»Wir kriegen euch alle!« Braune Spur durchs Frankenland. Werner Rosenzweig

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Читать онлайн книгу »Wir kriegen euch alle!« Braune Spur durchs Frankenland - Werner Rosenzweig страница 20

»Wir kriegen euch alle!« Braune Spur durchs Frankenland - Werner Rosenzweig

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genoss die leichte Schwellung in seiner Hose. Die Frau war ein Hammer, eine absolute Wucht. Leider konnte er ihre Beine nicht sehen, die in einer schwarzen Röhrenjeans steckten. Die roten High Heels, in denen sie vor ihm dahin schritt, hätten alleine schon eines Waffenscheins bedurft. Er rieb seine mächtige Nase, die aus seinem sonst ebenmäßigen Gesicht ragte. Im Vergleich zu ihm hatte Thomas Gottschalk ein Kindernäschen.

      Sie waren an dem Tisch in der Ecke angekommen. »Setzen Sie sich doch«, forderte sie ihn auf.

      »Können wir nicht besser zum Du übergehen?«, hörte er sich sagen, während er auf dem Stuhl Platz nahm. Ihm war ganz heiß. »Das Sie klingt so förmlich, so unpersönlich.«

      »Von mir aus, ich bin die Doris.«

      »Müselüm.«

      »Wollen wir was trinken?«, schlug sie vor.

      Müselüm fiel es schwer, seinen Blick von ihrer enormen Oberweite abzuwenden, welche sich bei jedem Atemzug hob und senkte. »Gerne«, krächzte er.

      »Hast du was im Hals?«, wollte sie wissen.

      »Nein, nein, nur ein bisschen heiser, eine leichte Erkältung.« Die Bedienung trat an den Tisch. »Wisst ihr schon, was ihr wollt?«

      »Einen großen Cappuccino für mich«, antwortete Doris Kunstmann.

      »Ich nehme einen grünen Tee.«

      »Also«, nahm Müselüm Yilmaz das Gespräch auf, »du hast mich angerufen und mir vorgeschlagen, dass wir uns hier treffen. Wenn ich es recht verstehe, ist dein bisheriger Freund jetzt mit meiner Akgül liiert. Das stinkt dir offensichtlich so gewaltig, dass du am Telefon von Rache, Bestrafung oder zumindest von Vorschlägen gesprochen hast, welche in diese Richtung gehen. Hier bin ich, was willst du mir vorschlagen?«

      Doris Kunstmann hatte seinen Worten aufmerksam gelauscht, und versuchte sich ein Bild von ihrem Gegenüber zu machen. Einen ersten Eindruck. Sie hatte es bereits bereut, dass sie sich auf seinen Vorschlag zum Du eingelassen hatte. Sie versuchte zwar nicht hinzublicken, aber immer wieder wanderten ihre Augen wie magisch in sein Gesicht und blieben auf seiner riesigen Nase hängen. Was für ein Kolben! Nun roch sie auch noch diesen feinen Knoblauchgeruch, den sein Körper ausströmte und der penetrant in der Ecke des Raumes hängen blieb. Leichter Ekel kroch ihr das Rückgrat empor. Am liebsten wäre sie aus dem Lokal geflüchtet, aber nun musste sie da durch. Da half nichts, wenn sie sich nicht lächerlich machen wollte. Sie hatte sich die Suppe selbst eingebrockt. Was erhoffte sie sich eigentlich von diesem Menschen, dessen Blicke ständig zwischen ihren Augen und ihrem Busen hin und her wanderten? Sie musste gepudert gewesen sein, als sie in ihrer ersten Wut beschloss ihn anzurufen, noch dazu ihn zu treffen. Sollte sie offen mit ihm reden oder doch besser gleich verschwinden? Sie wollte ja ansonsten nichts von ihm.

      »Ein großer Cappuccino und ein grüner Tee«. Die Bedienung trat an ihren Tisch und stellte die Getränke auf der Tischplatte ab.

      »Können Sie mir noch ein Glas stilles Wasser zum Kaffee bringen? Entschuldigung, ich hab das vorhin vergessen.«

      »Kein Problem, kommt sofort.«

      »Ja«, nahm Doris Kunstmann das Gespräch wieder auf, und starrte dabei auf die Tischplatte, »das ist so …« Dann begann sie detailliert zu erzählen, wie sie von Walters Untreue erfahren, was sie sich dabei gedacht und wie verletzt sie sich gefühlt hatte und wie langsam der Wunsch nach Rache in ihre Gedanken geschlichen war und sich dort festgesetzt hatte. »Es gäbe natürlich auch die Möglichkeit, es noch einmal zu versuchen und um die eigene Liebe zu kämpfen«, erklärte sie.

      »Was meinst du damit?«, wollte Müselüm wissen.

