Vom Salz in der Suppe. Manfred Steinert
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Übersichtsskizze aus dem Original der sechziger Jahre
Der Start: Selbst hierbei begann zunächst alles etwas holperig, obwohl völlig harmlos im Vergleich zur Urlaubssperre des Freundes Heinz. Denn als ich frühmorgens, es war immer noch dunkel, mein Boot in Schöna von der Gepäckaufbewahrung holen wollte, machte mich der freundliche Beamte darauf aufmerksam, dass ich hier noch nicht aufs Wasser könne, weil das andere Ufer noch tschechisch sei. Ich müsse wieder eine Haltestelle zurück nach Schmilka-Hirschmühle fahren, da würde es gehen und der Zug in der Gegenrichtung würde glücklicherweise in wenigen Minuten kommen. Heute frage ich mich, wieso ich dem Hinweis gefolgt war. Denn das hieß ja Boot und alles Gepäck in den Zug reingehievt, eine Haltestelle gefahren und alles wieder raus. Und wenn ich im Morgengrauen die zwei, drei Kilometer dicht am deutschen Ufer entlang gepaddelt wäre, hätte doch kein Hahn nach mir gekräht. Schließlich war es nicht die Westgrenze, sondern die zur befreundeten Tschechei. Aber so war eben der junge, naive Durchschnitts-Ossi damals, und außerdem wollte ich nichts tun, was meine Pläne in irgendeiner Form gefährden könnte.
Jedenfalls, nach Ankunft in Schmilka – und immer noch im Morgengrauen – baute ich schließlich das Boot am Elbeufer zusammen, schob es ins Wasser, verstaute Zelt und alle andere Utensilien, nahm schließlich auf dem Hintersitz Platz und … tat die ersten Paddelschläge im braunen, damals merkwürdig duftenden und mit irgendwelchen Schnitzeln durchsetztem Elbewasser.
Das Gefühl dabei: Unbeschreiblich! So ähnlich musste wohl Neil Armstrong rund fünf Jahre später seinen ersten Schritt auf dem Mond empfunden haben.
Bei der Beschreibung der einzelnen Touren wird es kompliziert. Denn was war aus der Fülle von Einzeleindrücken und Erlebnissen besonders wichtig? Was würde in dieser stark gekürzten Form halbwegs die damalige Situation realistisch wiedergeben? Was dem »Expeditionscharakter« der Fahrten am besten entsprechen?
Zunächst wäre das Alleinsein auf der ersten Hälfte zu nennen. Nicht schlechthin allein zu sein, niemanden zum Austausch zu haben. Das war für mich, der ich vom Naturell her eher ein Individualist als ein Herdentier bin, nicht das Hauptproblem. Zudem die Eindrücke so stark waren, die Konzentration so gefordert wurde, da blieb nicht viel Platz für anderes. Auch die Grundregeln zum Befahren schiffbarer Gewässer, zuvor aus Büchern angelesen und in Form eines kleinen Handbuches mit an Bord, galt es nun umzusetzen. Das Verhalten beim Begegnen großer Frachtschiffe und anderer Sportboote, samt der dafür geltenden Vorfahrtsregeln, spezieller optischer und akustischer Signale, Zeichen an Brücken sowie das Verhalten bei (der damals noch häufigen) Gierfähren und anderes.
Das alles war kein wirkliches Problem. Das Problem begann erst abends oder wenn ich irgendwo zwecks Nachschub an Lebensmitteln oder Benzin für den Kocher in irgendein Dorf musste.
Dann musste ich alles allein lassen, hastete ins Dorf oder in das jeweilige Städtchen und hatte keine Ruhe bis ich wieder auf dem Elbedamm war und von fern erkannte, dass alles noch da war. Am Anfang war das wirklicher Stress, der sich glücklicherweise nach ein paar Tagen etwas legte. Doch als Risiko nahm ich es immer wahr, wenn ich einkaufen musste. Und falls es sich um Benzin für den Kocher handelte, reichte auch kein kleiner Dorfladen (die es heute gar nicht mehr gibt), sondern musste es dann eine kleine Stadt mit Tankstelle sein, auch wenn es sich bloß um einen 2-Liter-Kanister handelte. (Das erste Mal passierte das gleich am Nachmittag des ersten Tages in Pirna, denn ich hatte natürlich kein Benzin aus Leipzig mitgenommen.)
