Stimmen des Yukon. Birte-Nadine Neubauer
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Trudy hatte in der Zwischenzeit den Kofferraum geöffnet. Während sie nun zum Eingang der Lodge ging, rief sie Julie zu, dass sie den Kofferraum schließen solle, sobald sie ihren Rucksack ausgeladen hatte.
Beeindruckt und vollbepackt näherte sich Julie der Lodge. Eine kleine einfache Veranda war dem Eingangsbereich vorgelagert. Rechts und links davon war jede Menge Brennholz gestapelt. Es diente als Vorrat für den schon bald nahenden, langen Winter. Ebenso beidseits der Eingangstüre und an der nach Süden gerichteten Seite, befand sich eine große Fensterfront, deren hellbraune Rahmung in einer tannengrünen Fassung eingearbeitet war. Das Glas der Fenster war mit feinen Holzlatten versehen, die die Fenster wiederum in kleinere Fenster unterteilten. Als Julie schließlich die Lodge betrat, nahm sie einen behaglichen, holzigen Duft wahr. Sie hielt einen Moment inne und sah sich um. Gleich links war ein offener Raum, der ringsum gesäumt war von einer hölzernen Sitzmöglichkeit. Einige handgemalte Bilder waren an den Wänden angebracht und darunter befanden sich über und über Haken zum Aufhängen von Kleidungsstücken. Dieser Teil der Lodge war eine riesige Garderobe wie es den Anschein machte. Julies Blick schweifte weiter. In der Garderobe führte eine kleine Türe in den linken hinteren Teil der Lodge, in dem sich unter anderem das Badezimmer befand. Rechts von der kleinen Türe führte eine Treppe in den oberen Bereich der Lodge. Direkt daneben stand ein riesiger Brennofen mit zwei wuchtigen, metallenen Töpfen darauf. Hinter und neben diesem befand sich die Küche. Ein alter Schrank und viele Ablagemöglichkeiten an den Wänden, auf denen sich Gewürze, Geschirr und andere Küchenutensilien befanden, rundeten das urige Bild, das alles ergab, ab. Eine sehr einfache Spüle befand sich in der Mitte der Küchenwand direkt unter einem Fenster. Ein weiterer Schrank und eine massive Arbeitsplatte mit Stauraum darunter, grenzten den Küchenbereich vom Essbereich ab. An der Decke verliefen kupferne Gasleitungen, die die Lampen mit dem nötigen Brennstoff versorgten. Auf der Treppe befanden sich ein paar große Wasserkanister, die die Wasserversorgung sicherstellten. Es war somit nicht zu übersehen, in welcher Einfachheit man hier lebte.
Der Regen setzte abrupt und heftig ein und verstärkte das Gefühl der Gemütlichkeit für den Besucher. Trudy bat Julie ihr zu folgen. Sie wollte ihr das Zimmer zeigen, in dem sie für eine Woche wohnen konnte, bevor man sie zur Hütte begleiten würde. Gemeinsam gingen sie die knarzende Holztreppe hinauf. Im oberen Stock befand sich ein großer Aufenthaltsraum, in dem ein gemütliches, altes und durchgesessenes Sofa stand. Ein paar Sessel im gleichen Stil standen ebenso im Raum verteilt. In der Mitte gab es einen Tisch und an der Brüstung zur Treppe befand sich ein kleines Bücherregal. Die Wände waren nur halb hoch, da sich das Dach weit nach unten zog. In den Dachschrägen befanden sich ein paar Fenster, die wie kleine Gauben in das Dach eingelassen waren und dem Raum eine gewisse Niedlichkeit verliehen. Trudy führte Julie nach rechts und wies ihr in einem kleinen Vorraum ihr Zimmer zu. Es lag an der Nordseite der Lodge.
»Wenn du dein Gepäck verstaut hast, sieh dich ruhig in Ruhe um. Du kannst auch draußen die Hunde und die Pferde besuchen, wenn du magst. Ich möchte noch einige Vorbereitungen erledigen, bevor die nächsten Gäste eintreffen. Die anderen werden vermutlich nicht vor dem Abend hier sein. Wir werden dann gemeinsam zu Abend essen und das Wesentliche für die nächsten Tage besprechen. Ach, wenn du bis dahin Hunger bekommst, ich habe unten in der Küche eine Platte mit Käse für dich vorbereitet. Daneben liegt Brot. Wir haben immer frisches Obst in der Schale auf dem Esstisch, da kannst du dich auch bedienen. Cookies und andere Süßigkeiten findest du im Schrank hinter dem Ofen, falls du Lust darauf hast.«
»Das ist sehr lieb von dir, vielen Dank!« Julie machte eine kurze Pause und sah Trudy in die Augen. »Vielen Dank für alles, Trudy!«
Trudy hätte Julies Dankbarkeit auch ohne deren Worte alleine in ihren Augen lesen können und so erwiderte sie dies mit einem kurzen Lächeln. Sie nickte. »Gern geschehen, und bis später dann, Julie!«
Nachdem Julie ihre Sachen im Zimmer, in dem sich lediglich ein großes Bett, zwei kleine Schränke und eine kleine Ablagebank befanden, verstaut hatte, spähte sie aus dem Fenster. Sie entschied sich trotz des anhaltenden Regens dafür, ein wenig hinauszugehen. Sie wollte sehen, wie die Hunde und Pferde untergebracht waren und was ihr die nähere Umgebung zu bieten hatte. Sie zog ihre Regenkleidung über, eilte die Treppe hinunter und ging hinaus.
