Verzweifeln oder krank werden ist auch keine Lösung!. Gerhard Seidel
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Die besten Arbeitsbedingungen helfen nichts, wenn die Mitarbeiter einen ungesunden, einen krankmachenden Lebensstil pflegen. Umgekehrt gilt: Die Menschen können noch so gesund und aktiv sein. Wenn die Arbeitsbedingungen schlecht sind, wird sich das dramatisch schnell ändern.
Und doch, wenn sich Mitarbeiter darüber wundern oder ärgern, dass Chefs und Vorgesetzte in den Unternehmen schlecht führen, dann muss es auch erlaubt sein, die Fragen zu stellen: Wie sieht das Management des eigenen Lebensstils aus? Wie führen sich die Menschen selbst?
Kann es sein, dass die Mitarbeiter den Splitter im Auge der „dort oben“ sehen und den eigenen Balken vergessen?
Wenn man die Selbstfürsorge als Eigenmanagement begreift, dann sind manche Lebensunternehmer nicht viel besser als die, deren Verhalten sie verurteilen.
Die Ergebnisse von Untersuchungen renommierter Institute zeigen: Der Bundesbürger hat, was seine Ernährung, seine körperliche Betätigung, seine geistige Fitness und sein soziales Umfeld – also die eigenen lebensbestimmenden Faktoren – angeht, erschreckende und folgenschwere Durchschnittswerte.
Die destruktiven persönlichen Verhaltensweisen und die teilweise desolaten körperlichen und geistigen Zustände haben einen starken Einfluss auf die Beschäftigungsfähigkeit. Wir werden also gemeinsam untersuchen, wie stark dieser Einfluss ist und was man tun kann, um eine positive Korrektur vorzunehmen.
Als Einstimmung auf meinen Vortrag möchte ich also postulieren: Wenn das Management mit seiner Art und Weise, die Mitarbeiter zu führen, für die Probleme, die sich im Zusammenhang mit der Psychosozialen Gesundheit ergeben, verantwortlich ist, dann teilen sie sich diese Verantwortung mit den Mitarbeitern, die sich selbst auch nicht gerade optimal führen. Bevor ich Ihnen gleich einen kurzen Überblick gebe, möchte ich mich zunächst vorstellen.
Obwohl ich inzwischen schon längst das Rentenalter erreicht habe, bin ich noch als Unternehmensberater tätig, schreibe Artikel für Fachzeitschriften und kümmere mich als eine Art „Business Angel“ um Jungmanager, die Firmen gründen oder bestehende Firmen zukunftsfähig machen wollen. Das verschafft mir die Möglichkeit, mein Wissen und meine Erfahrungen zur Verfügung zu stellen. Dies macht mir sehr viel Freude.
In jungen Jahren war ich als Industriekaufmann, Bilanzbuchhalter, Direktionsassistent, Personalleiter und viele Jahre als Controller tätig. Zudem kann ich mit einem abgeschlossenen Betriebswirtschaftsstudium aufwarten. Im Laufe der Jahre sammelte ich umfangreiche berufliche Erfahrungen, mit denen ich angemessen auf die Herausforderungen als Unternehmer reagieren konnte.
Innerhalb von fünfzehn Jahren baute ich nach meinem Angestelltendasein ein eigenes internationales Unternehmen mit 1.200 Mitarbeitern in acht europäischen Ländern auf. Zweck dieses Unternehmens war, Menschen zu persönlichen und beruflichen Erfolgen zu verhelfen. Das geschah durch Umschulungen, Qualifizierungsmaßnahmen, Bewerbertrainings, Reintegrationsseminare, Outplacements usw.
Einerseits sehr erfolgreich, gab es wohl kaum einen Fehler, den ich als Chef und Manager nicht machte oder ertragen musste. Vielleicht waren gerade diese „negativen“ Erfahrungen die wichtigsten, denn: Nichts ist unnütz, es kann immer noch als schlechtes Beispiel dienen.
So weit einige Anmerkungen zu meiner Person.
Wir wechseln zurzeit in den nächsten, den 6. Kondratieff-Zyklus. Dort – so prognostiziert der Wirtschaftstheoretiker und Zukunftsforscher Leo Nefiodow – gehören Psychosoziale Gesundheit, Spiritualität, Lebensqualität, Wohlgefühl und ein störungsfreies soziales Umfeld zu den wichtigsten Innovationsfaktoren dieser wahrscheinlich dreißig bis fünfzig Jahre andauernden Periode.
