Der gute Mensch von Assuan. Peter S. Kaspar
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Die Krankenschwester kniff die Lippen zusammen. Noch einmal wollte sie etwas sagen.
Doch Mansur hielt seinen Zeigefinger an die Lippen. Leise und betont freundlich sagte er: »Ich gehe davon aus, dass das alles tadellos klappt. Wenn nicht, dann kaufe ich dieses ganze Krankenhaus mit allem, was drin ist, und versetze Sie höchstpersönlich in die Spülküche.«
Die Krankenschwester holte Luft und wandte sich an Roland. »Der kann doch nicht …«
Weiter kam sie nicht, denn Roland bestätigte sehr trocken: »Doch, der kann. Das dürfen Sie mir glauben.«
2. Kapitel
Wo da Not ist, denkt er, gibt es keine Güte!
Benjamin Eichbaum knabberte gesalzene Erdnüsse. Es war der Abend des allmonatlichen Hintergrundgespräches mit der Bezirksbürgermeisterin. Seit Monaten drehten sich diese Termine nur noch um das Thema Flüchtlinge. Es war zwar nicht so, dass es keine Probleme mit zu knappem Wohnraum, leeren Haushaltskassen oder Drogen auf den Straßen und in den Parks gegeben hätte, aber es blieb eine unbestreitbare Tatsache, dass die Flüchtlingsfrage all diese Themen erheblich beeinflusste. Der Journalist seufzte laut, schnipste eine Erdnuss hoch und fing sie geschickt mit dem Mund auf.
»Du kannst ja Kunststückchen«, beschied ihm Silke Sperling grinsend. »Vielleicht sollten wir mit dir auf Tournee gehen, dann wäre unsere klamme Haushaltskasse schnell wieder voll.«
»Ja, und eine Woche später würdest du mir erzählen, dass sich der Finanzsenator mal wieder alles unter den Nagel gerissen hat.«
Wenn es nicht um Flüchtlinge ging in diesen Gesprächen, dann häufig darum, wie die Senatsverwaltung ein ums andere Mal die Bezirke aushebelte. Besonders auf den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hatte es das Rote Rathaus abgesehen. Seit Jahren war dieser Bezirk fest in der Hand der Grünen. In allen anderen Rathäusern regierten die Roten oder die Schwarzen – und die bildeten eine Koalition im Abgeordnetenhaus. Kein Wunder also, dass die Landesregierung alles daransetzte, die Bezirksverwaltung bei jeder Gelegenheit schlecht aussehen zu lassen. Gerade das Flüchtlingsthema bot dafür reichlich Gelegenheit.
Silkes Miene wurde grimmig. »Stell dir vor: Wir müssen jetzt in der Mariannenstraße eine Turnhalle räumen, um Platz für Flüchtlinge zu schaffen. Gleichzeitig wollen sie in Treptow jetzt zwei Häuser abreißen, in denen wir 90 Flüchtlinge unterbekämen.«
»Warum sollen die Häuser denn abgerissen werden?«, wollte Benny wissen.
»Für die A 100. Abgesehen davon, dass ich sie für so überflüssig wie einen Kropf halte: Dieser Bauabschnitt wird erst in fünf Jahren in Angriff genommen. Es gibt gar keine Veranlassung, die Häuser jetzt abzureißen. Und es kommt noch besser: Sozialsenator Bunzel erkundigt sich bei seinem Kollegen, Bausenator Rute, ob man die Häuser nicht als Übergangslösung für Flüchtlinge stehen lassen könne – und der Rute sagt nein.«
»Moment«, Benny war höchst irritiert. »Rute ist doch ein Sozi und Bunzel ein Migrantenfresser von der Union?«
Silke grinste breit. »So ist es.«
Bennys parteipolitisches Weltbild hatte gerade einen schweren Knacks bekommen. Aber inzwischen sollte man sich über gar nichts mehr wundern.
