Wellenwasser. Reinhard Kessler

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Wellenwasser - Reinhard Kessler страница 4

Wellenwasser - Reinhard Kessler

Скачать книгу

      Keine Stauwarnungen, wo sie stimmen würden.

      „Gott sei dank! Endlich mal ein Stau!”

      „Was ist denn mit dir los? Wieso endlich mal ein Stau? Du freust dich über einen Stau? Geht’s noch?”

      „Ja, klar. Das heisst doch, dass viele Leute dorthin wollen, wo wir hinwollen. Also muss es dort schön sein. Stell dir vor, wir fahren in die Ferien an einen Ort, wo keiner hin will. Da hätten wir zwar keinen Stau, aber das heisst doch, dass keiner dort hin will. Und dann müssten wir uns fragen, warum wir dorthin fahren, wo keiner hin will. Also ist ein Stau ein gutes Zeichen. Wo wir hin wollen, muss es schön sein.”

      „Pass lieber auf die Strasse auf als so einen Unsinn zu erzählen.”

      „Was macht der denn?”

      „Achtung, ausscherendes WoMo auf ein Uhr!”

      „Wegen dem muss ich voll in die Eisen steigen, der macht mir meinen ganzen Speed kaputt! Das dauert Tage bis ich mein Tempo wieder habe.”

      „Oh, fährt der einen heissen Reifen!”

      „Guck mal, der telefoniert bei 200 Sachen.”

      „Irre!”

      „Da müssen wir raus!”

      Wismar umfahren. Ab auf die Insel!

      Endlich Urlaub!

      „Riechst du das Wasser?”

      „Nee, ich bin doch kein Pferd! Aber weisst du noch, wie wir mit den Kindern an die See gefahren sind?”

      „Was meinst du?”

      „Wie lange dauert es noch? Ich hab Durst! Krieg ich ein Bonbon? Ich muss auf’s Klo! Ich kann nicht mehr sitzen. Wann sind wir da? Ich will ans Wasser! Ist meine Schaufel dabei? Haben wir mein Eimerchen mit? Stimmt das, dass man mit dem Auto auf ein Schiff fahren kann? Kaufen wir einen Drachen?”

      „Ja, Frau, da erinnere ich mich noch gut dran. Das ist doch jetzt eine ganz neue Form der Freiheit, so ohne Kinder Ferien zu machen. Nicht, dass das vorher mit den Kindern nicht schön war, aber das hier ist doch nochmal was ganz anderes, oder?”

      „Klar. Ausschlafen war mit den Kindern nicht möglich. Mein Gott, um sechs Uhr stand der Kleinste schon auf der Matte! Diese biologischen Wecker sind ziemlich brutal.”

      „Genau. Und als sie noch ganz klein waren, da haben wir uns die Hälfte der Ferienzeit mit der Brutpflege beschäftigt.”

      „So ein schreiendes Verdauungsystem kann ganz schön anstrengend sein! Und mehr sind sie ja in dem Alter nicht.”

      „Zum Glück schlafen sie in dem Alter noch viel.”

      „Nur nicht morgens früh.”

      „Wir haben es ja nicht anders gewollt.”

      „Ich bereue nichts!” „Ich auch nicht.”

      „Aber trotzdem. Morgens ausschlafen, Brötchen holen, in Ruhe Kaffee trinken, wenn man will, oder auch nicht, wenn man nicht will. Mensch, das isses, das isses! Wir sind raus aus dem Dreck! Das ist jetzt real existierender Urlaub! Wir haben unser Leben zurück bekommen.”

      „Wie sagt man: ich bin ein freier Schweizer und kann tun und lassen, was ich will, und selbst das muss ich nicht!”

      „Kennst du den Weg zur Ferienwohnung?”

      „Ich bin ein Mann. Ich fahre intuitiv. Ich richte mich wie eine Biene nach dem Sonnenstand. Ich muss den Weg nicht kennen und auch nicht nach dem Weg fragen!”

      „Sei doch mal ernst!”

