Von Blüten und Blättern. Elisabeth Göbel
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»Es gibt im Grunde nichts, was dem Dichten so nahe steht, als ein Stück lebendiger Natur nach seiner Phantasie umzugestalten.«
Hugo von Hofmannsthal
Coreopsis – Mädchenauge
1. Januar, Samstag
Ich lese – Sofa- und Bettlektüre im Winter – einen englischen Roman, Michael Cunninghams By nightfall. Die New Yorker Kunst- und Galeristenszene, ein durch Schönheit verführbarer Lebensästhet und eine Ehegeschichte, die Sprache anspruchsvoll, was für ein Vergnügen, bei allem, was man jetzt so liest, und fremde Vokabeln zwingen mich zur Disziplin, ich greife nach dem Wörterbuch. Und sollte doch eigentlich Wörter suchen für das, was ich in meiner Muttersprache beschreiben will. Den Garten der Kindheit. Schnee. Mein Vater in Russland. Schnee. Ein Schwein wird geschlachtet. Nein, das lassen wir weg, es war eine Schwarzschlachtung im Winter 47. Schnee: Den Garten der Gegenwart. Warum lese ich nicht Adalbert Stifters Bergkristall? Oder noch einmal die großartige Schneeszenerie, in der sich Hans Castorp verliert. Oder Fräulein Smillas Gespür für die weiße Pracht – wer zum Kuckuck, war doch gleich der Autor? Oder Hemingways Schnee auf dem Kilimandscharo, dessen Held sich, das gefällt mir, das »Fett von der Seele herunterarbeiten« will, indem er schreibt. Seitenlang Schnee bei Stifter und Thomas Mann. Mein weißes unbeschriebenes Blatt.
Tag für Tag ein Blatt; weißes Blatt, grünes Blatt – über den Garten schreiben, übers Schreiben schreiben.
Wir haben Schnee seit Anfang November, Berge von Schnee allüberall, viel zu viel Schnee, doch das Wegschieben am Morgen gleich nach dem Aufstehen war und ist mir ein Genuss. Die Welt ist weich und leise, die Luft voll Geflimmer und so sauber wie sonst nie. Keiner darf vor mir die Wege betreten, weil unter jedem Tritt sich sogleich eine fußgroß kalte