Die Krieger des alten Japan. Roland Habersetzer
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»Der Klang der Glocke vom Gion-Tempel ist das Echo der Unbeständigkeit der Dinge. Die verblassende Farbe der Teebaumblüte erzählt uns, daß alles, was blüht, einst welken muß. Ja, nur einen Augenblick lang ist der Held ein Held, wie eine abendliche Träumerei im Frühling. Die Starken werden stets vernichtet. Sie sind wie Staub im Wind.«
Aus dem Heike Monogatari, Ende 12. Jahrhundert
Minamoto-no-Yoshitsune
Aristokraten und Krieger
Kyôto, Residenzstadt des Kaisers, in der Mitte des 12. Jahrhunderts. Seit dem Jahre 1156 war es zu Ausbrüchen offener Gewalt zwischen rivalisierenden Parteien am Hofe gekommen.16 Der Kaiser, dessen Macht theoretisch unumschränkt war, hatte inmitten dieser unaufhörlichen Streitigkeiten allen Einfluß verloren. Das Herrschaftssystem war am Ende der Heian-Zeit17 nicht mehr lebensfähig. Allzu deutlich hatte die Aristokratie ihre Unfähigkeit zum Regieren unter Beweis gestellt, und überall im Lande, selbst in der Hauptstadt, herrschte Anarchie. Nur die Anführer der Kriegerklane würden in der Lage sein, ein Mindestmaß an zentralistischer Ordnung aufrechterhalten zu können, denn allein sie waren stark genug und verfügten über die nötigen Strukturen, damit ihre Entscheidungen umgesetzt würden.
Die Kriegerkaste (buke) hatte sich seit dem 10. Jahrhundert im Schatten der mächtigen Familie Fujiwara etablieren können. Jene Hof-Aristokraten waren mehr an Kultur als an kriegerischen Belangen interessiert. Sie bezogen ihre Einkünfte aus Besitzungen, die in ganz Japan verstreut waren. Den Schutz und auch die Verwaltung ihrer Güter vertrauten sie den Kriegsleuten an. Die politische Stabilität, die Frucht der sogenannten Fujiwara-Kultur war, begünstigte die Herausbildung einer Klasse von Berufskriegern, deren Stellung vererbbar wurde. Mit der Zeit kristallisierten sich unter den Kriegern zwei Klane heraus, jener der Taira und jener der Minamoto18. Die Klane waren sich einig gegen die Klasse der Aristokraten, denen sie gerade gut genug waren, um gegen Bezahlung für sie zu arbeiten. Was jedoch die Nachfolge der Macht anging, so herrschte zwischen den Klanen unerbittliche Rivalität. Die Taira unter ihrem Anführer Kiyomori19 lagerten in den westlichen Provinzen, und die Minamoto unter der Führung Yoshitomos20 befanden sich im Osten des Landes.
Als die Fujiwara schließlich die Gefahr witterten, die von den zur Macht drängenden Samurai-Klanen ausging, war es zu spät. Den Aristokraten war die reale Herrschaft bereits entglitten. Sie zu stürzen, würde ein Leichtes sein. Mit Einwilligung des Kaisers ergriff schließlich im Jahre 1159 Taira-no-Kiyomori die Macht. Bereits im selben Jahr brachen die Feindseligkeiten zwischen den Klanen aus. Die Heiji-Rebellion (Heiji-no-ran) hatte begonnen, das Vorspiel zum langen und schrecklichen Gempei-Krieg, in dessen Verlauf das Kriegsglück der Parteien häufig wechselte.21 In jenem Jahre wurde auch der jüngste Sohn Yoshitomos, Minamoto-no-Yoshitsune22, geboren.
Die Heiji-Rebellion endete mit einer vernichtenden Niederlage der Minamoto. Damit die Macht der Taira nie wieder in Frage gestellt würde, befahl Taira-no-Kiyomori Massenhinrichtungen unter den Familien der Minamoto. Jene Anführer der Minamoto, die die Schlachten des Heiji-no-ran überlebt hatten, wurden an den Ufern des Flusses Kamo enthauptet, einem traditionellen Hinrichtungsort. Dem Oberhaupt des rivalisierenden Klans, Minamoto-no-Yoshitomo, war es zwar gelungen, nach der Niederlage nach Owari zu fliehen, aber bereits im darauffolgenden Jahr, 1160, wurde er durch einen seiner eigenen Offiziere, Osada Tadamune, beim Bade ermordet. Der Mörder schickte seinen Kopf unverzüglich nach Kyôto.
Dieser Schlag versetzte das ganze Land in Schrecken. Wer auf Seiten der Minamoto das Massaker überlebt hatte, versuchte zunächst alles, um nicht aufzufallen, in Vergessenheit zu geraten. Aber die Unterlegenen selbst vergaßen nichts. Es waren nicht mehr viele, durch deren Adern das Blut der Minamoto rann, aber es waren noch genügend an der Zahl, daß das Verlangen nach Rache nicht zum Erlöschen kam und nur auf den Tag harrte, an dem seine Glut zur Flamme würde.
