Ende. Das verspreche ich Ihnen“, erklärte der Professor. „Nach all den vielen Monaten im Liegen, müsste das doch noch auszuhalten sein?“
Brandon nickte. „Oh ja, das ist wohl wahr. Herr Professor, haben Sie mir nicht vielleicht etwas mitgebracht?“ erwartungsvoll sah er den Arzt an.
Der lächelte. „Ach, Sie meinen die kleine Ordensschwester? Ja natürlich. Sie wartet schon sehnsüchtig draußen vor der Tür.“
Damit ging er, öffnete die Türe und bat Christin herein. Der grüne Kittel passte ihr überhaupt nicht. Erstens hätte sie dreimal darin Platz gehabt und zweitens trat sie unten dauernd auf den Saum, weil er ihr viel zu lang war.
Gordons Bruder musste verhalten lachen.
„Christin!“, rief ihr Brandon voller Freude entgegen und streckte die Hände nach ihr aus. Er umarmte sie, soweit er konnte und zog sie zu sich hinab auf seine Brust.
„Das werde ich dir niemals vergessen“, murmelte er leise und küsste sie auf den Schleier genau in der Mitte ihres Kopfes.
Ihr Herz setzte einen Schlag aus und da kam es wieder, dieses seltsame Gefühl, ein Kribbeln, das durch ihren gesamten Körper strömte. Sie glaubte noch vor kurzem es durch die Gebete im Kloster hinter sich gelassen zu haben. Doch nun empfand sie es umso intensiver als vorher. Sie versuchte sich von ihm zu lösen, doch er hielt sie so fest umklammert, dass der Professor eingreifen musste.
„Vorsicht, Mr. Stonewall, Schwester Christin hat eine Verletzung“, informierte er ihn.
„Wie? Was ist dir geschehen?“, erkundigte sich Brandon erschrocken.
„Sie ist vor dem Operationssaal von der Bank gefallen und hat sich das Schlüsselbein angebrochen“, klärte er ihn auf.
„Christin, was machst du für Sachen?“ Brandons Gesicht wirkte ganz verstört.
Aber die Ordensschwester lächelte ihren Patienten nur an.
„Ist gar nicht so schlimm. Mach dir wegen mir keine Sorgen. Nächste Woche ist alles vorbei“, tröstete sie ihn.
Der Professor wandte sich den beiden zu und begann: „Ich möchte jetzt den weiteren Therapieplan erläutern. Mr. Stonewall wird jetzt drei Tage ganz ruhig und flach liegen bleiben. Dann werden wir ihn vorsichtig zum Sitzen bringen und ihm den Umgang mit dem Rollstuhl zeigen. Bei dieser Operation habe ich die Blutung abgeleitet, die alte Verletzung beseitigt und die eingeklemmten Nerven freigelegt.“
Er schlug das untere Teil der Bettdecke zurück und fuhr mit einer Pinzette am Unterschenkel und der Fußsohle seines Patienten entlang. „Fühlen Sie die Berührung?“, erkundigte er sich.
„Ja, und wie stark“, bestätigte der Patient voller Freude.
„Ab dem Augenblick, wo sie sitzen dürfen wird ein Physiotherapeut zweimal täglich mit Ihnen Übungen machen, um die Muskulatur aufzubauen. Ende Oktober werde ich Sie nochmals operieren. Danach gehen Sie für mehrere Wochen in eine Reha-Klinik und lernen dort wieder das Laufen. Ist das in Ordnung so? Das heißt allerdings, dass die Leukämie sich in Grenzen halten muss. Das ist eine Bedingung. Die Blutwerte sind bei der zweiten Operation ausschlaggebend. Diese Operation ist nicht einfach. Der Patient muss absolut stabil sein. Also, kämpft ihr beiden, doch so wie ich das sehe, werdet ihr damit wohl kaum Probleme haben. Ihr habt ja schon so einiges erreicht.“ Der Professor lachte ihnen aufmunternd zu.
„Bleibst du noch etwas bei mir?“, bat Brandon seine Betreuerin.
„Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist, Mr. Stonewall“, kam ihr der Arzt zuvor. „Sie brauchen jetzt Ruhe und Schwester Christin muss sich erst einmal ausschlafen. Die Woche, die Sie hier im Krankenhaus sind, wird sie mein Gast bei meiner Familie sein. Selbstverständlich bringe ich sie immer wieder zu Ihnen.“
Der Arzt ergriff Christins Hand und führte sie aus dem Raum. Dort legten sie ihre Mäntel ab. Erst jetzt bemerkte sie, wie müde sie sich fühlte. Die Anspannung der vielen Stunden während Brandons OP wich nun von ihr. Sie hatte nur noch das Bedürfnis zu schlafen. Wie in Trance folgte sie dem Professor zu seinem Auto in der Tiefgarage. Die Fahrt zu seinem Haus dauerte zum Glück nicht lange. Es wurde bereits Abend. Des Professors Frau öffnete ihnen die Haustüre.
„Hallo Schatz, du bringst einen Gast mit?“, wunderte sie sich, denn ihr Mann hatte sie nicht informiert.
Sie gab ihrem Mann einen Kuss auf die Wange.
„Ja, das ist Schwester Christin aus dem Heilig Geist Kloster in der Nähe von Vancouver. Sie begleitet einen Patienten, der in meiner Klinik liegt. Sie bleibt nur etwa eine Woche lang“, erklärte er ihr.
„Keine Angst, ich bereite Ihnen gewiss keine Umstände“, wandte sich Christin an die Frau.
Mary, so hieß sie mit Namen, nahm sogleich Christins Hand und zog sie ins Haus.
„Kommen Sie, meine Liebe, Sie sind bestimmt schon sehr lange auf den Beinen. Möchten Sie etwas essen?“, erkundigte sie sich bei ihrem Gast.
„Nein danke.“ Die Schwester schüttelte den Kopf. „Ich möchte nur noch schlafen.“
„Das sieht man Ihnen an“, bestätigte Mrs. Spencer.
Mary, eine mittelgroße, leicht füllige Frau mit kleinen, braunen Locken auf dem Kopf, öffnete eine Türe und führte die Schwester in einen mit hellen Möbeln ausgestatteten Raum. Ein großes Fenster mit Schiebetüre ließ den Blick auf eine blumengeschmückte Terrasse frei. Da die gläserne Türe offen stand, wehten die Gardinen leicht im Abendwind.
„Oh, wie schön“, rief die kleine Nonne begeistert aus.
„Darf ich Ihnen beim Auskleiden behilflich sein?“, bot sich Mary an.