Zeit wie Wasser. Christiane Höhmann

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Zeit wie Wasser - Christiane Höhmann

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Beste an ihr.

      Letztes Jahr hatte sie ihren fünfzigsten Geburtstag gefeiert. An einem sehr heißen Tag.

      Bernd stellte Mutter eine Liege in den Garten, wo er und Hella mit Henry und den anderen Nachbarn beim Barbecue unter dem Apfelbaum saßen. In sicherer Entfernung vom Apfelbaum lag Mutter den ganzen Nachmittag auf der Liege, trotz der Hitze hatte sie die Decke bis ans Kinn gezogen und starrte in den Himmel.

      Henry steckte sich gerade ein saftiges Fleischstückchen in den Mund, als sie ihn bat, ihre Kamera zu holen. Als er endlich darauf reagiert hatte, ins Haus gegangen und mit der Kamera zurückgekehrt war, richtete sie sich auf und fotografierte Hellas Rosen und den Oleander. Nach einer Weile ließ sie sich zurücksinken und fing an, das Rufen der Amseln nachzuahmen. Wieder hörte er ihre schrille Altfrauenstimme und aus dem hohen Baum ein durchdringendes, fast tonloses, lang gezogenes Piepen, wie ein Kinderweinen. Die Gäste am Tisch verstummten plötzlich und hörten es auch. Mutter antwortete den Amseljungen.

      Plötzlich wünschte sich Henry, er hätte den Vogelgesang seiner Mutter im letzten Sommer nicht als so peinlich empfunden. Eher als ein Zeichen von Leben, von Lebendigsein. Warum hatte er ihre letzten Lebensäußerungen nicht gefeiert oder zumindest begrüßt, statt sich verlegen abzuwenden?

      Weil er nicht wusste, dass es ihre letzten waren, und wenn er es gewusst hätte, wären sie ihm immer noch peinlich gewesen, vielleicht noch mehr.

      Hella kam jetzt öfter in sein Haus. Daisy hatte sich schon an die dunkle Ecke neben der Couchgarnitur gewöhnt und steuerte sie an, sobald sie mit ihrem Frauchen das Wohnzimmer betrat.

      Aber heiraten werde ich Hella nicht, dachte er und blickte fest auf den schwarzen Grabstein, heiraten sicher nicht.

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