Geschichten aus dem Neuen Testament - Lyrisch interpretiert. Arno Hildebrandt
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der sollt' dann Josefs Vater sein.
So war Josef der Stammeshalter
nach zweiundvierzig Menschenalter.
Die Ahnenreihe – nun bekannt –
ist vielleicht gar nicht relevant.
Denn Jesus – das weiß man ja schon –
war nicht Josefs leiblicher Sohn.
Er war Marias Mann und – richtig –
als Ziehvater war er doch wichtig!
Er war ein braver Mann gewesen.
Viel kann man nicht über ihn lesen.
Er ist jedoch, wie man hier sieht,
unmittelbares Bindeglied
zwischen dem Neuen Testament,
welches vom Alten ward getrennt.
Auch deshalb war es mein Bestreben,
zu schreiben über Josefs Leben.
Nun – Josef war ein Zimmermann
der gut mit Holz umgehen kann.
Er war beruflich sehr erfahren;
und bereits älter schon an Jahren.
Durch seines Weibes Tod gebeugt,
mit der er Söhne schon gezeugt,
lebte mit diesen er allein.
Damit wollt' er zufrieden sein.
Er führte – das war sein Bestreben –
ein wahrhaft gottergeb’nes Leben;
hat seine Arbeit gut verrichtet
und auf ein zweites Weib verzichtet.
So schrieben’s Jesu Jünger auf.
Doch keiner klärt darüber auf,
wie Josef zu Maria kam
und weshalb er sie zu sich nahm.
Das fehlt bei ihnen, und darum
schaute ich mich noch weiter um.
Schließlich habe ich auch nach Stunden
Jakobus Schriftstück noch gefunden:
Es heißt Protevangelium
und steht nicht in der Bibel. – Drum
wird es sehr selten nur genannt
und ist deshalb nicht so bekannt.
Ich bin recht neugierig gewesen
und hab es aufmerksam gelesen.
Da es vielleicht doch interessiert,
hab' ich es auch interpretiert.
* * *
Wie Josef zu Maria kam
Maria, die grad zwölf geworden, 1
lebte bis jetzt im Priesterorden.
Der Umstand war nun bei den Alten
moralisch so nicht mehr zu halten!
Jedoch bevor sie deshalb stritten,
wollten sie ihren Herrgott bitten,
ihnen zu sagen, was sie nun
denn mit Maria könnten tun.
Hier wundere ich mich schon sehr!
War eine Lösung denn so schwer?
Wäre es denn nicht gut gewesen,
dieses so unschuldige Wesen
ins Elternhaus zurück zu geben,
wo sie behütet könnte leben?
Das wäre für das Kind fürwahr
das Naheliegenste sogar!
Der Hohepriester im Ornat
bat Gott im Tempel nun um Rat.
Als er dort kniete am Altar,
ein Engel ihm erschienen war.
Der sprach zu Zacharias dann:
»Für einen künft’gen Ehemann,
rufe die Witwer hier zusammen,
welche vom Blute Davids stammen.«
»Ein jeder soll vor allen Dingen
seinen eigenen Stab mitbringen!
Wo Gott ein Zeichen gibt darein,
des' Weib soll dann Maria sein!«
Da man durch Gott die Lösung fand,
ging gleich der Ruf hinaus ins Land:
Die Witwer all', unausgenommen
sollten nun hin zum Tempel kommen.
Ist der Gedanke nun so dumm,
wenn ich die Frage stell', warum
musste die Auswahl hier allein
auf Witwer nur beschränkt denn sein?
Nun – man erlebt es ständig, stündlich –
Gottes Wege sind unergründlich.
So machten sich schon kurz darauf
ringsum im Land die Witwer auf.