Was sie nicht umbringt. Liza Cody
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»Du diebisches Flittchen!«, sagte er und ballte die Faust.
Daraufhin krallte ich mich mit der einen Hand in seine Haare, mit der anderen in seinen Hosenboden. Ich stellte mich hin, als wäre ich im Ring, riss ihn um und hob ihn gleichzeitig hoch.
Er flog im hohen Bogen bis zur Tür, wo er auf dem Hintern landete.
Ma wurde über die Rückenlehne mitgerissen und fiel in die Polster. Das Sofa kippte um.
Sie musste die Brieftasche des Mistkerls wohl unter ein Polster gestopft haben. Kaum lag das Sofa nämlich auf der Seite und die Polster waren überall auf dem Boden verstreut, konnte ich sie deutlich sehen.
Ma sah sie auch, sie hörte nämlich auf zu kreischen und setzte sich drauf.
Ich fühlte mich großartig.
Der Gipskopf auf dem Boden sagte: »Wer bist du denn?«
»Abmarsch, Mister.«
Er wollte aufstehen, aber ich trat ihm den Arm weg, und er kippte wieder um.
Er wollte nicht kämpfen. Schade eigentlich, weil ich wirklich in Stimmung war. Er rutschte irgendwie auf dem Hosenboden aus dem Zimmer. Im Korridor rappelte er sich hoch und schoss wie ein Windhund aus der Startbox zur Wohnungstür raus.
Ich ging ins Schlafzimmer, sammelte seine restlichen Klamotten ein und brachte sie ihm nach draußen.
Er stand fröstelnd in dem zugigen Treppenhaus. Tätowierungen halten nicht besonders gut warm.
Er sagte: »Die hat meine Brieftasche geklaut.«
»Du hast ja gehört, was sie gesagt hat«, meinte ich. »Du musst sie verloren haben. Und jetzt zieh Leine, sonst gehe ich noch nach unten und spring dir auf die Karre.«
Wenn du einen Mann kleinkriegen willst, brauchst du bloß seinen Wagen bedrohen. Er nahm seine Klamotten und ging.
Als ich wieder reinkam, hockte Ma immer noch auf dem Fußboden. Irgendwo hatte sie eine Flasche aufgetrieben, die sie sich nun hinter die Binde goss.
Sie sagte: »Er hat mir wehgetan. Er hat mir den Arm verrenkt.« Ein Geplärre wie von einem Kleinkind.
Ich sagte: »Zieh dir was über.«
Ich war richtig gut drauf, aber ich konnte es nicht leiden, dass Ma nichts anhatte. Sie sah so schwach und jämmerlich aus.
»Zieh dich an«, wiederholte ich.
»Mein Arm tut weh«, sagte sie, an der Flasche nuckelnd. »Ich glaube, ich muss zum Arzt.« Sie blieb einfach sitzen.
Mir reichte es. Ich war schon draußen und hatte die Tür hinter mir zugeknallt, da fiel mir Simones alte Adresse wieder ein. Ich klopfte und wartete. Ich klopfte noch mal.
»Ja?«, schrie Ma hinter der Tür.
»Die Familie«, schrie ich zurück. »Simones Pflegeeltern. Wo wohnen die?«
»Du bist eine Nervensäge«, sagte sie durch den Briefkastenschlitz. »Weißt du das? Du bist eine richtige Nervensäge.«
Ich wartete. Irgendwie dachte ich, sie würde vielleicht dieses eine Mal was für mich tun. Aber es passierte nichts. Also ging ich.
Solange ich denken kann, wird Ma schon von Männern verprügelt. Das kann man ihnen nicht mal unbedingt verdenken. Manchmal würde ich ihr am liebsten selber eine scheuern.
Ich kann bloß nicht verstehen, warum sie sich das immer noch gefallen lässt.
Man braucht sich doch nur im Fitnessstudio ein bisschen Kraft antrainieren. Wenn man stark ist, nehmen sich die Männer keine Frechheiten raus.
Mich schlägt keiner mehr – es sei denn, ich werde dafür bezahlt.
Ich hoffe, Simone ist stark. Wenn irgendwer Kraft wirklich nötig hat, dann ein hübsches Mädchen.
Natürlich war ich von Geburt an im Vorteil. Ich bin schon immer ziemlich bullig gewesen. Aber die Statur allein macht es auch nicht. Bullige Schwächlinge kennen wir doch alle.
Nein. Lass dir einen Tipp geben – wenn du dir auf dieser Welt Respekt verschaffen willst, sieh zu, dass du was anderes in die Arme kriegst als Pudding.
6
Die nächsten paar Stunden verbrachte ich im Fitnessstudio beim Krafttraining.
Harsh trainiert auch in Sams Studio, nur war er an dem Tag noch im Land der Kohlköpfe.
Aus einem Stimmungstief kommst du am ehesten mit hartem Training wieder raus. Aber in Gesellschaft trainiert es sich leichter. Wenn du allein bist, langweilst du dich und wirst nachlässig, und ehe du dich’s versiehst, achtest du nicht mehr auf deine Körperhaltung. Wenn du darauf nicht achtest, läufst du Gefahr, falsch zu heben und dich zu verletzen.
An dem Tag hatte ich den Laden jedenfalls ganz für mich alleine, und die Zeit wurde mir lang, aber trotzdem duschte ich hinterher gründlich und wusch mir die Haare.
Ich rief bei meinem Promoter an und erfuhr, dass ich am kommenden Wochenende für einen Kampf engagiert war. Noch mehr Kohle.
Wo die Hanteln am Nachmittag versagt hatten, wirkte die Aussicht auf Geld, so dass ich wesentlich besser gelaunt war, als ich mich um sechs in Mr. Chengs Restaurant meldete.
Das Beijing Garden hieß früher Peking Garden, aber aus irgendeinem Grund hat Mr. Cheng letztes Jahr den Namen geändert. Das Restaurant war noch nicht richtig geöffnet, als ich ankam, aber richtig geschlossen war es auch nicht mehr. Wegen Mr. Chengs Verwandten und Freunden und wegen den Glücksspielen im ersten Stock ist es eigentlich nie ganz zu.
Ich trug meine schwarze Lederjacke. Mr. Cheng mag mich in der Jacke – er meint, darin sehe ich aus wie ein Gangster. Hätte mich ein kleines Vermögen gekostet, die Jacke, wenn ich sie bezahlt hätte.
Als ich ankam, lehnte Mr. Cheng hemdsärmelig auf der Theke und bearbeitete seinen Taschenrechner. Er hat einen Sinn für Zahlen. Ich glaube, er mag sie lieber als Essen oder Menschen.
Er sagte: »Habbenkleinjobfüddieva.«
Er meinte: »Ich habe einen kleinen Job für dich, Eva.« Aber er redete so schnell, dass ich es mir erst mal übersetzen musste.
»Tantaboln«, sagte er.
Okay, dachte ich – Tante abholen. Schon kapiert.
»Hinter«, fuhr er fort, »färsseinneabnertrokassirn.«
»Was?«
Er sah hoch. »Wassenlos, Eva? Bissetaub, oder was? Ich habe gesagt, hinterher fährst du in die Abernathy Road kassieren.«
»Ach so«, sagte ich. »Okay, Mr. Cheng, wird erledigt.«
Er hielt mir die Hand hin. »Schlüssel«, sagte er.
»Wo?«