      „Ferien, Frau, Ferien! Der Ernst ist zuhause geblieben und geht weiter arbeiten.”

      „Nein, wirklich, ich hasse diese Sucherei.”

      „Ich auch. Ich denke, wir sind jetzt da!”

      „Glaubst du?”

      „Glauben heisst nicht wissen. Ich weiss, dass wir da sind. Ort gut, Strasse gut, Hausnummer gut. Wir sind da!”

      „Endlich Urlaub!”

      Auto korrekt parken. Ferienwohnung beziehen. Gepäck reintragen. Die eigene Unordnung installieren und somit heimische Gefühle herstellen. Kleiderschränke füllen. Balkontür auf. Meer riechen. Meer hören. Meer erleben. Ein guter Slogan. Passt in jede Werbebroschüre. Da könnte man mit einem h spielen und schreiben: „mehr erleben – Meer erleben” oder auch „mehr Meer bei uns” oder „noch mehr Meer”.

      Jetzt eine halbe Stunde ruhen, so eine lange Fahrt ist trotz ausreichender Pausen ziemlich anstrengend. Dann ein Käffchen, leider nur von der löslichen Sorte. Eine Espressomaschine hat es in der Ferienwohnung nicht. Noch rasch einkaufen. Die Grundausstattung muss her. Toilettenpapier, Spülmittel, Seife, was Ethanolisches zu trinken für den Abend, Milch für den Kaffee morgen früh, ein paar Brötchen und Marmelade, … das übliche eben.

      Und dann aber gleich ans Meer. Mal schauen, ob es noch da ist.

      Deswegen fahren sie nämlich viel lieber an die Ostsee als an die Nordsee. An der Nordsee sind sie mal angekommen und voller Vorfreude auf’s Meer sind sie hoch auf den Deich, und was sehen sie?

      Viel sehen sie, aber kein Meer. Das Wasser war weg! Da hatte wohl jemand den Stöpsel von der grossen Badewanne gezogen. Das Wasser war weg, definitiv. Das Meer war gerade woanders, da war nur Schlamm und Sand, was auch dadurch nicht schöner wird, dass man das Schlick und Watt nennt. Sauerei. In einer Wohnung würde man das wegputzen. Vorher natürlich alles fotografieren und die Hausratversicherung anrufen und den Schaden melden.

      Dort finden die Touristen das aber toll und laufen mit gelbem Friesennerz barfuss durch den Wattwurmdreck.

      Die Eingeborenen nennen dort die Abwesenheit des Wassers Ebbe und versprechen einem hoch und heilig, dass das Wasser demnächst wieder kommt, und deswegen müsse man aufpassen beim Rumrennen auf dem Schlick und auf dem Sand. Sonst schneidet einem das Wasser heimtückisch mit Hilfe eines Priels den Rückweg ab und dann guckt man doof aus der Wäsche. Und damit das für die Abenteuertouristen spannender wird, veranstalten sie das jeden Tag zu einer anderen Uhrzeit. Blödes Spiel.

      Sie lehnen dort jede Verantwortung dafür ab und sagen, der Mond wäre schuld.

      Ja, ja, wer’s glaubt. Die machen sich das einfach.

      Nein, da fallen sie nicht mehr drauf rein, dann doch lieber Ostsee. Da kommt man an und ziemlich sicher ist das Wasser da, und nicht erst in ein paar Stunden wieder. Das ist einfach seriös.

      Man kauft Urlaub am Wasser und man kriegt Urlaub am Wasser. Es gibt zwar auch Ebbe und Flut, aber der Tidenhub in der westlichen Ostsee beträgt gerade mal 30 cm, das ist aber von Kanton zu Kanton verschieden, äh … nein, von Ort zu Ort verschieden, wir sind ja jetzt im Norden in den Ferien und nicht mehr in der Schweiz.

      Keine Überraschung also. Alles wie es sein soll. Das Wasser ist da. Der Wind aber auch. Den hatten sie eigentlich nicht gebucht. Den gibt

Скачать книгу