In der leicht verqualmten Kellerkneipe hatten sich mittlerweile ein paar Stammgäste eingefunden. Man grüßte sich mit einem kurzen Nicken. Wenn sich Benny und Silke an den kleinen runden Tisch in der Ecke zurückgezogen hatten, dann war den meisten klar, dass dort in gewisser Hinsicht gearbeitet wurde, und das wurde meist auch respektiert.
Dass um diese Zeit zwei wildfremde Menschen die Kneipe betraten, war zumindest so ungewöhnlich, dass Benny kurz den Kopf hob. Er stutzte. Ganz so wildfremd waren sie nicht. Zumindest den einen kannte er doch! Benny schüttelte sich kurz, als habe er eine Erscheinung gehabt, die sich nun schnell wieder verflüchtigen würde. Er sah noch einmal genauer hin. Er war es. Nein, das konnte nicht sein. Was hatte der in einer Kellerkneipe in Kreuzberg verloren?
»Ist was?«, fragte Silke. »Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.«
Benny schüttelte langsam den Kopf. »Dachte ich auch, aber ich müsste mich schon sehr täuschen, wenn da am Tresen nicht Mansur Ghali sitzen würde.«
»Kenn’ ich nicht.«
»Das ist einer der reichsten Männer Afrikas. Der baut schlüsselfertige Städte. Ich hab’ ihn vor drei Jahren einmal auf seiner Yacht interviewt.«
Jetzt drehte sich auch Silke um. »Du meinst den gutaussehenden, hochgewachsenen Mann, der ein wenig an Omar Sharif in jungen Jahren erinnert und neben Roland Hektor von der Senatsbauverwaltung sitzt?«
»Kenn’ ich nicht.«
»Aber gleich.«
»Gemütlicher Laden«, sagte Mansur und ließ seinen Blick schweifen.
»Ja, ich war viel zu lange nicht mehr hier.« Roland grinste so zufrieden, als gehöre ihm die Kneipe persönlich.
»Dass es so etwas noch gibt … Ich dachte schon, ganz Berlin würde nur noch aus Espresso-Bars und Cocktail-Lounges bestehen.«
»Ich weiß doch, was dir gefällt«, bemerkte Roland nicht ohne einen Anflug von Stolz.
Der junge Mann hinter dem Tresen servierte den beiden ein frisches, liebevoll gezapftes Bier. Sie stießen an. Da hielt Roland schlagartig mit dem Trinken inne. Über den Rand seines Glases hatte er Silke Sperling gesehen. Wenn es eine Person in dieser Stadt gab, der er heute am wenigsten begegnen wollte, dann war es diese Frau.
»Was ist denn los mit dir? Schmeckt das Bier nicht mehr?«, fragte Mansur besorgt.
»Wir müssen weg«, flüsterte Roland.
»Bis du verrückt? Wir haben gerade mal einen Schluck getrunken.«
Silke winkte grinsend und deutete auf ihren Tisch.
Roland lächelte schief. »Zu spät, sie hat mich entdeckt.«
»Wer hat dich entdeckt?«
»Mansur«, erklärte Roland mit einem tiefen Seufzen, »ich werde dich jetzt einer hochinteressanten Frau vorstellen. Sagt dir der Name Silke Sperling etwas?«
Roland und Mansur traten an den kleinen Tisch.
»Hallo Silke, schön dich zu sehen.«
»Lügner«, sagte sie augenzwinkernd. »Aber nett von dir, das zu sagen. Und dein Begleiter ist wohl Mansur Ghali, ein Mann, mit dessen Privatvermögen der Haushalt des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg für mindestens zwölf Jahre gedeckt wäre?«
Mansur lachte laut auf. »Und Sie müssen die Bezirksbürgermeisterin sein. Ich habe schon gehört, dass Sie kein Blatt vor dem Mund nehmen und dass Sie die Drogenprobleme ihres Bezirks mit Coffeeshops lösen wollen. Interessanter Gedanke übrigens. Ihren Begleiter habe ich auch schon