Der gute Mensch von Assuan. Peter S. Kaspar

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Der gute Mensch von Assuan - Peter S. Kaspar

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sind?«, fragte Mansur zweifelnd.

      Roland drehte den Kopf zu ihm und sah ihn mitleidig an. Als er sich wieder der Fahrbahn zuwandte, sah er nur einen Schatten und trat im gleichen Moment mit aller Macht auf die Bremse.

      Ein dumpfer Knall.

      »Oh mein Gott«, rief Roland entsetzt. »Ich hab’ jemanden angefahren!«

      Der Wagen kam zum Stehen. Roland und Mansur rissen die Türen auf. Wenige Meter hinter dem Volvo, halb auf dem Bürgersteig, halb auf der Fahrbahn und direkt unter einer Straßenlaterne lag eine Gestalt. Blut färbte das Pflaster langsam rot. Noch ehe sie das Unfallopfer erreicht hatten, schien es sich zu berappeln. Es war ein junger Schwarzer, der sich nun stöhnend auf seine Arme stützte.

      Roland kniete sich neben ihn und fragte: »Alles okay?«

      Mansur, der sich von der anderen Seite über den Verletzten beugte, schüttelte den Kopf und brummte: »Reichlich intelligente Frage. Komm, wir müssen Polizei und Krankenwagen rufen.«

      Der junge Mann wurde beinahe panisch. »No police, no police, pas de police!«, schrie er in einem Mischmasch aus Englisch und Französisch.

      Mansur blickte Roland vielsagend an. »Scheint etwas ausgefressen zu haben, das Früchtchen.«

      Roland schien sich zu winden. »Na, wenn er partout keine Polizei haben will … und am Auto wird auch nicht mehr als eine Delle sein.«

      Mansur brummte. »Verstehe, Senatsbauverwaltung.«

      Roland zuckte schuldbewusst mit den Schultern.

      »Trotzdem, ins Krankenhaus muss er. Schau dir die Stirnwunde an. Hat sicher eine Gehirnerschütterung. Vielleicht hat er sich auch noch was anderes eingefangen.« Er wandte sich dem Mann zu. »We will bring you to the next hospital.«

      Die Augen des jungen Schwarzen wurden immer größer. Energisch schüttelte er den Kopf. »No hospital, no hospital. Trop cher, nix Geld.«

      »Sprachbegabt ist er ja«, meinte Mansur trocken und wandte sich wieder dem Verletzten zu. »No problem. I will pay everything.«

      Der Schwarze blieb misstrauisch. Er schien Schmerzen zu haben.

      »Ich schätze mal, er kommt wohl irgendwo aus Westafrika«, vermutete Mansur.

      »Dann ist er wahrscheinlich ein Flüchtling oder ein Dealer, wahrscheinlich beides.«

      »Vous êtes un réfugié?«

      Der Mann schaute Mansur ängstlich an. Doch Mansur schenkte ihm sein wärmstes Lächeln. Der andere schien Vertrauen zu fassen. »Pas de police. Seulement l'hôpital. Keine Polizei, nur das Krankenhaus.«

      »Ich schau mal nach dem Verbandskasten«, kündigte Roland an.

      Bis Roland wieder da war und ein Verbandspäckchen um die Kopfwunde gelegt hatte, hatte Mansur erfahren, dass der junge Mann Souliman hieß und aus dem Senegal stammte.

      »Puh, dann wird er ja schlechte Karten haben«, sagte Roland.

      »Wieso?«, wollte Mansur wissen.

      »Na ja, der Senegal gilt jetzt vielleicht nicht als sicheres Herkunftsland, aber sicher auch als keines, für das besonders triftige Asylgründe vorliegen.«

      Die beiden stützten Souliman links und rechts und führten ihn zum Auto. Er ließ alles mit sich geschehen. Roland schnallte ihn noch sorgsam an und fuhr los. Keine fünf Minuten später hatten sie das Urbankrankenhaus erreicht, jene große Klinik, die über dem früheren Hafen am Landwehrkanal errichtet worden war.