Die Offenbarung
Zunächst jedoch war der Sieg Kiyomoris so überwältigend, daß er es sich gestattete, Großmut zu beweisen. Zwanzig Jahre später, auf seinem Totenbett, sollte er dies zutiefst bedauern. Seiner selbst und seines Sieges sicher, ließ er das Leben mehrerer Söhne Minamoto-no-Yoshitomos schonen. Dies betraf den dritten Sohn, den 13jährigen Yoritomo23, und drei jüngere Söhne, die Yoshitomo von seiner Konkubine, der schönen Tokiwa Gozen24 bekommen hatte. Der jüngste von ihnen, der erst wenige Monate zählte, hieß Ushiwaka. Er sollte später den Namen Yoshitsune annehmen.
Die erstaunliche Großmut Kiyomoris hatte ihre Ursache in der außergewöhnlichen Schönheit der Dame Tokiwa. Die Frau war nach der Niederlage der Minamoto mit ihren Kindern nach Norden geflohen und hatte im Dorf Ryûmon Unterschlupf gefunden. Doch Kiyomori nahm ihre Mutter als Geisel, und Tokiwa Gozen lieferte sich daraufhin dem Oberhaupt der Taira aus. Von ihrer Schönheit geblendet, machte Kiyomori sie zu seiner Mätresse und verschonte die Kinder. Was sollte er von der Zukunft schon fürchten? Yoritomo, dessen Mutter von höherem Rang als Tokiwa gewesen war, wurde nach Izu verbannt, wo er unter strenger Aufsicht stand. Die anderen Kinder durften zunächst bei Tokiwa bleiben.
Flucht der Tokiwa Gozen mit ihren Kindern durch den Schnee. Holzschnitt von Utagawa Kuniyoshi.
Kiyomori war es gelungen, im Ergebnis des Krieges seine Familie zu den höchsten Würden gelangen zu lassen. Er ließ sich zum Regierungschef unter einem Marionettenkaiser ernennen. Weitere Schlüsselpositionen der Macht besetzte er mit seinen Kindern. Mit der Zeit wurden die Taira den letztendlich mehr beneideten als gehaßten Fujiwara-Aristokraten immer ähnlicher. Ihre Lebensweise verfeinerte sich, und sie führten ein eleganteres Dasein. Manche gingen so weit, sich Ahnennachweise zu kaufen, um als Adlige auftreten zu können.
Der Taira-Klan verweichlichte, und er wiegte sich in trügerischer Sicherheit. Dieses Gefühl der Sicherheit wurde zum ersten Mal erschüttert, als der junge Thronfolger Mochihito in der Folge einer dunklen Palastintrige, in die auch Kaiser Go-Shirakawa verwickelt war, versuchte, mit Hilfe der überlebenden Minamoto die Macht zu ergreifen. Die Minamoto hatten sich in mehreren Provinzen erhoben. Minamoto Yorimasa brachte den Thronfolger in Sicherheit und versperrte den Truppen der Taira mit nur 300 Samurai den Weg. Er hatte hierfür die Brücke über den Fluß Uji in der Nähe des Biwa-Sees ausgewählt. Yorimasa hatte den Belag in der Mitte der Brücke entfernen lassen, und als die Taira im nebligen Morgengrauen angriffen, stürzten viele von ihnen durch die Öffnung in den Tod. Diese Finte und zahllose Heldentaten der Aufständischen kostete Hunderte der Taira-Ritter das Leben. Aber deren Übermacht war so überwältigend, daß die Minamoto von vornherein chancenlos waren. Die Rebellen wurden vernichtend geschlagen. Yorimasa, der durch einen Pfeil verletzt worden war, beging, auf seinem Fächer sitzend, im nahegelegenen Tempel Byôdô-in rituellen Selbstmord.25
Erneut triumphierte Taira-no-Kiyomori, und er begann, an seine Unbesiegbarkeit zu glauben. »Wer kein Taira ist, besitzt kein menschliches Antlitz«, verkündete der von Ruhm und Macht Trunkene. Es schien, daß er das Land fest im Griff hatte. Ein sehr wirksames Instrument seiner Schreckensherrschaft war eine aus etwa 300 jugendlichen weiblichen Pagen, den kamuro, bestehende Einheit. Die kamuro trugen rote Uniformen, und ihre Aufgabe bestand im Spionieren und Denunzieren. Jeder, der durch sie des kleinsten Zeichens des Ungehorsams oder der Unzufriedenheit gegenüber dem allmächtigen Herrschaftsklan überführt wurde, wurde unverzüglich verhaftet.
Kiyomori überließ Tokiwa Gozen schließlich seinem Schatzmeister, Fujiwara-no-Naganari, welcher sie heiratete. Von da an verlief das Leben der Dame Tokiwa sehr traurig, denn