      »Mann, war der Kerl doof«, dachte Doris Kunstmann und begann zögernd: »Ich meine, ich kämpfe um meine Liebe zu Walter und verzeihe ihm alles, falls er zu mir zurückkehrt. Du könntest ja die gleichen Gedanken bezüglich deiner Akgül haben, und wir beide könnten uns in unseren Bemühungen absprechen. Vielleicht könnten wir ja auch zu viert über unser Problem sprechen? Was meinst du? Wer weiß, vielleicht hast du dich mit dem Verlust deiner Freundin ja schon abgefunden? Mag sein, dass du dir eine Fortsetzung eurer Beziehungen gar nicht mehr vorstellen kannst? Das sind so die Gedanken, die mich im Moment bewegen. Ich bin einfach hin und her gerissen.«

      Ihr Mobiltelefon piepste. Eine SMS. Von Walter Fuchs. »Einen Moment bitte«, forderte sie Müselüm auf. Dann las sie: Hallo Doris, ich hoffe, Du hast zwischenzeitlich selbst erkannt, warum ich Dich verlassen habe? Nein? Dann erkläre ich es Dir: Du bist eine ordinäre, selbstverliebte Frau ohne echte Gefühle für andere. Immer nur Du, Du, Du. Diese Welt, dieses Leben kann so schön sein, wenn man den richtigen Partner hat. Du bist es leider nicht. Das habe ich zwischenzeitlich erkannt. Diese Erdkugel dreht sich, und Du klebst an ihr wie ein Stück Scheiße, wie ein Popel in der Nase. Diese Welt braucht Dich eigentlich gar nicht. Ach, wie habe ich mich in der letzten Zeit vor Deinen Berührungen geekelt. Wie haben mich die Gespräche mit Dir gelangweilt. Immer standest Du im Mittelpunkt: Deine Leistungen in der Schule, Dein geplantes Studium, Dein Kleid für den Abi-Ball, Dein Projektvorhaben für Äthiopien, Dein, Dein, Dein … Als ich Akgül kennenlernte, lernte ich ein neues Leben kennen. Ich war wie von den Toten erwacht. Es gab mich noch. Sie hat mir wieder Atem eingehaucht. Ich war schon gestorben und merkte es gar nicht. Das kannst Du Dir gar nicht vorstellen, nicht wahr, denn Du bist ein Egozentriker sondergleichen. Ich meine damit, dass das Leben, das Du führst, inhaltlich leer ist. Abgedroschen, eintönig, eingefahren, tot eben. Und bevor ich es vergesse, lass Dir an dieser Stelle gesagt sein, dass ich es nicht mehr tolerieren werde, wenn Du Akgül in Deinen beschissenen SMS-Nachrichten weiterhin beleidigst. Dann, und das lass Dir gesagt sein, werde ich Dir den Arsch aufreißen (groß genug ist er ja), und das meine ich wörtlich. Wenn Du willst, dass das Leben weiterhin an Dir vorbeigeht, dann mach so weiter. Lebe in Deiner Traumwelt, die sich ausschließlich um Dich dreht, liebe Dich selbst und lass andere in Ruhe. Du würdest ihnen nur schaden, sie unglücklich machen. Ich muss bekloppt gewesen sein, bis mir Akgül die Augen geöffnet hat. Werde auf Deine Art glücklich, aber ohne mich. Walter

      *

      Doris Kunstmann und Müselüm Yilmaz saßen immer noch im Bogart‘s. Die Blondine hatte den Inhalt von Walters SMS noch nicht verdaut. Sie war völlig durcheinander, völlig von der Rolle. Heftige Weinkrämpfe wechselten sich mit ordinären Verwünschungen ab. Ihr Make-up war verschmiert, und sie hatte bereits den zweiten doppelten Whiskey intus. Müselüm Yilmaz lernte plötzlich eine ganz andere Doris Kunstmann kennen.

      Zur gleichen Zeit flogen fast gleichzeitig zwei M61 über den Zaun der Zirndorfer Aufnahmestelle für Asylsuchende. Die erste schlug gegen den schweren Stoff des mittleren Zeltes, federte etwas zurück, fiel mit einem satten Geräusch auf den Rasen und blieb dort liegen. Die zweite Granate schrammte Sekundenbruchteile später gegen die Außenwand eines der Wohnhäuser, prallte mit einem lauten metallischen Klacken, welches vom heftigen Wind verschluckt wurde, von der Mauer ab, sprang auf dem schrägen Dach des nebenstehenden Zeltes auf, rollerte von dort auf die Erde und beendete ihren Weg direkt vor dem Zelteingang. Die dritte schließlich wurde nicht geworfen. Sie kullerte an das am nächsten stehende Zelt, gleich am Zaun. Zehn Sekunden, nachdem Bernd Auerbach die drei Handgranaten auf ihren tödlichen Weg gebracht hatte, war er bereits auf der anderen Seite der Plauener Straße angelangt und setzte seinen Spurt zum nahen Gelände des Honda-Händlers fort. Die Explosionen wüteten in seinen Ohren, aber für ihn klang es wie Musik. Die scharfen Metallsplitter der Waffen zerrissen die Zeltwände wie Papier und fuhren wie brennende Furien in das Innere der behelfsmäßigen Unterkünfte. Stofffetzen und die kläglichen Überreste der Zeltstangen flogen in einer dichten Explosionswolke auseinander. Die dicken Splittermäntel der drei Wurfgeschosse zerbarsten von der Wucht der Detonationen an ihren Sollbruchstellen, und die freigesetzten, scharfkantigen Metallteile

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