Die Krieger des alten Japan. Roland Habersetzer

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Die Krieger des alten Japan - Roland Habersetzer

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      Der Kampf war schnell und kurz. Der Riese sank verwundet auf die Knie, verblüfft über solch eine unglaubliche Geschicklichkeit in der Kunst des Kämpfens, und erwartete den Gnadenstoß. »Ich bitte nur um eines«, keuchte er, »sagt mir Euren Namen, junger Herr!«

      »Ich bin Minamoto-no-Yoshitsune«, erwiderte der Jüngling und reichte ihm die Hand. »Eure Wunde muß behandelt werden«, fügte er hinzu.

      »Nun, Minamoto-no-Yoshitsune, lasset mich den Rest meiner Tage an Eurer Seite verbringen!« rief Benkei, indem er sich rückhaltlos vor seinem Besieger zu Boden warf. Und so geschah es. Von diesem Tage an war Benkei der Schatten Yoshitsunes. Bis zu seinem letzten Tag sollte er seinen Meister aufrichtig bewundern und ihm grenzenlos ergeben bleiben.

      Tatsächlich gibt es über diese Zeit auch eine Legende, nach welcher Yo­shitsune einen Wegelagerer namens Ise-no-Saburô auf ähnliche Weise »bekehrte«. Doch dieser spielt in der weiteren Lebensgeschichte Yoshitsunes keine Rolle.

      Sobald Yoshitsune in Hiraizumi anlangte, stand er unter dem Schutz des örtlichen Machthabers Hidehira. Er blieb hier fünf Jahre und vervollkommnete seine militärische Ausbildung bei ausgezeichneten Kriegern.

      Unterdessen führte Yoritomo, der noch immer nichts von der Existenz seines jüngeren Halbbruders wußte, erzwungenermaßen eine seßhafte Lebensweise, denn er stand nach wie vor unter ständiger Bewachung. Es war ihm jedoch gelungen, seine Bewacher durch seine Intelligenz und sein Gespür für Politik für sich einzunehmen. Insgeheim schmiedete er bereits Pläne für die Restauration der Minamoto. Doch wie hätten die Spione der Taira ahnen sollen, daß sich hinter seiner offenkundigen Oberflächlichkeit, die sich in seinem Kleidungsstil, seiner Lebensweise und seinen Worten ausdrückte, irgendein Wille zur Rache verbergen könnte? Yoritomo führte sie alle hinters Licht, und Kiyomori glaubte, ruhig schlafen zu können in Kyôto. Aber unter der Asche schwelte die Glut.

      Schon bald gab Yoritomo zum ersten Mal seine Zurückhaltung auf. Er wollte die Tochter eines Aristokraten ehelichen, und dies sollte sein erster Schritt auf dem Weg zur Macht werden. Dazu hatte er die junge und schöne Masako auserkoren, die älteste Tochter der Familie Hôjô, die im Gebiet zwischen Izu und Sagami herrschte. Er beschloß, sie zu entführen, und zu diesem Zweck schlich er sich eines Nachts in den Palast der Hôjô. Ein Wächter überraschte ihn und wagte ihn zu fragen, wer er sei. Dem Unglücklichen blieb kaum die Zeit, die Antwort, die »Minamoto!« lautete, zu verstehen, denn kaum, daß der Name gefallen war, fiel auch schon das abgetrennte Haupt des Wächters. Yoritomo gelang es, Masako zu ehelichen, und damit war er plötzlich zum Herren über ein Lehen und sogar über eine kleine militärische Einheit geworden. Der Wiederaufstieg des Klans der Minamoto hatte begonnen.

      1181, zwanzig Jahre nach der Ermordung Yoshitomos, starb Taira-no-Kiyomori eines natürlichen Todes. Im selben Jahr begannen Entwicklungen großer Tragweite. Es begann der Aufstand des Klans der Minamoto. Erneut sollten deren weiße Feldzeichen und die roten Standarten der Taira in der Schlacht aufeinanderstoßen. Drei mächtige Armeen standen einander gegenüber: Die Armee der Taira unter Taira-no-Koremori34, die in Kyôto stationiert war, die Streitmacht der Minamoto unter Yoritomo in Kamakura, und die der Minamoto unter dem Befehl seines Cousins Yoshinaka, die in der Provinz Shinano lagerte. Yoshinaka wurde durch seinen Onkel Yukiie unterstützt, der als erster Feindseligkeiten gegen die Taira vom Zaun gebrochen hatte, aber zunächst eine schwere Niederlage erlitten hatte.

      Im Mai 1183 näherte sich Yoshinaka schließlich mit einer großen Streitmacht Kyôto, wo infolge einer Reihe von Mißernten Seuchen und Hunger wüteten. Der junge Taira Koremori, ein Enkel Kiyomoris, versuchte, mit einer gewaltigen Armee aus 100 000 Männern den Weg zur Hauptstadt zu versperren. Doch die Führung seiner Armee war desorganisiert, und die Truppen standen in einem bereits verwüsteten Land, dessen Bevölkerung ihnen nach der langen Schreckensherrschaft nichts als Haß entgegenbrachte. All dies bremste den Marsch der Truppen Koremoris gegen das Heer Yoshinakas. Eine Woche, nachdem sie die Hauptstadt verlassen hatten, traf die Vorhut der Taira auf die Streitkräfte der Minamoto. Die entscheidende Schlacht fand in der Nähe des Berges Tonami statt, in der Provinz Etchû.

