Spurensuche, Lebensorte, Lebenswege. Группа авторов

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Spurensuche, Lebensorte, Lebenswege - Группа авторов страница 2

Spurensuche, Lebensorte, Lebenswege - Группа авторов

Скачать книгу

Autoren

       Zum guten Schluss

      Sigrid Günther

      Rückbesinnung

      Heute ist der 31.12.2005, abends bald 22 Uhr. Also ein Silvestertag. Tag der Erinnerung, eigentlich auf das verflossene Jahr.

      Für mich soll es diesmal ein Rückblick auf die vergangenen Jahrzehnte sein. In diesen zig-Jahren habe ich Erlebnisse gehabt, die mich erst viel später sehr nachdenklich gemacht und meine Seele tief berührt haben.

      Durch diese „Glaubenserfahrungen” ist mir bewusst geworden, dass da Einer mich begleitet und Seine Hand über mir gehalten hat und noch hält.

      Es ist nicht so, dass ich übermäßig fromm bin. In einem christlichen Elternhaus groß geworden, bin ich zwar gläubig, aber nicht streng gläubig erzogen worden. Beten fällt mir oftmals schwer und mein Glaube hat manche Krise durchgemacht.

      Meine Mutter hat das Christsein uns Kindern vorgelebt, weniger durch Worte, als vielmehr in Taten. Sie war alleinerziehend und mit uns Kindern sehr geduldig (meine Schwester und ich waren keine Engel). Mein Vater starb, als ich 7 und meine Schwester 5 Jahre alt waren.

      Unsere viel ältere Schwester hat meiner Mutter besonders viel Sorgen bereitet. Sie kam mit einem Kind nach Hause, vernachlässigte ihre Mutterpflichten und war dann auch noch dem Alkohol verfallen. Trotz aller schweren Schicksalsschläge ist meine Mutter, die außerdem zwei Weltkriege miterleben musste, in ihrem Wesen immer ausgeglichen und heiter geblieben.

      Jetzt ist nun der Zeitpunkt gekommen, wo es mich einfach treibt, diese meine Erfahrungen mir von der Seele zu schreiben.

      „Da dachte Petrus an die Worte Jesu, da er zu ihm sagte: Ehe der Hahn krähen wird, wirst du mich dreimal verleugnen, und ging hinaus und weinte bitterlich.”

      Wenn ich diese Worte aus dem Matthäusevangelium 26, Vers 75 lese oder höre, werde ich immer wieder an das Erlebnis erinnert, das ich in meiner Schulzeit – in der 6. oder 7. Klasse in den Jahren 1960/1961 hatte. Auf dem Stundenplan stand das Fach „Geschichte”, das nicht gerade zu meinen Lieblingsfächern gehörte. Vielleicht lag es auch mit am Lehrer, den ich nicht mochte.

      Meine Mitarbeit war dementsprechend, eben nicht gerade hervorragend. Der Lehrer hatte mich wieder mal auf dem Kieker.

      Als ich seine von ihm gestellte fachliche Frage nicht beantworten konnte, fragte er mich plötzlich ganz provozierend vor der ganzen Klasse, ob ich denn an Gott glauben würde. Ich war wie geschockt, die ganze Klasse mucksmäuschen still und alle starrten gespannt auf mich. Dann erst nach einer für mich langen Pause, habe ich mit einem leisen „Nein” geantwortet.

      Diese Begebenheit hat mich mein ganzes Leben beschäftigt. Natürlich nicht ständig. Aber jedes Mal wenn ich den Bibeltext vor mir sehe (ich mache meine tägliche Bibellese) muss ich daran denken. Aber ich weiß auch, dass mir Gott verziehen hat, denn er hat mich immer wieder gute Wege geführt und mich in meinem Leben vor manchen Gefahren bewahrt.

      Ich hatte keine leichte Schulzeit aufgrund meiner Weltanschauung, weil ich immer dem Gespött meiner Mitschüler und auch einzelner Lehrer ausgesetzt war.

      Die schlimmste Krise musste ich 1962 durchmachen.

