Beutewelt VI. Friedensdämmerung. Alexander Merow

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Beutewelt VI. Friedensdämmerung - Alexander Merow

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mischte sich der Vorsitzende in die Debatte ein; er stimmte dem Vorschlag des Weltpräsidenten zu. „Natürlich ist Tschistokjow nicht naiv, aber er wird sich freuen, wenn er erst einmal in Ruhe sein Land aufbauen kann. Vielleicht wird er auch mit der Zeit nachlässiger und zögernder, was seine Rüstungsvorhaben betrifft. Ich halte es nicht für unrealistisch, dass wir ihn dazu bringen können, uns gegenüber gutmütiger und weniger wachsam zu sein. So wie die GSA sein Persönlichkeitsprofil einschätzt, will dieser Mann das Gute und träumt keineswegs vom ewigen Krieg. Geben wir ihm doch seinen ersehnten Frieden, auf dass er faul und träge wird.“

      „Ja, wir töten ihn langsam – mit der Illusion des Friedens!“, zischte der Weltpräsident leise in die Runde und lächelte kalt.

      Einige der anderen Ratsmitglieder ließen sich im weiteren Verlauf der Diskussion von den Plänen der beiden obersten Männer des Rates der 13 überzeugen, andere hingegen blieben nach wie vor skeptisch. Doch letztendlich hatte wie immer der Vorsitzende die Entscheidungsgewalt und dieser ordnete schließlich an, was den Logenbrüdern so fremd war, wie einem Vogel der Meeresgrund: Frieden.

      So ließ die permanente Hetze der internationalen Medien gegen den Nationenbund der Rus in den folgenden drei Monaten spürbar nach, was zugleich die erste Maßnahme der neuen Friedenpolitik des Weltverbundes darstellte.

      Die weltweit vernetzte Logenorganisation tat nun alles dafür, das Klima zwischen der Weltregierung und dem neuen Russland Schritt für Schritt zu entspannen. Für Mitte November des Jahres 2042 kündigte sich schließlich hoher diplomatischer Besuch im neuen Präsidentenpalast von St. Petersburg an. Kein geringerer als der Weltpräsident selbst bat Artur Tschistokjow um Friedensgespräche und dieser willigte offensichtlich dankbar ein.

      Tief im Inneren wusste das Oberhaupt des Nationenbundes zwar, dass man eher einer Giftschlange als seinem baldigen Gast trauen konnte, doch Tschistokjow interpretierte dieses unerwartete Angebot trotz allem als Erfolg seiner Politik; er redete zunehmend häufiger davon, die Konflikte mit der Weltregierung in Zukunft ohne Blutvergießen klären zu können.

      Thorsten Wilden, als Kenner der weltpolitischen Hintergründe, wie auch viele weitere Kabinettsmitglieder und Freunde Tschistokjows, betrachteten die neue Vorgehensweise der Weltregierung hingegen weit weniger euphorisch. Sie warnten den russischen Souverän eindringlich davor, sich von den gespaltenen Zungen seiner Feinde einwickeln zu lassen. Artur Tschistokjow betonte jedoch, dass ihm die Vorgehensweisen und Taktiken der Logenbrüder bestens bekannt wären und bat seine Mitstreiter, sich keine Sorgen zu machen. Doch wer ihn in dieser Zeit sah und reden hörte, der merkte ihm seine unübersehbare Freude darüber an, dass der übermächtige Gegner offenbar endlich bereit zu sein schien, den ewigen Kreislauf aus Hass und Krieg zu unterbrechen.

      „Natürlich werden wir oder unsere Nachfahren uns eines Tages wieder mit den Logenbrüdern auf dem Schlachtfeld auseinandersetzen müssen, aber wir sollten jede friedliche Minute nutzen, um aufbauend und konstruktiv unserem Land zu helfen“, verkündete Artur Tschistokjow immer wieder.

      Schließlich gab er sogar zu, dass er des ständigen Kämpfens gründlich müde geworden war und manchmal schien er fast selbst daran zu glauben, dass es einst so etwas wie eine friedliche Koexistenz des Weltverbundes und der freien, unabhängigen Staaten auf Erden geben könne.

      Thorsten Wilden warf seinem Freund und Weggefährten hingegen Kurzsichtigkeit vor; er forderte ihn auf, sein Augenmerk auch weiterhin auf die militärische Aufrüstung Russlands zu legen und das Treffen abzusagen. Doch Tschistokjow war fest entschlossen, den Weltpräsidenten am 16.11.2042 in St. Petersburg zu empfangen.

