Cork, noch mehr Mord. Ursula Schmid-Spreer
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»Stimmt, die meisten Zutaten kannte er, aber alles wusste er auch nicht. Mein Vater war da sehr vorsichtig. Ich bin mir aber sicher, dass John unser Geheimrezept nie verraten würde. Es ist Tradition in unserem Haus, dass die Rezeptur in der Familie bleibt. Und John war so etwas wie ein Familienmitglied für uns.«
Als der Kommissar die Augenbraue hochzog, fuhr Erin fort.
»John wurde uns vor Jahrzehnten schon von einer staatlichen Einrichtung empfohlen. Er hat seine Jugend dort verbracht. Seine Eltern waren bei einem Unfall ums Leben gekommen. Aber spielt das eine Rolle?«, fragte sie gereizt.
»Aber natürlich! Wir müssen so viel wie möglich über das Opfer erfahren. Oft lässt sich daraus ein Motiv ableiten. Erzählen Sie weiter.«
»Nun, er hat sich gut angestellt, war pünktlich und zuverlässig. Mein Vater war sehr von ihm angetan. Er war ja erst 14 und man konnte ihn leicht lenken. Er wurde so etwas wie sein Ziehsohn, nachdem mein Vater nur Töchter hat.«
»Höre ich da einen leichten Unterton heraus? Warum arbeitet Mr. Walter nicht mehr in der Metzgerei?«
»Er wollte mal was anderes machen, kann ich auch verstehen.«
»Und da hat er den Oberkellner für Sie gemacht. Hat er das gelernt?«
»Nein, er kann gut mit Zahlen umgehen und hat Charme den Gästen gegenüber. Ich meine ›hatte‹ Charme.« Erin brach ab und schniefte in das Taschentuch, das ihr der Kommissar hinhielt.
»Ich kann es Ihnen leider nicht ersparen, aber Sie müssten morgen in die Pathologie kommen, um noch einige Formalitäten zu erledigen. Bis dahin wissen wir auch, wie er gestorben ist, denn auf dem Rost ist er sicher nicht zu Tode gekommen. Ihren Vater und ihre Schwester hätte ich auch gerne gesprochen. Richten Sie den beiden doch bitte aus, dass sie ebenfalls morgen ins Kommissariat kommen sollen.«
Erin nickte. An Schlaf war natürlich nicht mehr zu denken. Sie musste es ihrem Vater sagen, am besten gleich. Der alte Herr schlief sowieso nicht mehr, sie hatte ihn an der oberen Treppe gesehen. Bei dem Lärm, den die Leute von der Spurensicherung gemacht hatten, wäre selbst ein Stein aufgewacht.
So ging Erin schwer atmend die Treppen hoch, klopfte kurz am Zimmer ihrer Schwester, wartete ein »Herein« erst gar nicht ab und öffnete mit Schwung die Tür.
»Steh auf, Schwester, und tu nicht so, als wenn du tief schlafen würdest. Du hast alles ganz genau mitbekommen.«
Ein rot gefärbter Lockenkopf kam unter der Bettdecke hervor. »Das war ja auch nicht zu überhören.«
»Und du bist kein bisschen neugierig, was vorgefallen ist? Das passt gar nicht zu dir«, sagte Erin spöttisch. »Dein heiß geliebter John lag mit dem Gesicht zuerst auf dem Rost. Das hat verdammt hässlich ausgesehen, das kann ich dir sagen.«
Ein Wehlaut erklang. »John!«
»Ja, tu nicht so scheinheilig. John ist tot, mausetot, und jetzt?«
»Wie kannst du nur so herzlos sein, du eifersüchtige Schlange. Mich hat er geliebt, nicht dich!«
»Das meinst auch nur du! Jedem Rock hat er hinterhergesehen, auf seine Sausagemasche sind alle reingefallen. ›Ich kenne das Geheimrezept der Sullivan Sausage‹«, äffte Erin ihn nach, »und dann hat er sich mit den Weibern verabredet. Und da, das kannst du mir glauben, haben sie sich bestimmt nicht über unsere Wurst unterhalten. Meine gute Kinderstube verbietet mir zu sagen, was er mit dem Würstchen …«
»Schweig!«, hörten sie eine herrische Stimme von der Tür her. »Wenn ich gewusst hätte, dass meine beiden Töchter nichts anderes zu tun haben, als sich über John zu zerfetzen, hätte ich schon früher eingegriffen.«
Beide Damen schwiegen betreten. Mit zerzaustem Haar, in langen Unterhosen und einem T-Shirt bekleidet, stand der alte Sullivan im Zimmer seiner jüngeren Tochter Donna.