War das ausgestanden, kam die Nacht. Allein. Da wurde das Boot aus dem Wasser gezogen und ein Stück den Hang hochgebuckelt, man wusste ja als Anfänger nicht, wie schnell sich an einem Fluss die Wasserstände ändern könnten. Nach dem Zeltbau und nach dem Essen wurde dann – sicher ist sicher – zumindest während der ersten Tage, noch die Bootsleine durch den Zelteingang geführt und am … Fußknöchel festgebunden. Und ein Hirschfänger lag beim Schlafen immer in Griffweite. Nach ein paar Tagen ließ der nächtliche Stress allerdings nach und ich wurde gelassener. Und allgemein war das Alleinsein des Nachts beim »wilden« Zelten (damals) im Inland kein ernstes Problem. (Heute muss man das wohl anders sehen.) Zugegeben, anfangs war mir ein paar Mal mulmig zumute, als ich gegen den Nachthimmel ein paar Gestalten auf dem Elbedamm auf mich zukommen sah. Obwohl es sich wahrscheinlich dabei auch nur um Spaziergänger gehandelt hatte, für die mein Zelt wohl gar nicht interessant war, wenn sie es überhaupt bemerkt hatten.
Im Ostseeraum freilich galten ganz andere Regeln, über die noch zu sprechen sein wird.
Dass ich oft ungewollt und unwissentlich auf Kuhkoppeln oder gar auf Truppenübungsplätzen gelandet war, das war später eher die Regel als die Ausnahme. Im Gegenteil, mit Kühen wurde ich immer vertrauter und wusste bald, wie ich mit den teilweise neugierigen Tieren umzugehen hatte.
Nur einmal, viel später und bereits an der Ostsee, als wir bereits zu zweit waren, da wurde es ernster, obwohl wir noch mit einem blauen Auge davonkamen und wovon noch die Rede sein wird. Auch mit Truppenübungsplätzen hatte ich im Prinzip nur gute Erfahrungen. Einmal, ich war gerade an Land gegangen, um die Lage wegen eines Platzes für die Nacht zu peilen, da bemerkte ich hinter dem Deich erst in der Ferne eine Sturmbahn und dann unmittelbar vor mir einen sowjetischen Soldaten faul in der Sonne liegend. Es ist fraglich, wer von uns beiden mehr überrascht war? Wir rauchten eine Papirossa zusammen und ich konnte mein bescheidenes Russisch ausprobieren. Trotz beidseitiger Sympathie, dort gleich zu zelten, das hatte ich mir in Unkenntnis möglicher Reaktionen seiner Vorgesetzten dann doch verkniffen.
Dass es bei solchen, größtenteils positiv oder wenigstens glimpflich abgelaufenen Ereignissen auch Ausnahmen gab, wird sich zeigen. Ausnahmen, die das Potenzial eines worst case bargen und die wohl nur durch ein bisschen Glück zum dennoch guten Ausgang geführt hatten.
Soviel zum Thema Alleinsein auf der Elbe. Ein Thema, das zwar immer mehr an Bedeutung verlor, später sich sogar mitunter ein gewisser Leichtsinn einschlich.
Zur Streckenführung: Für jene, die entweder die durchfahrenen Gebiete kennen oder sich aus Interesse die Mühe machen wollen, alles anhand einer Karte zu verfolgen, seien nun ein paar Bemerkungen zur gesamten Streckenführung gemacht. Insbesondere, weil die beigefügte Übersichtsskizze (S. 20) hierfür kaum ausreichen dürfte. Und die anderen, denen diese Details nicht so liegen? Die müssen da eben durch, wofür sie jedoch mit besonderen Einlagen auf der Strecke entschädigt werden.
Vom beschriebenen Start in Schmilka/Sächsiche Schweiz ging es zunächst rund 440 Kilometer bis zur Havelmündung auf meiner »Jugendliebe«, der Elbe, entlang. Dresden, Meißen, Torgau, Wittenberg, Dessau, Schönebeck, Magdeburg, Tangermünde, Arneburg hießen die Städte die dabei eine gewisse Rolle spielten. Bei den Nebenflüssen, an deren Mündungen teilweise gezeltet wurde, waren es die Schwarze Elster beim Dorf Elster, die Mulde bei Dessau und die Saale bei Barby. Kleine und kleinste Flüsschen oder Bäche, die weiter keine Rolle spielten, bleiben außen vor.
Eine Besonderheit dieses Abschnittes scheint mir erwähnenswert:
Die Landschaft an der Elbe wird nach dem malerischen Weinanbaugebiet zwischen Dresden und Meißen etwas eintönig. Die Elbe fließt dort, an Riesa vorbei, mehr oder weniger zwischen zwei Dämmen, die man, im kleinen Boot sitzend, nicht überblicken kann. Jedoch etwa ab Wittenberg/Dessau wird die Landschaft richtig schön. Da fließt sie durch einen wunderschönen Auwald, bildet etwas weiter nördlich mit ein paar Altarmen ein bedeutsames Naturschutzgebiet. (Steckby-Lödderitzer Forst) Dort genehmigte ich mir sogar an einem wunderschönen Sandstrand an einem der Altarme eine Nacht und konnte da sogar das Wirken der letzten Elbebiber (damals fast ausgestorben)