      Roland bremste scharf vor der Notaufnahme. Sie holten ihren Patienten vorsichtig vom Beifahrersitz, als plötzlich ein Polizist neben ihnen auftauchte.

      »Darf man fragen, was hier passiert ist?«, erkundigte er sich, ohne auch nur den Versuch zu machen, sein offenkundiges Misstrauen zu verbergen.

      »Verflucht, ich habe schon geahnt, dass ich diese Geschichte heute noch erzählen muss«, fluchte Mansur und weckte damit erst recht die Neugier des Beamten. Roland erstarrte. Mansur lamentierte: »Es war alles meine Schuld. Es ist in unserem Bandkeller passiert. Sammy spielt das Cajón und dann und wann die Steeldrums. Eigentlich kommen wir ja vom Jazz. Na, wir sind ja auch nicht mehr die Jüngsten. Aber seit Sammy bei uns ist, ist das alles ganz anders. Er hat richtig Schwung in unseren Laden gebracht. Na ja, er fand, dass ich an meinem Kontrabass nicht nur einfach so rumstehen sollte, sondern mehr so interagieren.«

      »Interagieren?«, fragte der Beamte ungläubig.

      »Können wir jetzt, Manni?«, fragte Roland ungeduldig.

      »Interagieren …«, wiederholte der Polizist.

      »Na ja, er meinte … soll ich das wirklich erzählen? Es ist schon peinlich genug.«

      »Was ist peinlich?«

      »Sammy meinte, ich solle es mit Samba versuchen.«

      »Mit Samba?«

      »Na ja, ich solle mit meinem Kontrabass richtig Samba tanzen. Käme auf der Bühne sicher saugut.«

      »Und dann?«

      »Hab’ ich Sammy voll erwischt mit meinem Kontrabass. An der Stirn, hat geblutet wie Sau.«

      »Und warum stehen Sie dann noch rum? Bringen Sie den Mann in die Notaufnahme!«

      »Aye, aye, Sir«, erwiderte Mansur zackig.

      Sie brachten Souliman in den Warteraum des Krankenhauses.

      Roland war noch immer völlig perplex. »Eine dämlichere Ausrede ist dir nicht eingefallen?«

      »Je mehr du dich selbst zum Affen machst, desto glaubwürdiger wird doch eine Ausrede. Der hat mir sicher jedes Wort geglaubt.«

      »Du und Kontrabass.«

      Die Schwester von der Aufnahme kam mit einem Klemmbrett herein. Ehe sie etwas sagen konnte, hatte sich Mansur bereits bei ihr untergehakt.

      »Schwester, das ist ein heikler Fall. Der Mann ist ein Flüchtling und hat fürchterliche Angst, dass die Polizei ins Spiel kommen könnte. Er fürchtet, abgeschoben zu werden. Bitte lassen sie die Polizei außen vor. Ich komme für die Behandlung auf. Hier haben sie einen Vorschuss und hier meine Adresse.«

      »Nun mal langsam. Wir kennen uns hier mit Flüchtlingen aus und wissen ziemlich genau, wie wir mit ihnen umge…« Sie stockte mitten im Satz, als sie sah, dass ihr Mansur eine Visitenkarte und zwei 500-Euro-Scheine entgegenstreckte.

      »Ich denke, das wird die Unkosten für eine Sofortmaßnahme wohl decken?«, fragte er freundlich.

      »Aber ja, äh, gewiss … aber sagten Sie nicht, er sei ein Flüchtling?«

      Mansur atmete scharf ein, um seinen aufkommenden Ärger wieder herunterzuschlucken. Dann sagte er mit zuckersüßer Stimme: »Sagen wir so: Er ist ein Flüchtling, der heute viel Glück gehabt hat.«

      Die Krankenschwester sparte sich nun weitere Fragen,

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