»Versucht noch etwas zu schlafen, wir müssen morgen zur Garda und da brauchen wir unsere Kraft«, wandte sich Erin an Vater und Schwester.
Erin und Donna waren sich nur äußerlich ähnlich. Sie waren vom Wesen her grundverschieden. Erin bodenständig, Donna mehr der künstlerische Typ. Ian McCarty, Hauptkommissar bei der Garda County Cork, erkannte das auf den ersten Blick. Der alte Herr an ihrer Seite wirkte zwar gebrechlich, aber sein rotes Gesicht ließ viel Willenskraft erkennen. McCarty wies mit der geöffneten Hand auf die Besucherstühle in seinem Büro und bat die drei, Platz zu nehmen.
»Mr. John Walter ist stranguliert worden, während er wahrscheinlich gerade den Gitterrost reinigte. Unter seinen Fingernägeln befanden sich Seifenlauge und Partikel eines Putzschwämmchens, das mit Eisenspänen versetzt war. Er trug keine Handschuhe.«
Ian beobachtete fasziniert das Mienenspiel der Anwesenden. Es reichte von Bestürzung über Trauer zu Unbeweglichkeit.
»Können Sie mir etwas dazu sagen? Haben Sie etwas gehört?«
Alle drei schüttelten den Kopf.
»Nun gut, dann darf ich Sie bitten, meiner Kollegin zu folgen, um den Toten endgültig zu identifizieren. Kein schöner Anblick; er ist mit dem Kopf auf den heißen Gitterrost gedrückt worden. Bitte halten Sie sich zu meiner Verfügung, falls ich noch Fragen habe.«
»Du lässt sie einfach gehen?« Ians Partner und Kollege schüttelte den Kopf. Er hatte vom Nebenzimmer aus alles gehört und konnte die Familie Sullivan ausgiebig beobachten.
»Ich will sie ein bisschen schmoren lassen, vielleicht auch in Sicherheit wiegen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Samhain nichts damit zu tun hat. Ich glaube auch nicht, dass John das Zufallsopfer einer verkleideten Hexe war. Einer von den drei Sullivans wars, da bin ich mir sicher. Es ist niemand von außen reingekommen und hat diesen Oberkellner umgebracht.«
»Er hatte doch viele Frauengeschichten. Vielleicht hat er nicht einmal vor verheirateten Frauen haltgemacht?«, warf der Assistent ein.
»Das schaut mir eher nach einer Affekttat aus«, ließ sich Ian nicht aus dem Konzept bringen. »Der Zeitpunkt war wohl günstig. Also auf, Recherchearbeit, Nachbarn befragen, schnüffeln eben.«
Zwei Tage später hatte Ian McCarty einen Packen Papier auf dem Schreibtisch liegen. Mit seinem Kollegen ging er die einzelnen Punkte noch einmal durch. »Ich hatte wieder einmal recht – ruf die drei Sullivans an, sie sollen heute Nachmittag in die Garda kommen.«
Sichtlich nervös und angeschlagen saßen die beiden Damen Erin und Donna vor ihm. Mister Sullivan war blass, seine Augen flackerten.
*
Ian hielt kurz inne. Seine drei Kollegen hatten ihn kein einziges Mal während seiner Erzählung unterbrochen.
»Die Befragungen haben ein interessantes Bild ergeben. In vielen Familien gibt es Leichen im Keller; nie wird darüber gesprochen. Und dann kommt es zur Katastrophe. Es ist nicht immer das, wonach es aussieht. Ihr werdet überrascht sein, wer letztendlich John Walter umgebracht hat und warum.«
*
»Ich fange mit Ihnen an, Erin. Eigentlich wollten Sie etwas anderes machen, aber die Tradition hat