Diese Erkenntnis wird in Zukunft an Bedeutung gewinnen, vor allem unter dem Aspekt, dass das Konfliktpotenzial des internen Leistungsaustausches – also Arbeit gegen Entlohnung – auf der einen Seite die Leistungsmöglichkeiten der Unternehmen und auf der anderen Seite das individuelle Leistungsvermögen der Mitarbeiter herausfordert. Diesem Leistungsaustausch und den möglichen Disharmonien und Problemen wird man in Zukunft mehr Bedeutung schenken müssen.
Denn was nützen die besten Einkaufskonditionen, ein gut funktionierendes Controlling, strategische Planung oder ein ausgefeiltes und aktuelles Management-Informations-System, wenn das betriebliche Geschehen von falschem Führungsverhalten, Mobbing, Gleichgültigkeit, Überforderung, Stress, Krankheiten, Fehlzeiten und innerer Kündigung bestimmt wird.
Der fachliche Begriff für dieses Phänomen heißt „Präsentismus“ und beschreibt die Produktivitätsverluste, die verursacht wurden, weil die Mitarbeiter in ihrer Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz – aus welchen Gründen auch immer – eingeschränkt sind. Die Folge ist: Das Leistungsvermögen – obwohl bezahlt – steht nicht zur Verfügung.
Frage einer Teilnehmerin: Können Sie uns Bücher über diesen Kondratieff-Zyklus empfehlen?
Antwort: Ja, da gibt es zwei empfehlenswerte Bücher: „Der sechste Kondratieff: Wege zur Produktivität und Vollbeschäftigung im Zeitalter der Information“ von Leo A. Nefiodow (2001) und „Kondratieffs Gedankenwelt – Die Chancen im Wandel zur Wissensgesellschaft“ von Erik Händele. Und dann natürlich das Internet, in dem Sie jede Menge Ausführungen zu diesem Thema finden.
Das Problem ist, dass in den Unternehmen nicht nur die Kompetenzen der Mitarbeiter zu wenig genutzt werden, sondern dass außerdem die Verhältnisse oft so sind, dass deren Leistungsvermögen durch schlechte Bedingungen reduziert wird. Abenteuerlich hohe Krankheitsquoten, Reklamationen, Dienst nach Vorschrift, innere Kündigungen, Fehlzeiten usw. dezimieren die Gewinne erheblich. Man muss sich das mal vorstellen: Da werden 100 Prozent Gehalt bezahlt und nur maximal 30 bis 50 Prozent der Kompetenzen genutzt!
Ich habe vor einiger Zeit ein Buch über ungenutzte unternehmerische Ressourcen geschrieben und dabei Möglichkeiten aufgezeigt, die gesamten Potenziale der Mitarbeiter zu erkennen und in verkaufsfähiges Leistungsvermögen zu transformieren. Denn wenn es stimmt, was Arbeitswissenschaftler festgestellt haben, und nur etwa 50 Prozent der vorhandenen Mitarbeiterressourcen genutzt werden, wäre es sinnvoll, sich einmal darum zu kümmern. Dann wäre die Diskussion um den teuren Standort Deutschland mit einem Schlag erledigt! Doch das ist ein anderes Thema, welches wir heute nicht besprechen wollen.
Frage eines Teilnehmers: Sind diese Untersuchungen im Internet zu finden? Mir scheint dieser angebliche Nutzungsgrad doch sehr gering zu sein.
Antwort: Sie werden sicher im Internet Hinweise darauf finden. In dem von mir zitierten Buch gehe ich sehr ausführlich darauf ein. Und wie ich u. a. dort ausführe, habe ich auch schon Unternehmen beraten, die bei einem Nutzungsgrad von etwa 30 bis 40 Prozent lagen.
Doch mein Fokus in diesem Vortrag ist ein anderer. Es sind nicht nur die oft schlechten Arbeitsbedingungen und/oder ein falsches Führungsverhalten schuld an diesen schlechten Nutzungsgraden. Nein, es gibt, wie immer im Leben, auch noch die andere Seite der Medaille. Die Frage, die sich stellt, ist auch: Was tun die Mitarbeiter, um ihre Beschäftigungsfähigkeit – auch Employability genannt – zu pflegen und zu erhalten.
Halbiert sich ihr Leistungsvermögen vielleicht auch deshalb, weil diese Menschen durch eine defätistische innere Einstellung und einen ungesunden Lebensstil – ich werde später noch im Detail erklären, was darunter zu verstehen ist – nichts oder nur wenig dafür tun, um ihre volle Leistungskraft, die ja vertraglich vereinbart und bezahlt ist, zu erhalten?
Oder um es etwas dramatischer oder überspitzt zu formulieren: Werden die Mitarbeiter aus Gründen, die in ihrer privaten Sphäre liegen