      Ich ging in eine 27. POS in Leipzig. Es wurde damals angestrebt, dass jede Klasse vollzählig an der Jugendweihe teilnehmen sollte.

      Ein unserer Familie sehr nahe stehender Pfarrer aus der Thonberger Gemeinde riet meiner Mutter, dass sie mich doch zur Jugendweihe schicken solle, um diesen Repressalien zu entgehen. Er würde mich dann trotzdem ein Jahr später konfirmieren, was damals noch nicht so üblich war.

      Aber für mich war es unvorstellbar, zwei verschiedene Bekenntnisse ablegen zu müssen. Das bedeutete ja, den Mantel nach dem Wind zu hängen. Ich habe es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren können.

      Als ich meiner Mutter meine Kümmernisse mitteilte, sagte sie mir: „Wie du dich auch entscheidest, ich respektiere das, denn dies ist eine ganz wichtige Entscheidung für’s weitere Leben, die du nur selber treffen kannst.” Ich bin meiner Mutter heute noch dankbar, dass sie mir diese schwere Entscheidung überlassen hat.

      Ich habe dann sehr mit mir gerungen, denn ich war in unserer Klasse die Einzige, die keine Jugendweihe mitmachen würde. Ich steckte in einer tiefen Krise.

      Meine Entscheidung musste ich einem Lehrer mitteilen, der für die Organisation der Jugendweihe verantwortlich und ein eifriger Verfechter der sozialistischen Gesellschaft war. Ich kann mich sogar jetzt noch an sein Aussehen erinnern. Er war von untersetzter Gestalt, schwarze Haare, ein affenähnliches Gesicht, aus dem man seine 1.000 %ige Überzeugung herauslesen konnte. Vor diesem Lehrer hatte jeder Schüler Respekt oder besser gesagt Furcht.

      Und vor diesem Lehrer musste ich hintreten, große Angst im Herzen, und habe ihm gesagt, dass ich nicht an der Jugendweihe teilnehmen werde. Kaum hatte ich ausgeredet, als er mich derart anschrie (für sein Geschrei war er in der ganzen Schule bekannt), dass alle Schüler und Lehrer im Schulgebäude dieses Geplärre mitbekamen. Ich kann heute nicht mehr sagen, was seine Worte waren. Nach diesem Disput war ich erst einmal erleichtert.

      Aber diese Entscheidung hatte für meine spätere berufliche Laufbahn Folgen.

      Noch während meiner Schulzeit (es muss in der 10. Klasse gewesen sein) ging ich auf Lehrstellensuche. Anfangs begleitete mich meine Mutter. Ich hatte eine Stelle im VEB Hochbauprojektierung am Augustusplatz gefunden und musste mich nur nochmal wegen einer Unterschrift unter meinen Lehrvertrag dort einfinden.

      Bevor diese Formalität erfolgte, fragte mich die dortige Mitarbeiterin, ob ich denn Jugendweihe gehabt hätte. Als ich verneinte, entließ sie mich mit den Worten: „Ja, dann weiß ich nicht, ob es mit der Stelle klappt.”

      Ich war natürlich geschockt und vollkommen niedergeschlagen, als ich es meiner Mutter erzählte. Sie war entsetzt, denn damit hatte sie auch nicht gerechnet, weil es so gut wie sicher war.

      Als ich die Sache meinem Klassenlehrer vortrug, hat er sich am gleichen Tag mit der Mitarbeiterin von der Hochbauprojektierung in Verbindung gesetzt, um noch was zu retten. Aber leider vergeblich.

      Nun ging die Suche von Neuem los. Dadurch, dass meine Mutter viel Außendienst hatte, kam sie mit vielen Firmen in Kontakt. So landete ich im Kontor einer kleinen Privatfirma. Dort wurde ich wie in einer Familie aufgenommen. Es war eine schöne Zeit. Vielleicht hätte es mir in den großen VEB-Betrieb gar nicht gefallen.

      Ich denke mir, dass alles so seinen Sinn hat, auch wenn es manchmal krumme Wege sind, die wir nicht verstehen wollen, aber im Nachhinein die positive Seite erkennen.

      Sonntag,

Скачать книгу