      „Als oberster Mann des Nationenbundes der Rus trage ich die volle Verantwortung für mein Volk und ich bin verpflichtet, keine Möglichkeit auf Frieden auszuschlagen“, verteidigte Tschistokjow seine Position.

      Bald waren es kaum noch zwei Wochen, bis das Oberhaupt des Weltverbundes Russland zu besuchen gedachte, und die Vorbereitungen für das Treffen der beiden Staatsmänner liefen bereits auf Hochtouren.

      Tschistokjow wollte seinem Gast einen beeindruckenden Empfang bereiten; er schien ganz auf die Verführungskünste der Logenbrüder hereinzufallen – schneller als es diese erwartet hatten.

       Friedensgespräche

      „Der Weltpräsident kommt zu uns?“, rief Frank völlig verblüfft, sein Sessel kippte fast nach hinten weg.

      Auch Julia stand mit weit aufgerissenen Augen vor dem Fernsehkasten und verfolgte die Nachrichtensendung auf dem ausländischen Kanal. Friedrich hingegen spielte am anderen Ende des Wohnzimmers mit einigen Bauklötzen, lachte ab und zu laut auf und schien die weltpolitische Brisanz des angekündigten Staatsbesuches ziemlich zu ignorieren.

      „Der Weltverbund hat sich entschlossen, dem russischen Diktator Artur Tschistokjow eine Chance zu geben und wird in Zukunft versuchen, auf diplomatischem Wege eine Einigung mit dem neu entstandenen Nationenbund der Rus zu erzielen.

      Bei diesem ersten Friedengespräch mit Russland wird es unter anderem um eine zukünftige Neuausrichtung der außenpolitischen Verhältnisse gehen, allerdings werde der Weltpräsident auch die Problematik der Aufrüstung und der Menschenrechtsverletzungen in Russland ansprechen“, verkündete die Nachrichtensprecherin.

      „Dieser Hund kommt tatsächlich zu uns! Ich dachte, dein Vater hätte einen Scherz gemacht, als er mir erzählt hat, dass Artur den Kerl empfangen will“, murmelte Kohlhaas in Julias Richtung. Er konnte es einfach nicht fassen.

      „Humanität und Pazifismus sind die Grundpfeiler der neuen Weltordnung und es ist wichtig, auch Staaten wie Japan und Russland zurück in den Kreis der friedliebenden Nationen zurückzuführen und Kriege in Zukunft zu verhindern“, erklärte der Weltpräsident bei einer Pressekonferenz in New York.

      Frank und Julia rümpften die Nasen; sie betrachten die neue Taktik des Weltverbundes mit berechtigter Skepsis.

      „Die planen doch wieder etwas“, flüsterte die Tochter des Außenministers, gebannt auf den Fernsehbildschirm starrend.

      „Humanität und Pazifismus! Wie lächerlich!“, zischte Frank und schaltete das Gerät ab.

      Die nächsten Stunden dieses aufregenden Tages waren von langen Gesprächen zwischen Julia und ihm geprägt. Auch Alfred kam mit Svetlana zum Abendessen vorbei, um sich ausführlich über die neue Situation auszulassen. Franks bester Freund wirkte ebenfalls verstört und stellte wilde Spekulationen bezüglich des baldigen Besuches des Weltpräsidenten an.

      Sie hatten mit vielem gerechnet, aber nicht damit. Dass die Logenbrüder auf einmal vorgaben, den Frieden zu wollen, verwirrte sie zutiefst. Zwei Tage später wurden Frank und Alfred von einem aufgeregten Artur Tschistokjow nach St. Petersburg gerufen, um an den Vorbereitungen für den historischen Staatsbesuch mitzuwirken.

      „Die Waräger sollen als meine Ehrengarde Spalier stehen, wenn der Weltpräsident kommt“, ordnete das Oberhaupt des Nationenbundes an. Er machte den Anschein, als würde zumindest ein Teil von ihm doch an ein friedliches Auskommen mit dem Weltverbund glauben.

      Frank sagte Tschistokjow hingegen gehörig die Meinung. Er war außer sich, ermahnte ihn, den bisher beschrittenen Weg nicht zu verlassen und keine Zugeständnisse zu machen. Ähnlich verhielt sich auch der japanische Präsident Matsumoto, der seinen russischen Bündnispartner mehrfach zu überzeugen versuchte, das Treffen wieder abzusagen.

      „Diese Verbrecher können nur mit dem Schwert niedergerungen werden. Ihre süßen Worte sind nichts als

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