      Am 1. Juni 1183, dem Vorabend der Schlacht, schlugen die Taira-Truppen ihr Lager nahe dem Kurikara-dani-Paß auf, in einem Gebiet namens Tonamiyama. Am darauffolgenden Tag tat Yoshinaka alles, um seine Gegner hinzuhalten. Er ließ seine Truppen jeder ernsthaften Auseinandersetzung aus dem Wege gehen und gab seinen Samurai Anweisung, sich nur in kleineren Gruppen in Scharmützel verwickeln zu lassen. Auf diese Weise erreichte er, daß der Tag ohne Entscheidung verstrich. Mit Anbruch der Nacht zogen sich die Taira in ihr Lager zurück. Hier jedoch wurden sie von einer Kriegslist Yoshinakas überrascht. Dieser hatte heimlich eine Rinderherde hinter das gegnerische Lager treiben lassen. Die Hörner der Tiere waren mit Strohbündeln umwickelt. Das Stroh wurde in Brand gesetzt und die Herde, Hunderte Rinder, kopflos vor Angst, wurde mit Schreien, Trommelwirbel und den schrillen Klängen der Kriegstrompeten ins Lager der schlafenden Taira getrieben. Panik griff um sich. Zehntausende Taira suchten das Heil in der Flucht in Richtung des Kurikara-Tals. Zu spät begriffen sie, daß sie in eine enge Schlucht getrieben worden waren, die in einen Abgrund mündete. Durch die nachdrängenden Menschen und die Rinder, die ihnen noch immer auf den Fersen waren, stürzten Unzählige hinab in die Tiefe. 60 000 Taira verloren auf diese Weise ihr Leben. Die Bergbäche mischten sich mit Strömen von Blut, und die Leichen bildeten einen Hügel. Sie wurden später unten im Tale verbrannt. Man sagt, daß man noch heute in diesem Tal Überreste von Pfeilen und Schwertern finden kann.

      Tonamiyama wurde zum Grab für die Blüte der Taira-Kavallerie. Die Überlebenden zogen sich im Eilmarsch in Richtung der Hauptstadt zurück, wo sich mit der Nachricht von der verheerenden Niederlage Panik ausbreitete. Man versuchte dennoch, die Hauptstadt zu halten, aber allein der Anblick der weißen Banner der anrückenden Minamoto trieb die Taira dazu, ihre Truppen abzuziehen. Den jungen Kaiser Antoku und die Kronjuwelen nahmen sie mit sich. Der frühere Kaiser Go-Shirakawa hingegen eilte zu einem Treffen mit Yoshinaka und schloß sich diesem bei seinem Marsch auf die Hauptstadt an. Dies ermöglichte ihm einen triumphalen Wiedereinzug in Kyôto in Begleitung von Yoshinaka und Yukiie.

      Somit waren die Minamoto wieder in Besitz der Hauptstadt. Zumindest galt dies für Minamoto Yoshinaka. Tatsächlich war Yoritomo über den grandiosen Erfolg seines Cousins in hohem Maße verärgert und eifersüchtig, denn er sah sich selbst in der Rolle des tatsächlichen Anführers des Aufstands. Er mußte also schnell handeln, um nicht ins Hintertreffen zu geraten. Dabei sollte ihm sein Halbbruder Yoshitsune helfen, den er kurz zuvor endlich kennengelernt hatte. Kaum, daß Yoshitsune davon gehört hatte, daß sein Bruder im Begriff stand, eine Minamoto-Streitmacht aufzustellen, war er zu ihm geeilt, begleitet von 2 000 Reitern aus seiner Wahlheimat Mutsu. Die erste Begegnung der Halbgeschwister hatte in der Provinz Suruga, nahe dem Fluß Kise, stattgefunden. Yoshitsune wünschte nichts weiter, als Yoritomo, den er zutiefst bewunderte, dienen zu dürfen.

      Yoritomo betraute Yoshitsune unverzüglich mit seiner ersten Mission: Er sollte um jeden Preis seinen Cousin Yoshinaka dazu bringen, innezuhalten und seinen Ehrgeiz zu zügeln. Tatsächlich hatte sich Yoshinaka schon bald nach seinem Einzug in Kyôto sehr unbeliebt gemacht. Die Zivilbevölkerung hatte die Minamoto zunächst als Befreier betrachtet, mußte aber ihre Erwartungen rasch zurückstecken. Die Truppen Yoshinakas und Yukiies verhielten sich wie Besatzer auf erobertem Gebiet. Sie suchten die leidgeprüfte Stadt mit Plünderungen heim und mißbrauchten ihre Macht aufs ärgste. Yoshinaka unternahm nichts, um ihrem Treiben Einhalt zu gebieten und die Ordnung wiederherzustellen. Das mag daran gelegen haben, daß ihn andere Sorgen quälten. Benommen von seinem Erfolg, hatte er Go-Shirakawa unter Hausarrest gestellt. Damit wollte er erreichen, daß dieser die Maßnahmen, die er selbst für die Verwaltung der Stadt durchsetzen wollte, sanktionierte und ihnen durch sein kaiserliches Ansehen Gewicht verlieh. Doch es blieb ihm wenig Zeit, seine Vorhaben zu verwirklichen. Im Februar 1184 wurde ihm zugetragen, daß eine große Armee unter

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