Ohne überhaupt eine Ahnung zu haben, wo sich auf der Ranch was befand, blieb Julie nach wenigen Schritten vom Haus entfernt stehen. Sie überlegte sich, in welche Richtung sie gehen wollte. Zu ihrer Linken sah sie einen Holzzaun, der einer Koppeleinfassung glich. Plötzlich drang aber heftiges Hundegebell direkt vor ihr an ihr Ohr und sie entschied sich dem Weg geradeaus zu folgen. Sie war neugierig, wie viele Hunde im Stande waren, solch einen Lärm zu verursachen.
Nach ein paar hundert Metern sah Julie auf der linken Seite einen mit lichten Fichten bewaldeten Platz, an dem die Hunde untergebracht waren. Jeder der Hunde war mit einer langen Leine an einem niedrigen Pfosten angebunden und hatte eine blaue Tonne in seiner Nähe, die als Hütte umfunktioniert war. Sie lag waagerecht auf dem Boden und hatte eine ausgeschnittene Luke als Eingang. Eine dicke Einlage Stroh diente als Mattratze. Sie hielt kurz an, um diesen Eindruck auch wirklich begreifen zu können. »Ach du meine Güte!«, staunte sie. »Das müssen hunderte sein!« Sie vermochte sie nicht zu zählen.
Je weiter sie nun dem Weg folgte, umso weiter begab sie sich zwischen die Hunde. Als sie stehen blieb, um diese genauer betrachten zu können, befand sie sich mitten in deren aufgewühlten Stimmung und das Bellen schien für kurze Zeit ihre Ohren zu betäuben. Dann sah Julie, weshalb die Hunde so aufgebracht waren.
An einer riesigen Werkbank, die sich zwischen zwei kleineren Hütten befand, verarbeitete jemand einen immensen Berg Fleisch und Knochen. Alle Hunde hofften davon ihren Teil abzubekommen. Es gab manche, die, während sie bellten, einfach nur dasaßen, andere, die Runde um Runde um ihren Platz liefen und wieder andere, die hektisch gegen ihre Leine sprangen, da sie sich erhofften, dadurch eher etwas von dem leckeren Fleisch abzubekommen.
Die Hunde, die sich in nächster Nähe zu Julie befanden, unterbrachen ihr Jaulen und hofften stattdessen auf ihre Aufmerksamkeit. Julie fiel eine aufgeweckte und wunderschöne Hündin direkt neben sich auf, die in ihrem graumelierten Fellkleid etwas Wolfsähnliches hatte. Sie trat näher an sie heran und begann sanftmütig mit ihr zu sprechen: »Na du? Du bist aber eine Hübsche!« Dabei bemerkte sie, dass auf jeder der Hundehütten der Name des jeweiligen Hundes mit dicker weißer Farbe geschrieben war. Auf der Tonne des Hundes zu ihrer Linken war der Name ›Fuzzy‹ zu lesen. »So heißt du also. Fuzzy!«
Die Hündin wedelte freudig mit ihrer Rute und war dennoch hin- und hergerissen, ob sie nun Julie oder dem entfernten Fleisch ihre volle Aufmerksamkeit schenken sollte.
Julie überschaute den Hundeplatz und bedauerte zugleich, dass sie es heute nie und nimmer schaffen würde, jeden einzelnen von ihnen zu begrüßen und zu streicheln. Stattdessen beschränkte sie sich auf die Hunde, die um sie herum waren, und ließ zumindest diese ihre Liebe für sie spüren.
Etwas wehmütig entschloss sich Julie letzten Endes, nach einem nur kurzen Besuch bei den Hunden, einmal nach den Pferden zu sehen. Da es immer noch in Strömen regnete, sollte ein kurzer Überblick daher vorerst genügen. Sie ging denselben Weg zurück den sie gekommen war, in Richtung des Weidezaunes, den sie zuvor gesehen hatte. In der gesamten Einzäunung befanden sich jedoch keine Pferde. So ging sie auf dem Weg, den sie mit dem Auto gekommen waren, weiter. Sie wollte nachsehen, ob sie in dem Paddock, den sie vorher nur aus dem linken Augenwinkel bemerkt hatte, Pferde ausfindig machen konnte.
In der Mitte des Paddocks standen zwei große Futterplätze und es gab einen geräumigen Unterstand. Außerhalb der Einzäunung stand eine Hütte, die vermutlich als Futter- oder Sattelkammer